Baden-Württemberg

Jugendliche sitzen seit Corona öfter vor dem Bildschirm

Studie: Bildschirmzeiten von Jugendlichen im Frühjahr deutlich gestiegen - Bewegung ist wichtig - Täglich zehn Stunden online

22.12.2020 UPDATE: 23.12.2020 06:00 Uhr 1 Minute, 54 Sekunden
Im April und Mai stieg die Online-Zeit von Jugendlichen weiter an. Foto: dpa

Von Jens Schmitz, RNZ Stuttgart

Stuttgart. Zum Abschluss eines Jahres mit Fernunterricht und Ausgangsbeschränkungen warnt Baden-Württembergs größte Krankenkasse vor den Folgen langer Bildschirmzeiten für Minderjährige: Eine landesweite Erhebung im Auftrag der AOK legt Zusammenhänge zu Fehlsichtigkeit und anderen Problemen nahe.

"Je mehr Zeit Kinder vor einem Bildschirm verbringen, desto häufiger beobachten Eltern, dass ihr Kind Konzentrationsprobleme hat, sich ungesund ernährt, kurzsichtig ist oder Kopfschmerzen hat", heißt es in der Auswertung des Meinungsforschungsinstituts Forsa. "Auch Kontakte zu Freunden und Verwandten werden dann häufiger vernachlässigt." Die Studie liegt unserer Zeitung vor.

Experten der AOK Baden-Württemberg sind besorgt: "Heranwachsende verbringen inzwischen ebenso viel Zeit vor dem Bildschirm wie in der Schule", warnt Hans-Peter Zipp, Kinder- und Jugendarzt bei der Krankenkasse. Eine Postbank-Studie hatte bereits 2019 ergeben, dass 16- bis 18-Jährige in Deutschland pro Tag 8,3 Stunden online sind. Im April und Mai 2020 war dieser Wert auf mehr als zehn Stunden gestiegen; damals waren die Schulen geschlossen.

Anders als die Postbank hat die AOK Baden-Württemberg nun im November nicht die Minderjährigen selbst befragen lassen, sondern ihre Eltern, und zwar zur Nachwuchs-Bildschirmzeit insgesamt. Demnach sitzen im deutschen Südwesten 40 Prozent der 15- bis 18-Jährigen wochentags drei Stunden "oder länger" vor Fernsehern, Computern und Smartphone-Displays. Am Wochenende steigt dieser Wert auf 70 Prozent. Über die Bandbreite von ein bis 18 Jahren kommt jedes zweite Kind auf einen Gesamtschnitt von mindestens einer Stunde Screentime an einem normalen Tag; am Wochenende sind es 67 Prozent. Gut jeder fünfte Befragte erklärte, dass sein Kind in der Freizeit keinen Sport treibe.

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Zipp warnt, dass "häufige Mediennutzung vor allem im Kindesalter die allgemeine Entwicklung gefährden kann". Die Studie selbst legt das nahe. "Täglich etwa zwei Stunden raus an die frische Luft", rät der AOK-Arzt. "Das senkt das Risiko, dass eine Kurzsichtigkeit entsteht oder sich stark ausprägt."

Die richtigen Konsequenzen zu ziehen, ist allerdings nicht einfach in Zeiten, in denen Ausgangsbeschränkungen das gemeinsame Spielen draußen erschweren und die Rückkehr des digitalen Fernunterrichts jederzeit möglich scheint. Der Präventionsexperte der Landes-AOK, Alexander Kölle, rät zu gemeinsamen Aktivitäten wie Brettspielen oder Kochen: "Auch in Pandemiezeiten ist es wichtig, intensiv Zeit mit den Kindern zu verbringen", sagt der Sportwissenschaftler. "Verbringt man diese Zeit beispielsweise bewegt miteinander, dann hat man gleich einen Bewegungsausgleich." So gebe es durchaus auch Videos mit guten Bewegungsideen fürs Wohnzimmer.

Das digitale Lernen werde ganz generell verstärkt kommen, so Kölle. "Jedoch sollte auch im Unterricht – egal ob in der Schule oder zu Hause – auf Nutzungszeiten und entsprechenden Ausgleich Wert gelegt werden." Für Kinder sei analoges Lernen wichtig. "Auge-Hand-Koordination beim Schreiben oder taktile Erfahrungen sind nur ein paar Beispiele." Als Orientierung bei der Mediennutzung empfiehlt Kölle ein Maximum von zehn Minuten pro Lebensjahr am Tag oder von einer Stunde pro Lebensjahr in der Woche.

Für die Forsa- Studie wurden 507 repräsentativ ausgewählte Eltern von Kindern zwischen einem und 18 Jahren in Baden-Württemberg befragt. Die Daten wurden Ende November erhoben, als die Schulen im Land offen waren. Die statistische Fehlertoleranz beträgt vier Prozentpunkte.

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