Baden-Württemberg

Behörde soll bei Fachkräfte-Zuwanderung Tempo machen

Die zentrale Landesagentur soll sich ausschließlich um beschleunigte Verfahren für Bewerber aus Drittstaaten kümmern. 70 Stellen sind geplant.

19.09.2024 UPDATE: 19.09.2024 04:00 Uhr 2 Minuten, 31 Sekunden
Symbolfoto: Angelika Warmuth/dpa

Von Tanja Wolter, RNZ Stuttgart

Stuttgart. Für fast 84.000 offene Stellen suchen Arbeitgeber in Baden-Württemberg derzeit händeringend nach Personal. Viele Unternehmen verzweifeln zunehmend bei der Gewinnung von Fachkräften im Inland.

Die Alternative, ausländische Spezialisten aus einem Drittstaat außerhalb der EU anzuwerben, ist allerdings auch kein leichtes Unterfangen: Berufsabschlüsse müssen anerkannt, aufenthaltsrechtliche Fragen geklärt, oft die Zustimmung der Arbeitsagentur eingeholt und dann noch ein Visum erteilt werden. Eine bürokratische Odyssee, die allerdings seit 2020 mit einem "beschleunigten Fachkräfteverfahren" verkürzt werden kann.

In Baden-Württemberg wurde von diesem Verfahren bereits tausendfach Gebrauch gemacht, zuständig sind die örtlichen Ausländerbehörden. Die Landesregierung will nun aber noch einen weiteren Turbo zünden: Kurz vor der Sommerpause brachte sie per Kabinettsbeschluss eine neue Landesagentur für die Zuwanderung von Fachkräften – kurz LZF – auf den Weg. Im Entwurf für den Doppelhaushalt 2025/26, den Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) am Dienstag der Presse präsentierte, sind dafür 70 zusätzliche Stellen vermerkt.

In mehreren anderen großen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen, Bayern und Schleswig-Holstein gibt es solche zentralen Einrichtungen bereits seit einigen Jahren. In Baden-Württemberg soll die neue Behörde bei den Regierungspräsidien Karlsruhe und Stuttgart angesiedelt werden und nichts anderes tun, als beschleunigte Verfahren einzuleiten und abzuarbeiten.

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Bewerberinnen und Bewerber aus Pflege- oder Gesundheitsberufen werden nach den gemeinsamen Plänen des Justiz- und des Sozialministeriums am Standort Stuttgart gebündelt, alle anderen Berufsgruppen in Karlsruhe. Schnell und unbürokratisch soll das ablaufen, so die große Hoffnung. Zugleich sollen die Ausländerbehörden, die mit dem Zuzug von ukrainischen Kriegsflüchtlingen sowie Asylbewerbern alle Hände voll zu tun haben, entlastet werden.

Wann die Landesagentur loslegt, ist allerdings noch unklar, denn auch sie muss ihr neues Personal erst einmal auf dem leergefegten Arbeitsmarkt finden. Operationell tätig werden könne die LZF "erst mit der Gewinnung und Einstellung der erforderlichen Mitarbeitenden in die Landesverwaltung", erklärte ein Sprecher des Justizministeriums auf Anfrage. Einen konkreten Zeitraum für den Start kann er "im Hinblick auf die Vielzahl der noch bestehenden Unwägbarkeiten" noch nicht nennen.

An den beiden LZF-Standorten wird neben der neuen Behörde auch eine Koordinierungs- und Beratungsstelle eingerichtet, die schon vor den beschleunigten Verfahren Fragen rund um die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse klären soll. Denn erfahrungsgemäß sorgen unvollständige Unterlagen oft für die größten Verzögerungen. Die Arbeit der Agentur soll außerdem grundsätzlich digital erfolgen, wovon sich die Landesregierung weitere Beschleunigungseffekte und eine gute Erreichbarkeit erhofft.

Exklusiv wird die Landesagentur nicht arbeiten, denn auf der unteren Ebene bleiben parallel die 137 Ausländerbehörden weiterhin auch für beschleunigte Verfahren zuständig. Arbeitgeber können damit frei entscheiden, ob sie sich bei der Einstellung von Drittstaatlern an die LZF oder an ihre Behörde vor Ort richten wollen – es entsteht eine Doppelstruktur.

Die Frage nach der Begründung beantwortet das Justizministerium eher vage: Mit der LZF stehe Arbeitgebern "eine perspektivisch leistungsfähige, auf Fachkräfteeinwanderung spezialisierte Ansprechpartnerin zur Verfügung, die landesweit einheitliche Entscheidungen gewährleisten soll", teilt der Sprecher mit. Vorteile verspricht man sich vor allem für Unternehmen mit mehreren Standorten im Land.

Die Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit (BA) steht der Behördengründung positiv gegenüber: "Wir begrüßen es, wenn die neue Landesagentur die Einwanderung von Fachkräften beschleunigt und die Verwaltungsverfahren schneller, unkomplizierter und digitaler macht", sagte Susanne Koch, Geschäftsführerin Operativ der Regionaldirektion, unsere Redaktion. Den größten Bedarf gibt es ihr zufolge in den Gesundheits- und Pflegeberufen, den Bauberufen und den Lebensmittel- und Gastgewerbeberufen. Die BA muss einer Einstellung von Fachkräften aus Drittstaaten häufig zustimmen, ist also in die Verfahren mit eingebunden.



8700 beschleunigte Verfahren: Seit Einführung der beschleunigten Fachkräfteverfahren durch die Bundesregierung im März 2020 sind bis einschließlich Juni 2024 in Baden-Württemberg insgesamt rund 8700 entsprechende Verfahren abgeschlossen worden. Das geht aus Daten hervor, die das Justizministerium jüngst in einer Antwort auf Anfrage aus der SPD-Fraktion mitteilte.

2023 waren es landesweit 3206 beschleunigte Verfahren, im ersten Halbjahr 2024 knapp 1750. Die meisten Vereinbarungen seien im Bereich Tourismus-, Hotel- und Gaststättenberufe sowie in Gesundheitsberufen abgeschlossen worden.

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