Baden-Württemberg

Bayaz will keinen Sparkurs fahren

Der Finanzminister warnt davor, einen Nachtragshaushalt aufzulegen. Zufrieden mit Asyl-Unterstützung durch den Bund.

08.11.2023 UPDATE: 08.11.2023 06:00 Uhr 1 Minute, 55 Sekunden
Die aktuellen Konjunktur- und Steuerdaten nennt Finanzminister Danyal Bayaz (l., im Gespräch mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann) eine „finanzpolitische Zäsur“. Foto: dpa

Von Jens Schmitz, RNZ Stuttgart

Stuttgart. Nach der Herbst-Steuerschätzung und den Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) zur Geflüchteten-Versorgung sieht Ministerpräsident Winfried Kretschmann Baden-Württemberg finanziell "solide" aufgestellt, auch wenn die Zeit wachsender Einnahmen vorbei sei. Finanzminister Danyal Bayaz (beide Grüne) sagte am Dienstag, das Land fahre keinen Sparkurs, müsse aber künftig stärker Prioritäten setzen. Wünschen nach einem Nachtragshaushalt erteilte er eine Absage.

Neben Maßnahmen zur Begrenzung sogenannter irregulärer Migration hat die MPK in der Nacht auf Dienstag beschlossen, dass der Bund Länder und Kommunen bei der Versorgung geflüchteter Menschen stärker unterstützt. Statt wie im laufenden Jahr 2,25 Milliarden Euro sollen 2024 etwa 3,5 Milliarden Euro fließen. Rund eine halbe Milliarde davon könne Baden-Württemberg erwarten, erklärte Bayaz. Die wichtigste Botschaft sei aber die Orientierung an der tatsächlichen Zahl der Migranten.

"Der Bund unterstützt die Länder und Kommunen ab 2024 mit jährlich 7500 Euro pro Asylantragsteller", erläuterte Kretschmann. "Zusätzlich hat der Bund ein Paket von Leistungseinsparungen vorgeschlagen und garantiert den Ländern eine finanzielle Wirkung von einer Milliarde Euro pro Jahr, mit der die Haushalte von Ländern und Kommunen entlastet werden." Das sei zwar nicht genug, aber ein wichtiger Einstieg: "Gut an diesem Kompromiss ist vor allem, dass wir endlich ein atmendes System haben, das sich an der Zahl der Geflüchteten orientiert."

Insgesamt sei die Finanzlage des Landes "nach wie vor solide, aber die Zeiten stetig wachsender Steuereinnahmen scheinen doch vorbei zu sein", sagte der Regierungschef. Bayaz warnte mit Blick auf Steuerschätzung und Konjunkturdaten, "dass wir es mit einer finanzpolitischen Zäsur zu tun haben und hier auch in einer neuen finanzpolitischen Realität unterwegs sind". In den Jahren 2023/24 würden zwar ungefähr 400 Millionen Euro Steuermehreinnahmen erwartet. Im Vergleich zu früheren Jahren sei diese Zahl aber eher niedrig und werde von der Inflation voraussichtlich aufgezehrt.

Weil der Landeshaushalt Risikorücklagen enthalte, sei das Land weiterhin handlungsfähig. Allerdings gibt es auch eine ganze Reihe von schwer kalkulierbaren Kostenfaktoren, die am Horizont warten: die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst beispielsweise oder das Wachstumschancengesetz im Bund. Und für die Jahre 2025 und 2026 besteht trotz erwarteter Steuermehreinnahmen in der mittelfristigen Finanzplanung eine strukturelle Deckungslücke von 2,8 Milliarden und 2,5 Milliarden Euro.

"Diese Deckungslücke wird sich durch die Inflation und den bevorstehenden Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst voraussichtlich noch vergrößern", sagte Bayaz. Die Bedeutung für die Zukunft sei klar: "Ein Nachtragshaushalt für zusätzliche Ausgaben ist unrealistisch, ist zumindest in weite Ferne gerückt."

Bayaz warnte, dass schon die Eröffnung eines entsprechenden Verfahrens teuer wäre. Das liegt an der sogenannten Konjunkturkomponente. Der aktuelle Doppelhaushalt basiert auf Wirtschaftsprognosen des vergangenen Jahres. Aus ihnen ergaben sich im Rahmen der Schuldenbremse auch Kreditbefugnisse und Tilgungsverpflichtungen.

Würde das Verfahren für einen Nachtragshaushalt eröffnet, müssten die Konjunkturdaten neu berechnet werden – was Bayaz zufolge aufgrund der höheren Inflation dazu führen würde, dass das Land weniger Schulden aufnehmen dürfte und mehr Kredite tilgen müsste. Bayaz prognostizierte Kosten von 1,4 Milliarden Euro – "ohne dass man nur eine zusätzliche Aufgabe in einem möglichen Nachtragshaushalt hinterlegt".

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