Kreisgesundheitsamt wehrt sich gegen Kritik und dröselt Abläufe auf
"Sind der Infektionskette hinterhergerannt" - Kein Vorwurf an die Klinik

Von Armin Guzy
Heilbronn. In vielen anderen Einrichtungen im Landkreis Heilbronn waren die Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus erfolgreich, im SRH-Gesundheitszentrum in Bad Wimpfen waren sie es nicht: Am Scheitelpunkt des Infektionsgeschehens wurde das Virus dort bei insgesamt 237 Patienten und Klinikmitarbeitern nachgewiesen. Und nach wie vor weiß niemand mit Sicherheit, wie es dazu kommen konnte. Es gibt nur Indizien und Vermutungen, es gibt inzwischen fünf Tote, und es gibt Vorwürfe an die Klinik und das Gesundheitsamt des Landkreises, nicht richtig reagiert zu haben.
Diesen Vorwurf wiesen das Gesundheitsamt und Landrat Detlef Piepenburg am Donnerstag vor der Presse deutlich zurück, dröselten die Vorgänge aus ihrer Sicht haarklein auf und gaben einen Einblick in die Arbeit der Behörde. Medizinerin Clarissa Voigt, im Landratsamt zuständig für Infektionsschutz, bekannte dabei, dass es im Fall SRH nicht so gut gelaufen sei: "Wir sind die ganze Zeit der Infektionskette hinterhergerannt."
Bis zum 9. April hatte sich in der Klinik angesichts der allgemeinen stetigen Ausbreitung des Virus auch in Altersheimen und Kliniken alles noch in einem moderaten Rahmen bewegt. Am 2. April waren dem Gesundheitsamt zwei bestätigte und sechs Verdachtsfälle gemeldet worden, und die Maßnahmen zur Eindämmung schienen erfolgreich. Dann aber erreichten die Infektionen binnen weniger Tage eine Größenordnung, die nach wie vor im weiten Umkreis beispiellos ist.
Bislang ist eine Person im Gesundheitszentrum gestorben, vier weitere starben in Akutkliniken. Ob Covid 19 in allen fünf Fällen die Todesursache war, ist ebenso unklar wie die Zahl vormaliger SRH-Patienten, um deren Leben Ärzte möglicherweise aktuell noch kämpfen. Das Gesundheitsamt konnte am Donnerstag zum Gesundheitszustand der aus Bad Wimpfen verlegten Patienten keine Angaben machen. Derzeit sollen sich noch 80 infizierte Patienten im SRH-Gesundheitszentrum befinden – betreut von größtenteils ebenfalls infizierten, aber symptomfreien Klinikmitarbeitern. "Das ist eine ganz große Herausforderung", sagte Landrat Piepenburg.
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Voigt geht davon aus, dass das Virus bereits Anfang April von zwei oder drei infizierten, aber symptomfreien Patienten oder Klinikmitarbeiter zunächst unbemerkt verbreitet worden sein könnte. Für diese Annahme spreche "der hohe Anteil asymptomatisch Infizierter, die hohe Infektionszahl beim Personal und die relativ langsame Progression (das Fortschreiten) des Infektionsgeschehens (...) unter den Patienten." Landrat Piepenburg erinnerte daran, dass ein Abstrich immer nur eine Momentaufnahme sei. Gesundheitsdezernent Thomas Maier hat den zeitlichen Infektionsablauf und das Handeln der Behörde akribisch aufgearbeitet.
Er habe keinen Punkt gefunden, an dem man das Geschehen anders hätte steuern müssen, sagte er. Auch Schuldzuweisungen an die Klinik gab es nicht: Die SRH-Klinik sei eine hervorragende Einrichtung, sagte Piepenburg. Für einen Vorwurf an die Klinik gebe es derzeit keinen Anlass. Bad Wimpfens Bürgermeister Claus Brechter – die Stadt ist Mitgesellschafter am Gesundheitszentrum – erinnerte daran, dass kein Krankenhaus für das Verhalten jedes einzelnen Patienten oder Mitarbeiters die Hand ins Feuer legen könne. "Besucherströme" in der Osterzeit, von denen in den Medien berichtet wurde, könne er nicht bestätigen.
Das Gesundheitsamt räumte ein, dass es vereinzelt Hinweise auf nicht eingehaltene Hygienevorschriften gegeben habe, die jedoch nicht im zeitlichen Zusammenhang standen. Am 7. April habe außerdem ein niedergelassener Arzt gemeldet, dass eine aus der Klinik entlassene Person bei ihm Symptome gezeigt habe. All diesen Hinweisen sei nachgegangen worden.
Am 8. April wurde ein Besuchsverbot verhängt, am 10. April eine zusätzliche Isolierstation eingerichtet. Am 14. April bewertete das Gesundheitsamt die Lage neu: Nachdem etliche weitere Fälle gemeldet worden waren, wurden sämtliche Patienten und Mitarbeiter getestet – was der Heilbronner Behörde sogar einen Rüffel vom Landesgesundheitsamt eingebracht hatte, weil zu viele Test-Kits verbraucht wurden, schilderte Voigt. Am 16. April – an diesem Tag waren 50 neue Infektionen gemeldet worden – wurde ein Aufnahmestopp angeordnet.
Zuvor waren alle Patienten, bei denen dies möglich war entlassen oder verlegt worden: Es waren rund 200. Zugleich aber wurden bis 16. April noch neue Patienten aufgenommen. Das sei eine "Verhältnismäßigkeitsabwägung" gewesen, sagte Maier, und Voigt ergänzte, dass dies vor allem Patienten gewesen seien, die nach einem Schlaganfall oder nach kardiologischen Problemen von Akutkliniken zur Reha an die Wimpfener Klinik geschickt wurden: "Diese Menschen haben ein Recht auf diese wichtige Weiterbehandlung."
Zur Klinik hatte das Gesundheitsamt der Auflistung zufolge nach dem 2. April regelmäßig und meist mehrmals täglich Kontakt: Es wurde telefoniert, E-Mails wurden geschrieben oder Faxe geschickt. Außerdem wurde bereits am 3. April angeordnet, dass die SRH ein externes Hygieneberatungsinstitut hinzuziehen muss. Kritik, warum sich kein Mitarbeiter selbst ein Bild vor Ort gemacht habe, wies die Behörde zurück. Statt normalerweise fünf seien seit Ausbruch der Krise zwar rund 100 Mitarbeiter mit Infektionsschutz und Klärung von Kontaktketten befasst. Zeit, um durch die Gegend zu fahren, habe aber niemand.
Vertrauen in das gemeinsame Ziel, nämlich die Infektionskette zu stoppen, müsse die Behörde zu allen Einrichtungen haben. Restriktive Maßnahmen seien eher kontraproduktiv, sagte Voigt. Außerdem habe man "Augen und Ohren" in den Einrichtungen und sei nicht allein auf die Auskünfte des Leitungspersonals angewiesen.
Bei der Vielzahl der inzwischen von Corona betroffenen Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen ist die Entwicklung im Gesundheitszentrum die Ausnahme, darauf wurde mehrfach verwiesen. "Bislang ist unsere Strategie einigermaßen erfolgreich", betonte Piepenburg. Als positives Beispiel, was Quarantäne bewirken kann, wurde das Seniorenpflegeheim "Alpenland" in Bad Rappenau genannt, die erste im größeren Stil betroffene Einrichtung im Landkreis. Wie berichtet, ist die Quarantäne dort inzwischen wieder aufgehoben worden.
In Bad Wimpfen hingegen gilt sie weiterhin. Am 24. April wurden dort alle bis dato negativ getesteten Personen erneut getestet. Die Ergebnisse wurden noch nicht mitgeteilt.