Schwierige Entscheidung
Stephan Harbarth gilt als Favorit für den Chefposten beim Bundesverfassungsgericht - Doch will er auch?

Von Andreas Herholz, RNZ Berlin
Berlin. Wenn Angela Merkel aus ihrem Urlaub an ihren Schreibtisch zurückkehrt, wartet auf die Kanzlerin eine wichtige Aufgabe und eine Entscheidung von enormer Bedeutung auch für die Politik der kommenden Jahre. Wer wird der nächste Präsident des Bundesverfassungsgerichts? Die Wahl ist Chefsache, zumindest stellt Merkel die entscheidenden Weichen.
Zwar geht Amtsinhaber Andreas Voßkuhle erst 2020 in den Ruhestand. Doch steht in Karlsruhe die Regelung der Nachfolge des ausgeschiedenen Vizepräsidenten Ferdinand Kirchhof an. Die Amtszeit des Vorsitzenden Richters des Ersten Senats endet, und der künftige Vizepräsident dürfte in zwei Jahren Voßkuhle beerben und nach bisheriger Praxis zum obersten Richter der Republik aufrücken. Die Entscheidung über diese Personalie gilt als eine der wichtigsten überhaupt, schließlich wird der Präsident des Bundesverfassungsgerichts für zehn Jahre gewählt und das Amt hat immense Bedeutung. Traditionell steht das Vorschlagsrecht für den Vizepräsidenten jetzt der Union zu.
Das Kandidatenkarussell dreht sich. Seit Monaten wird sondiert und beraten. Jetzt rückt die Entscheidung näher. Die Karlsruher Richter werden je zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat gewählt. Will Merkel einen eigenen Kandidaten durchsetzen, muss sie Allianzen schmieden und Mehrheiten organisieren.
Wer könnte Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts werden und damit die Pole-Position für die Nachfolge Voßkuhles übernehmen und 2020 oberster Richter in Deutschland werden? Als einer der Favoriten gilt der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Stephan Harbarth. Der 46-jährige Jurist aus dem Wahlkreis Rhein-Neckar wird von der Kanzlerin geschätzt und genießt auch unter den Unionsabgeordneten hohes Ansehen. Er sei Merkels Wunschkandidat, heißt es.
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Der erfolgreiche Anwalt ist Teilhaber einer großen Wirtschaftskanzlei in Mannheim und gehört zu den Abgeordneten mit den höchsten Nebenverdiensten im Bundestag. Harbarth ist zudem Honorarprofessor an der Juristischen Fakultät der Heidelberger Universität. Der Wechsel nach Karlsruhe wäre für ihn mit erheblichen Einbußen verbunden. Mit ihm würde erstmals nach Jahrzehnten wieder ein Anwalt ein Richteramt in Karlsruhe übernehmen. Harbarth wollte sich nicht zu den Spekulationen und möglichen Ambitionen äußern. Meldungen, nach denen die Kirchhof-Nachfolge bereits geregelt und der CDU-Mann kandidieren werde, wurden bisher jedoch nicht bestätigt.
Als möglicher Kandidat für das fünfthöchste Amt im Staate wird auch CDU-Mann Günter Krings genannt. Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesinnenminister stößt aber offenbar auf Vorbehalte bei der SPD und gilt auch nicht als Merkels erste Wahl. "Zu konservativ", heißt es bei den Genossen.
Zwar ist der Präsident des Bundesverfassungsgerichts der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt. Doch ist sein Einfluss auch auf die Politik immens, schließlich wachen die Karlsruher Richter über die Einhaltung des Grundgesetzes, entwickeln mit ihren Entscheidungen auch Recht und Gesetzgebung fort und sorgen dafür, dass die Spielregeln im politischen Betrieb eingehalten werden. Kanzlerin Merkel schätzt den amtierenden Präsidenten Voßkuhle, hätte ihn gerne für das Amt des Bundespräsidenten gewonnen. Voßkuhle lehnte eine Kandidatur jedoch ab. Gelingt es Merkel, ihren Wunschkandidaten durchzusetzen, Mehrheiten dafür bei der SPD und auch im Bundesrat zu organisieren? Nach ihrem Urlaub wartet eine schwierige Entscheidung auf die Kanzlerin.