Staatssekretärin Brantner ruft zum Energiesparen auf
Staatssekretärin Franziska Brantner spricht von einer "erheblichen" Verschlechterung der Versorgungslage. Weitere Entlastungen sind im Gespräch, die Abhängigkeit soll schnell verringert werden.



Grünen-Politikerin und Heidelberger Bundestagsabgeordnete
Von Benjamin Auber
Heidelberg. Grünen-Politikerin Franziska Brantner (42) ist Heidelberger Bundestagsabgeordnete und seit Dezember 2021 Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.
Frau Brantner, ist unsere aktuelle Situation so prekär, dass die Gas-Alarmstufe ausgerufen werden muss?
Die Versorgungssicherheit ist aktuell gewährleistet. Die Lage ist aber aufgrund der Kürzungen der Gaslieferungen aus Russland sehr angespannt. Die Gasversorgungslage hat sich erheblich verschlechtert, deshalb haben wir nun die Alarmstufe des Notfallplans Gas ausgerufen.
Auf welche Konsequenzen müssen sich die Bürger noch einstellen?
Putin hat anscheinend das Ziel, über die Drosselung der Gaslieferungen unsere Gesellschaft zu verunsichern und zu spalten. Das dürfen wir nicht zulassen. Wir arbeiten im Ministerium mit ganzer Kraft daran, unsere Energieversorgung zu diversifizieren, den Ausbau der Erneuerbaren drastisch zu beschleunigen, Effizienzen zu erhöhen und Energie zu sparen. Das Energiesparen ist eine gemeinsame Kraftanstrengung, da sind wir jetzt alle gefragt. Aufgrund der starken Gasverknappung müssen wir damit rechnen, dass die jetzt schon hohen Preise weiter ansteigen. Hier müssen wir gerade Menschen mit geringem Einkommen entlasten und werden auch über weitere Entlastungsmaßnahmen sprechen.
Wie können diese aussehen?
Wichtig wird sein, dass wir diese Krise sozial gerecht abfedern müssen. Wir dürfen es nicht zulassen, dass wir in Deutschland eine Energiearmut bekommen. Im Gegenzug müssen wir wettbewerbsrechtlich nachschärfen, um zu verhindern, dass Entlastungen einfach nicht weitergegeben werden. Auch ist auf europäischer Ebene eine Energiesolidarität gefragt, die wir von allen einfordern müssen. Die Frage nach der Verteilung ist in Krisenzeiten hochrelevant.
Kohlekraftwerke sollen länger laufen. Was sagt ihr grünes Gewissen dazu?
Es war absehbar, dass Putin uns keinen einfachen Winter bescheren wird. Wir müssen uns jetzt bestens auf die Situation vorbereiten, wenn das Gas knapp wird. Dafür müssen wir schnell den Gasverbrauch weiter senken. Als Bundesregierung sehen wir uns gezwungen neben anderen Maßnahmen Kohlekraftwerke verstärkt für die Stromproduktion zu verwenden, um weniger auf Gas angewiesen zu sein. Aber natürlich schmerzt mich dieser Schritt als Grüne sehr. Deswegen müssen wir auch gleichzeitig darauf setzen, dass wir alle Energie einsparen und mit dem Ausbau der Erneuerbaren mit Riesenschritten vorankommen.
Wäre der Weg über Atomkraft nicht besser, als der über Kohle?
Wir haben die Prüfung durchgeführt und zwar bereits im März. Es wurden verschiedene Szenarien geprüft. Ergebnis ist: Eine Verlängerung der Laufzeiten könnte nur einen sehr begrenzten Beitrag zur Lösung des Problems leisten, und dies zu sehr hohen wirtschaftlichen Kosten und mit Abstrichen an den notwendigen Sicherheitsüberprüfungen – und das bei einer Hochrisikotechnologie. Außerdem: Wir haben ein Problem bei der Gas - und damit der Wärmeversorgung, nicht beim Strom. Denn die hohe Abhängigkeit von Gas aus Russland besteht vor allem im Bereich der Wärmeerzeugung und der Industrie. Atomkraftwerke aber produzieren Strom, keine Wärme. Atomkraftwerke würden daher nur zu sehr wenig Gaseinsparung führen.
Wie verhindern Sie einen weiteren Rohrkrepierer gibt, wie den Tankrabatt?
Ich bin mir sicher, dass wir uns in der Koalition vernünftig einigen werden. Es müssen viele kleine Bausteine sein, die jeweils gezielt entlasten. Im Vergleich zu anderen Ländern stehen wir mit unseren Maßnahmen gut da.
Sie waren vergangene Woche in Chile, Uruguay und Argentinien unterwegs. Was können wir lernen?
Chile will einen grünen Lithium-Abbau im Bergbausektor aufbauen und hat eine sehr ambitionierte Transformationsagenda. Durch die günstige geografische Lage wird Chile im Norden die Sonne und im Süden den Wind nutzen können, um mehr Energie zu erzeugen, als sie brauchen. Auch Uruguay kann grünen Ammoniak als ideales Energiemolekül kurzfristig per Schiff exportieren. Davon können wir profitieren.
Aber haben wir im Wettbewerb mit China, die vor Ort massiv investieren, überhaupt eine realistische Chance?
Die Länder, die ich bereist habe, wollen selbst Teil der Wertschöpfungskette sein und von ihren Ressourcen profitieren. Das heißt, dass sie nicht einfach von China ausgebeutet werden wollen. Wir müssen als Europäer genau für diese Teilhabe an der Wertschöpfungskette und eine nachhaltige Entwicklung Partner auf Augenhöhe sein. Nur dann haben wir gegenüber China eine realistische Chance. Deutsche Unternehmen sollten die Chance nutzen und ihre Investitionen, nun verstärkt einbringen. Wenn wir die ausgestreckte Hand nicht ergreifen, werden es andere tun.