Merkels Welt - Kurzbesuch der Kanzlerin in Walldorf

Am IT-Standort Walldorf macht die Kanzlerin klar, warum sie die Grenzen offen halten will - Mehr als 2000 Menschen waren gekommen

18.02.2016 UPDATE: 18.02.2016 18:00 Uhr 2 Minuten, 17 Sekunden

Dichtes Gedränge auf dem Weg zur Bühne - Angela Merkel und Guido Wolf hielten zwei völlig unterschiedliche Reden, warben aber für die selbe Sache: einen Regierungswechsel im März. Foto: Helmut Pfeifer

Von Klaus Welzel

Walldorf. Sieht so eine gescheiterte Frau aus? Eine, deren Zenit längst überschritten ist und über deren baldigen Rücktritt offen spekuliert wird? Eine, die für ihre Flüchtlingspolitik innerhalb Europas kaum noch Verbündete findet?

Hintergrund

Am kommenden Dienstag, 23. Februar, wird Guido Wolf Gast des RNZ-Forums zur Landtagswahl sein. Wolf wird im Alten Theatersaal der Stadt Heidelberg ab 19.30 Uhr Rede und Antwort

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Am kommenden Dienstag, 23. Februar, wird Guido Wolf Gast des RNZ-Forums zur Landtagswahl sein. Wolf wird im Alten Theatersaal der Stadt Heidelberg ab 19.30 Uhr Rede und Antwort stehen.

Anmeldung unter rnz-forum@rnz.de oder telefonisch (Freitag, 14-18 Uhr) unter: 06221/519-5108.

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Der Jubel ist stark, nicht grenzenlos, aber doch von Sympathie getragen, als Angela Merkel um 20.33 Uhr am Mittwochabend die Astoriahalle in Walldorf betritt. Im engen Spalier machen Anhänger Handyfotos von ihr, von Guido Wolf, dem CDU-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl am 13. März - und von Dietmar Hopp, von dem an diesem Abend noch öfter die Rede sein wird.

Und um eines vorweg zu nehmen: Der Applaus wird immer dichter, kurz nach 21 Uhr hält er zwei Minuten lang an - was für Parteitagsveranstaltungen nicht besonders lange wäre, für eine Wahlkampfveranstaltung aber beachtlich.

1400 Menschen haben auf Einladung des CDU-Kreisverbandes Rhein-Neckar Einlass gefunden, weitere 700 harren vor der Halle aus. Außerdem gibt es rund 100 Demonstranten, die zum einen eine Aufhebung des Verbotes der kurdischen Arbeiterpartei PKK fordern, zum anderen Angela Merkel als Rüstungs- und Wirtschaftslobbyistin anprangern.

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Zur Religion: "Religionsfreiheit heißt nicht, eine Religion steht über der andern."

Bibelfestigkeit: "Wenn wir mal so Aufsätze schreiben lassen würden - ich meine, bei Ihnen würde das natürlich toll ausgehen. Aber: Alle christlichen

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Zur Religion: "Religionsfreiheit heißt nicht, eine Religion steht über der andern."

Bibelfestigkeit: "Wenn wir mal so Aufsätze schreiben lassen würden - ich meine, bei Ihnen würde das natürlich toll ausgehen. Aber: Alle christlichen Feiertage - kleiner Aufsatz: Was war los? Was sind die christlichen Symbole? Wo guck ich nach in der Bibel? Wo steht’s und so? Da haben wir sicherlich alle noch ein Familienmitglied, was noch was lernen kann."

Zur Kennzeichnungspflicht für Polizisten bei Einsätzen: "Deshalb sollte man danke zu sagen zu den Polizisten und nicht überlegen, wie man sie kennzeichnen soll, falls sie mal einen Fehler gemacht haben. Danke dafür, dass sie uns schützen."

Zur Kölner Silvesternacht: "Egal, wer kriminelle Taten verübt. Es muss auf den Tisch, es muss besprochen werden und es muss bestraft werden."

Asylrecht: "Wir haben uns darauf geeinigt, dass Menschen, die zu einer Freiheitsstrafe verurteilt sind - auch auf Bewährung - ihr Recht auf Asyl in Deutschland verwirkt haben."

Thema Abschiebung: "Wenn jemand nach langen juristischen Verfahren erfährt, dass es kein Recht auf Asyl gibt, dann verlangen wir mit Recht, dass dann auch gehandelt wird und dass dann die Menschen unser Land wieder verlassen."

Zur EU-Türkei-Migrationsagenda: "Wenn das gelingt - ich arbeite jedenfalls dafür -, dann hätten wir die ganze illegale Migration beendet, wir hätten wieder gelernt, unsere Außengrenzen zu schützen, was Europa natürlich tun muss. - wir hätten trotzdem geschafft, dass wir uns innerhalb Europas weiter frei bewegen können. Und ich halte diesen Ansatz allemal für besser, als wenn jeder seine Grenzen zumacht und wir wieder überall Kontrollen haben."

Grenzschließung: "Es heißt immer wider, es gab auch ein Leben vor Schengen. Ich kann dazu nur sagen: Wissen sie was, für mich gab es auch ein Leben vor der Deutschen Einheit."

Guido Wolfs Appell an das Publikum: "Wenn Sie nach Hause gehen, begeistern Sie sich als Leuchttürme. Blinken Sie für eine CDU-geführte Landesregierung."

Merkels letzter Satz: "Guido Wolf hat vorhin gesagt, blinken Sie. Blinken Sie von mir aus rot, aber wählen Sie schwarz."

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Die Kanzlerin ist aber mit anderem beschäftigt. In einer sehr gut durchdachten Rede nimmt sie die CDU-Sympathisanten mit auf eine Reise, die 2014 in der Türkei, Syrien und Jordanien beginnt. Dabei räumt Merkel auch Fehler ein - zum Beispiel den, dass man die Türken mit den syrischen Flüchtlingen doch ziemlich alleine gelassen habe, obwohl dort rund 2,5 Millionen Geflohene aus Syrien leben, während in allen europäischen Staaten zusammen nicht einmal eine Million Syrer gestrandet sei. Auch die Kürzung der UN-Mittel für die Flüchtlingslager in Jordanien von 30 Dollar im Monat pro Bewohner auf 13 Dollar sieht Merkel mittlerweile als Fehler an, an dem Deutschland zumindest nicht ganz unschuldig ist.

Subtil bereitet sie das Feld. Bis klar wird, dass Deutschland zum einen zwar belastet ist, aber eben nicht so sehr - und dass diejenigen, die jetzt keine Flüchtlinge hier haben wollen, doch einsehen müssten, dass es nun einmal so kam.

Nach dem Vortrag zeigen sich viele Besucher begeistert. Eine Frau meint: "Zum ersten Mal habe ich wirklich verstanden, was diese Frau eigentlich will". Sie will den Flüchtlingszustrom begrenzen. Sie will die Lebensverhältnisse für die Flüchtlinge in der Türkei verbessern, damit Flüchtlinge dort eine Bleibeperspektive haben. Sie will die EU-Außengrenzen sichern. Sie will nicht, dass die Schlagbäume innerhalb Europas wieder runtergehen.

Und bei diesem Punkt kommt sie immer wieder auf Dietmar Hopp und die von ihm gegründete SAP zu sprechen. Hopp ist an diesem Abend der zweite Star. Schon bei Stephan Harbarths Begrüßung des Mannes, "dem unsere Region so unendlich viel Dank schuldet", bricht frenetischer Applaus aus. Merkel nutzt diese Stimmung, indem sie immer wieder klar macht, dass eine Grenzen-dicht-Politik nicht nur den Handel gefährdet, sondern auch die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands. Das "SAP-Urgestein" Hopp und die Walldorfer IT-Schmiede stehen für ein weltoffenes Deutschland. Und sie stehen für ein Erfolgsmodell, wenn Merkel Wolfgang Schäuble zitiert, der die derzeitige Völkerwanderung als "Rendezvous mit der Globalisierung" bezeichnete. Die Globalisierung bringt Jobs. In Walldorf. In Baden-Württemberg. Die Völkerwanderung birgt Chancen in sich - wenn die Geflüchteten sich anpassen, wenn sie hier arbeiten und sich integrieren.

An einigen Stellen ist dann gar nicht klar, ob Merkel gerade über die Flüchtlingskrise oder über den angepeilten Regierungswechsel in Baden-Württemberg spricht. Jedenfalls müsse man "die Chancen nutzen, wie sie sich bieten. Die Welt schläft nicht".

Am Ende bittet Merkel am Vorabend des EU-Gipfels um Geduld für ihren Politikansatz. Keiner im Saal würde sie ihr verweigern. In einem knappen Schlusssatz hebt Merkel den Finger der rechten Hand und sagt das, weswegen sie eingeladen wurde: "Wählen Sie schwarz".