"Die SPD muss sich resozialdemokratisieren"

Die Bundestagsabgeordnete Katja Kipping, Co-Vorsitzende der Linkspartei, im Interview

04.02.2016 UPDATE: 05.02.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 21 Sekunden

Die Bundestagsabgeordnete Katja Kipping, 38, ist Co-Vorsitzende der Linkspartei. Foto: Alex

Von Daniel Bräuer

Die Bundestagsabgeordnete Katja Kipping, 38, ist Co-Vorsitzende der Linkspartei. Die RNZ traf die studierte Slawistin am Mittwochabend in Heidelberg am Rande eines Vortrags über "Flüchtlinge und Armut in einem reichen Land" zum Interview.

> Frau Kipping, macht unser Parteiensystem gerade einen Rechtsruck?
Ich glaube, dass all diejenigen, die denken, man könnte den Zulauf der AfD stoppen, indem man ihr nach dem Mund redet, einem schrecklichen Irrtum unterliegen. Wer einmal den Weg zur AfD gefunden hat, bleibt lieber beim Original.

> Der Satz "Wer Gastrecht verletzt, hat das Gastrecht verwirkt" fiel nicht nur in der Union. Das sagt selbst Ihre Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht!
Das stimmt. Wir haben darüber diskutiert. Und wir haben in der Fraktion und in der Partei danach einmütige Beschlüsse gefasst, wo wir ganz klarmachen: Asylrecht und Strafrecht gehören nicht vermischt. Und wo wir uns auch klar positioniert haben: Wir sind gegen weitere Verstümmelungen des Asylrechts. Die Linke hat als einzige Partei einstimmig mit Nein gestimmt, im Bund und in den Ländern, als es um die Verschärfung des Asylrechts ging, anders als der grüne Ministerpräsident Kretschmann. Dabei hätten Linke und Grüne das zusammen im Bundesrat verhindern können.

> Das Erstarken der AfD lässt erwarten, dass wir bald ein Sechs-Parteien-Parlament bekommen. Macht das aus Ihrer Sicht die Arbeit an einem rot-rot-grünen Bündnis dringender?
Ich glaube, angesichts der rassistischen Gewalt ist es nötig, Bündnisse für Demokratie zu schaffen. Da sind alle willkommen, die nicht zu Fackelmärschen auf Flüchtlingsheime aufrufen. Ansonsten finde ich, wäre zum Beispiel bei der Verhinderung des TTIP eine rot-rot-grüne Zusammenarbeit mehr als wünschenswert. Nur leider ist die SPD ja gerade mit einem Vorsitzenden gesegnet, der sich zum Kämpfer für das TTIP gemacht hat. Ich hoffe, dass die SPD sich ein Beispiel an der britischen Labour-Partei nimmt und eine Resozialdemokratisierung vornimmt.

> Gibt es im Asylpaket II irgendeinen Aspekt, dem Sie zustimmen könnten im Bundestag?
Der ganze Geist, den es atmet, besteht in einer reinen Pseudodebatte. Sich erst lautstark beschweren, dass wir hier so viele alleinstehende männliche Flüchtlinge haben, und dann aber den Familiennachzug zu unterbinden - das passt nicht zusammen von der Logik.

> Nach jüngsten Zahlen ist das ja auch gar nicht mehr der Fall.
Genau! Es wird ein Ergebnis geben vom Asylpaket II, nämlich dass das Geschäft der Schlepperbanden florieren wird. Das löst jetzt so eine Panik aus, dass Frauen und Kinder sich selbst auf die Route machen.

> Frau Merkel sagt, nach dem Krieg sollten die Syrer wieder zurück. Glauben Sie, dass es dazu kommen wird?
Umfragen unter Geflüchteten zufolge sagen viele von denen, die hier sind: Sie wollen wieder zurück. Sie sind aus Angst vor Fassbomben geflohen. Ich denke schon, sollte es zu einer Friedenslösung kommen, dass viele zurückgehen werden. Wobei ich auch zu bedenken gebe, dass viele vor dem Regime Assad fliehen.

> Die Erwartung "Die gehen alle schon wieder nach Hause" hat Deutschland schon einmal ein großes Integrationsproblem eingebracht. Machen wir denselben Fehler wieder?
Es bräuchte jetzt eine breite soziale Offensive für alle. Wir müssen in den Schulen deutlich mehr Lehrer einstellen. Wenn a) neue Flüchtlingskinder in die Schule kommen, brauchen wir mehr Lehrer, die ihnen beim deutsch lernen helfen. Und b) muss die Begegnung zwischen den bisherigen Schülern und den neuen Kindern organisiert werden. Und dazu braucht es Lehrkräfte, die dafür Zeit haben. Und wir brauchen eine Offensive für mehr bezahlbaren Wohnbau. Ich bin für universelle Maßnahmen, die allen zugutekommen, ganz gleich, was sie für einen Pass haben.

Info: In der gedruckten RNZ vom 5. Februar: Katja Kipping über sexuelle Gewalt in Köln – und warum eine Obergrenze ihrer Meinung nur mit Schießbefehl durchzusetzen wäre.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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