Schulterschluss mit Finnland
Außenministerin Annalena Baerbock setzt sich für den Nato-Beitritt ein.

Von Mareike Kürschner, RNZ Berlin
Helsinki. Annalena Baerbocks Woche beginnt unterirdisch. Wortwörtlich. 80 bis 90 Meter tief unter der Erde schaut sie sich die Zivilschutzanlagen von Finnlands Hauptstadt Helsinki an. 900.000 Menschen haben hier Platz. Im Fall einer Katastrophe können sie tagelang Schutz suchen. Der Telefon- und Internetempfang ist besser als in den meisten Ecken Berlins. In Friedenszeiten werden die riesigen Bunker als Sportanlagen genutzt. Gibt es etwas, dass sich Deutschland abschauen kann für die eigene Sicherheit und vor allem Wehrhaftigkeit?
Die Woche steht im Zeichen der Außenpolitik. Es sollen sieben Tage im Sinne von Annalena Baerbock werden. Den Auftakt macht sie mit einer zweitägigen Reise nach Finnland und Schweden. Am Ende der Woche steht die Münchner Sicherheitskonferenz an, dazwischen Treffen sich zudem die Verteidigungsminister der Nato-Staaten. Dabei sind auch die Vertreter Finnlands und Schwedens, die der Allianz beitreten wollen.
Für die Außenministerin gilt es, auszuloten, wo die beiden Länder in ihren Verhandlungen mit der Türkei stehen, die das Aufnahmegesuch bislang blockiert. Übergeordnet dürfte die Politikerin allerdings in dieser Woche daran interessiert sein, ein Signal gen Kanzleramt zu senden. "Wir müssen Sicherheit ganzheitlich denken", sagte Baerbock beim Treffen mit ihrem Kollegen Pekka Haavisto. Das kann man als Appell an Kanzler Olaf Scholz interpretieren. Beide sind uneins, wie Deutschland sich angesichts des Ukraine-Kriegs ausrichten und die eigene Zeitenwende gestalten soll. Darunter fällt auch der Streit über die deutsche Nationale Sicherheitsstrategie zwischen Auswärtigem Amt und Kanzleramt, wo auch der Zivilschutz verankert werden soll.
"Sicherheitspolitik ist mehr als reine Verteidigungspolitik", betonte Baerbock. In Finnland erstrecke sich das auf verschiedene Lebensbereiche. Die Ministerin erklärte, dass Finnland schon immer "Resilienz stärker auf der Agenda" hatte als Deutschland – auch wegen seiner Nähe zu Russland. Neidisch schaut man also auf die Finnen, wenn es um den Bevölkerungsschutz geht.
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Offiziell wird die deutsche Nationale Sicherheitsstrategie unter Federführung von Baerbocks Auswärtigem Amt erarbeitet. Doch es hakt an verschiedenen Punkten, darunter an der Idee eines neuen "Nationalen Sicherheitsrates". Hier streiten dem Vernehmen nach Baerbock und Scholz um die Führungskompetenz.
In der Pressekonferenz am Montag mit Haavisto ging es auch um die Panzerlieferungen, denn die Finnen, die besonders laut Leopard-Panzer für die Ukraine forderten, sind zurückgerudert – mit dem Verweis, dass die Situation mit Blick auf die 1300 Kilometer lange finnisch-russische Grenze kompliziert sei. Die Grenze ist allerdings auch der Grund, warum Finnland in die Nato strebt.
Zeitenwende auch in Finnland und Schweden. Es habe eine Wende, ähnlich der deutschen Zeitenwende, in Finnland und Schweden gegeben, sagte Baerbock. Man fühlt sich den nordischen Ländern sehr nah, das lässt die Ministerin durchblicken. Beide streben nach Jahrzehnten der Bündnisneutralität in die Nato. Etwas, das für die gesamte Allianz ein echter Gewinn wäre. Nicht nur wegen der Bunkerpolitik.




