Licht am Ende des Tunnels
Die EU sichert sich den Corona-Impfstoff von Biontech. Deutschland will 100 Millionen Dosen erhalten.

Von Andreas Herholz, RNZ Berlin
Berlin. Der Gesundheitsminister sieht bereits "Licht am Ende des Tunnels". Jens Spahn macht Hoffnung. Er hatte Druck gemacht, dass sich jetzt die EU den neuen Corona-Impfstoff aus deutschen Laboren zeitnah sichern solle. Plötzlich geht es ganz schnell. Aufatmen gestern in Berlin, als die Nachricht aus Brüssel kommt, dass die Verträge mit den Impfstoff-Herstellern Biontech und Pfizer fertig ausgehandelt und am heutigen Mittwoch abgeschlossen würden. "Der Vertrag ist in trockenen Tüchern", heißt es aus der EU-Kommission.
Brüssel sichert sich bis zu 300 Millionen Corona-Impfdosen. Deutschland will 100 Millionen erhalten. Für eine Immunisierung sollen wohl zwei Dosen pro Person nötig sein. Wie viel die Bundesrepublik genau aus dem EU-Vertrag bekommt, ist nach Angaben aus EU-Kreisen offen. Grundsätzlich haben alle 27 Länder gleichzeitig Zugriff auf erste Lieferungen. Sie sollen nach Bevölkerungsstärke verteilt werden. Deutschland hat einen Anteil von rund 19 Prozent, das wären 57 Millionen Dosen.
Seit Monaten hatte Brüssel verhandelt. Jetzt hat das Warten ein Ende. Der Gesundheitsminister verteidigt das europäische Vorgehen. Natürlich hätte man auch von deutscher Seite aus Verträge im Alleingang mit den Unternehmen schließen können. Doch handele es sich um eine Frage europäischer Solidarität. Daher sei man um eine faire Lösung für alle 27 EU-Mitgliedstaaten bemüht.
Die Mainzer Firma Biontech und das amerikanische Unternehmen Pfizer hatten am Montag einen Durchbruch vermeldet und berichtet, dass der von ihnen entwickelte Impfstoff gute vorläufige Ergebnisse zeige. Das Serum biete 90 prozentige Wirksamkeit. Zunächst soll eine Notfallzulassung in den USA beantragt werden. Wann genau der Impfstoff in Europa und in Deutschland auf den Markt kommen könnte, ist offen. Die europäischen Behörden betonen, dass bei der Zulassung streng auf Sicherheit geachtet wird.
"Wir halten uns an unsere hohen Qualitätsstandards im Zulassungsverfahren", sagte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) in Berlin. "Darauf sollen die Menschen sich verlassen können." Die von Biontech und Pfizer entwickelte Technologie mache es möglich, relativ zügig große Mengen zu produzieren, so dass alle geimpft werden könnten, die das wollten.
Laut Karliczek wurde Biontech vom Bund mit 375 Millionen Euro zur Impfstoffentwicklung gefördert. Das ist auch ein Grund, warum das Gesundheitsministerium annimmt, dass Deutschland etwas mehr Impfstoff bekommen könnte, als es seinem Bevölkerungsanteil entspricht. Nach Darstellung der EU-Kommission ergeben sich Spielräume bei der Verteilung dann, wenn nicht alle EU-Staaten die ihnen zugedachten Mengen abnehmen.
Bundesgesundheitsminister Spahn zeigte sich zuversichtlich: Mit einer "sehr hohen Wahrscheinlichkeit" könne im ersten Quartal des kommenden Jahres ein Impfstoff eingesetzt werden. Es gebe "eine gute Chance", dass die Herbst- und Wintersaison im kommenden Jahr besser werde als in diesem.
Hoffen auf den Corona-Impfstoff und neue Zuversicht im Kampf gegen die Pandemie – die Bundesregierung bereitet bereits eine Impfstrategie vor. Gesundheitsminister Spahn kündigte gestern eine breite Informationskampagne darüber an. Wer bekommt wann eine Impfung? Nach der Empfehlung von Experten sollen zuerst vor allem Ältere und Risikopatienten, das Personal von Kliniken und Pflegeeinrichtungen, sowie Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr, Lehrer und Erzieher geimpft werden.
Das Robert-Koch-Institut hatte gestern 15.332 neue Infektionen innerhalb eines Tages und damit weniger als noch zuletzt in der Spitze gemeldet. Bund und Länder wollen am kommenden Montag eine erste Zwischenbilanz über den verhängten November-Lockdown ziehen. Doch bereits im Vorfeld gibt es Streit über das weitere Vorgehen und mögliche Verschärfungen oder etwaige Lockerungen. Bei einer Schaltkonferenz von Kanzleramtschef Helge Braun mit den Ländern zur Vorbereitung der Runde sollen vor allem Hessen und Hamburg gefordert haben, nicht nur die Infektionszahlen als Grundlage für weitere Entscheidungen zu nehmen.



