Wie Delegierte aus der Region den Laschet-Sieg bewerten
Viele CDU-Vertreter in der Rhein-Neckar-Region hatten eigentlich auf Friedrich Merz gesetzt

Von Klaus Welzel
Heidelberg. Sie waren sich so sicher: Die CDU hat schließlich genug von der Merkel-Ära. Das Konservative muss wieder seinen angestammten Platz an der Parteispitze bekommen. Ja, es reicht mit der Entkernung der einstigen Werte-Partei. So tickt der Südwesten. Dachten sie. Und dann das. Mit nur 55 Stimmen Vorsprung schlägt am späten Samstagvormittag der CDU-Liberale Armin Laschet den sehr konservativen Friedrich Merz, den Anti-Merkel. Kann das sein?
Zeit für einen Spontanruf wenige Minuten nach der Wahl bei den CDU-Delegierten der Region. Wie gehen Sie mit der Niederlage um? Können Sie mit Laschet als Parteichef leben?
Verlegenes Lachen am anderen Ende der Leitung. "Gut, dass eine Entscheidung da ist", ringt sich Alexander Föhr eine positive Bemerkung ab. Schließlich sei jetzt ein "spannender Prozess" abgeschlossen, also der zehnmonatige innerparteiliche Wahlkampf. Und noch etwas findet der Heidelberger CDU-Chef gut: "Dass das Ergebnis durch den digitalen Parteitag superschnell da war – insofern gar nicht so schlecht".
Lachen auch bei Karl A. Lamers, CDU-Abgeordneter im Bundestag. Eine Frohnatur und ein alter Parlamentshase, der auch prompt eine Gemeinsamkeit mit Laschet findet: "Wir kamen beide zusammen 1994 in den Bundestag". Und man könne gut miteinander. Ob es zu diesem Miteinander überhaupt kommt, ist jedoch fraglich: Lamers, 70, hört auf. Laschet zieht vermutlich nur in den Bundestag ein, falls er auch Kanzler wird.
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Julia Philippi aus Dossenheim bekennt ganz offen, dass sie "schon ein bisschen überrascht" sei vom Wahlausgang. Aber klar, jetzt gelte es, gemeinsam nach vorne zu schauen. Und in der Bewerbungsrede habe man gesehen, dass Armin Laschet "nah bei den Menschen" stehe, insofern könne sie das Ergebnis "auch verstehen".
Wenig beeinflussen von den drei Bewerbungsreden ließ sich dagegen Albrecht Schütte aus Bammental. Er verfolgte den Digital-Parteitag am Smartphone – bei mäßiger Übertragungsqualität. Die Reden seien "schwer zu hören" gewesen. Macht aber nichts. Was Schütte jetzt sagt, klingt sehr authentisch. Und es relativiert die Bedeutung von Parteitagsreden. Schön, wenn die da vorne sich bemühen. Schön, wenn ein Redner auch einmal über sich selbst hinauswächst. Das erleichtert den Applaus. Aber die eigentlichen Entscheidungen werden woanders getroffen. In Hinterzimmern, in Besprechungsrunden – oder im Vorbeigehen: Schütte machte sich die "schwierige Entscheidung" nicht leicht, diskutierte in den letzten zwei Wochen viel mit Menschen aus der Region und wählte dann: "Ohne diese Gespräche auf der Straße hätte ich eine andere Wahl getroffen", verrät er. Aber nicht, wen er denn nun wählte.
Da ist Anna Köhler aus Sandhausen aus ganz anderem Holz geschnitzt. "Ich bin ganz klar enttäuscht, weil es mein Favorit nicht geworden ist", sagt sie frank und frei. Aber mit dem ersten Wahlgang sei ja schon klar gewesen, dass die Röttgen-Leute "eher zu Laschet" als zu Merz tendieren. Köhler setzt, wie alle von der RNZ Angerufenen, darauf, dass es Laschet gelingt, die Partei endlich zu einen. Genug der Streiterei.
Das sieht auch Karl Klein, Landtagsabgeordneter aus Mühlhausen, so. "Mehr wirtschaftliches Denken hätte der CDU gutgetan". Frischer Wind. Aber jetzt ist es eben Laschet. Beeindruckt hat ihn die "gute Rede" von Norbert Röttgen. Und klar, es geht jetzt um Zusammenhalt.
Am überraschtesten wirkt Moritz Oppelt. Der Neckargemünder nimmt sich erst einmal einen Tag Zeit, bevor er das Ergebnis am Sonntagmittag kommentiert. Als Merz-Fan hat ihn die Wahl aufgewühlt. Er findet aber mit etwas Abstand, "dass Laschet der Richtige ist für die CDU". Und was hält er von Merz’ Vorstoß, Laschet solle ihn sofort zum Wirtschaftsminister im Kabinett Merkel machen? Schweigen. Dann ein Lachen. Auf Parteitagen werde ja viel hinter den Kulissen geredet, wovon er durch das digitale Format nichts mitbekommen habe. "Ich weiß jedenfalls nicht, wer hier wem was zugesagt hat," bemerkt er und ergreift schließlich argumentativ die Flucht nach vorn: "Ich würde mich freuen, wenn Merz in ein Kabinett unter Laschet eintreten würde".
Die herbe Enttäuschung, sie ist hörbar schwer zu verkraften. Wer sich bis Samstagvormittag in der Region umschaute, musste den Eindruck haben, niemand außer Merz käme als künftiger CDU-Chef in Betracht. Wetten wurden abgeschlossen (und verloren). Jetzt müssen sie alle durch – durch dieses Tief.
Allein Thomas Strobl, der Landesparteichef, hatte vor der Wahl zu erkennen gegeben, es sei keine "Schlappe", sollte Merz nicht gewählt werden. Jetzt steht er genauso wie Fraktionschef Reinhardt, Generalsekretär Hagel und Susanne Eisenmann hinter Laschet. Eisenmann ist die Spitzenkandidatin für die Landtagswahl im März, und ein erklärter Merz-Fan. Das freut die SPD, deren Spitzenmann Andreas Stoch voller Häme twittert: "Bezeichnend, dass die baden-württembergische CDU wieder mal im Lager des Verlierers Merz steht. Wen die baden-württembergische CDU unterstützt, der verliert".



