Bund gegen Länder

Schwierige Verhandlungen ums Entlastungspaket

Es geht vor allem um die Finanzierung der Maßnahmen.

05.10.2022 UPDATE: 05.10.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 11 Sekunden
Gegenspieler: Olaf Scholz und Markus Söder verhandeln über die Finanzen. Foto: dpa

Von Thomas Vitzthum, RNZ Berlin

Berlin. Die Grundhaltung, mit der die Bundesregierung am Dienstag in die Gespräche mit den Ländern über die Entlastung der Bürger ging, dokumentierte Finanzminister Christian Lindner schon vor dem Treffen. Der FDP-Chef schrieb vormittags auf Twitter: "Es kann nicht sein, dass Länder Überschüsse erzielen und der Bund trotz roter Zahlen Krisenmanagement machen muss." Die Menschen erwarteten, dass alle staatlichen Ebenen ihren Beitrag leisteten. Damit hatte Lindner die Ministerpräsidenten – egal welcher Partei – zur Weißglut getrieben.

Auf keinen Vorwurf reagieren die Länder nämlich allergischer als den, dass sie im Geld badeten, aber nicht bereit seien, ihren Beitrag zu leisten. Wer die Regierungschefs darauf anspricht, bekommt Kraftausdrücke wie "Bullshit", "völliger Mist", "ich kann den Sch... nicht mehr hören" an den Kopf geworfen. Die Strategie Berlins, die Länder auf diese Weise unter Druck zu setzen, hat die Stimmung ruiniert. Resümee eines Ministerpräsidenten: "Alle sind sauer". Sicher nicht die besten Voraussetzungen für das Treffen zwischen Kanzler und Regierungschefs.

Wahr ist: Die Länderfinanzen sind nicht mehr so schlecht wie noch vor einigen Jahren. Wahr ist aber auch: Die Länder haben sich in der Corona-Krise hochverschuldet. Allein Nordrhein-Westfalen wird seine Corona-Sonderschulden 50 Jahre lang abbezahlen. Zudem sorgen die Flüchtlingskosten für große zusätzliche Ausgaben. Hier trugen die Länder auch gestern wieder ihre Wünsche nach mehr Hilfe vom Bund vor. Ohne großen Erfolg.

Die Länder fürchten, dass die 19 Milliarden, die sie in den nächsten Jahren für Entlastungen wegen der gestiegenen Energiepreise, aber auch das mögliche neue Nahverkehrsticket aufwenden sollen, ihnen alle Handlungsspielräume rauben. Schließlich können die Länder sich nicht einfach Nebenhaushalte bauen, um die Schuldenbremse zu umgehen. Genau das ist ja im Bund gerade in.

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Der 200-Milliarden-Euro-Abwehrschirm, den Kanzler Olaf Scholz (SPD) vergangene Woche vorstellte, ist so ein Sonderschuldenpaket. An dem Paket als solchen gab es in den Gesprächen wenig Kritik. Jeder Regierungschef ist froh, dass endlich viel Geld in die Hand genommen wird, um Bürgern wie Unternehmen zu helfen. Und doch ging man nach Stunden auseinander, ohne die ganz grundsätzliche Frage schlüssig beantwortet zu haben: Wie ändert der Abwehrschirm die Geschäftsgrundlagen für die Entlastungen? Der neue Chef der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte schon davor: "So lange wir noch nicht ganz genau wissen, welche Teile der Bevölkerung werden denn jetzt in welchem Maße entlastet, können wir auch relativ schwer die Frage beurteilen, wo braucht es zusätzliche Hilfsprogramme, welche Bereiche sind nicht erfasst."

Sein Vorgänger, NRW-Regierungschef Hendrik Wüst (CDU), formulierte es so: "Krise braucht Verlässlichkeit, Krise braucht Klarheit". Diese Klarheit könne nur der Bund schaffen, da der Vorschlag für einen Abwehrschirm vom Bund gekommen sei. "Was die Auswirkungen angeht, ist das noch ein bisschen eine Wundertüte. Keiner weiß genau, was drin ist, aber alle freuen sich schon mal."

Zum Leidwesen der Länder, die fürchten, ihre Gesetze nicht bald machen zu können. Das Finale soll in jedem Fall in einem Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag erfolgen. Das wäre nach optimistischer Rechnung Mitte Dezember der Fall. Ab 1. Januar soll aber alles wirksam werden. Ein straffer Plan. Einigen, wie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) geht das zu langsam. Zudem plädieren die Länder dafür, die Regelung für die Gaspreisbremse nicht zu detailverliebt zu gestalten. Gerade jene, denen noch die Corona-Krise in den Knochen steckt wissen, dass jeder Versuch, allen Sonderfällen gerecht zu werden, weitere provoziert.