Energie- und Wirtschaftsprobleme

"Das Entlastungspaket darf nicht scheitern"

Gerd Landsberg warnt vor Verzögerungen beim dritten Maßnahmenbündel der Ampel. Die Kommunen dringen auf Energiepreisbremse.

27.09.2022 UPDATE: 27.09.2022 06:00 Uhr 1 Minute, 47 Sekunden
Auch in Hallenbädern wird die Wassertemperatur gesenkt. Damit werden auch die Grundschulkinder, die Schwimmen lernen, von der Energiekrise etwas mitbekommen. Foto: dpa
Interview
Interview
Gerd Landsberg
Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes

Von Gernot Heller, RNZ Berlin

Berlin. Gerd Landsberg (69) ist Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.

Herr Landsberg, worin bestehen die größten Gefahren als Folge der akuten Energie- und Wirtschaftsprobleme?

Die größten Gefahren bestehen darin, dass wir in eine Rezession rutschen, die Arbeitslosigkeit sprunghaft ansteigt, viele Firmen in Konkurs gehen, die Kommunen und ihre Stadtwerke in Schieflage geraten und die Bürger deshalb an der Handlungsfähigkeit des Staates zweifeln. Damit würde Russland sein Ziel erreichen, unsere Gesellschaft zu destabilisieren.

Werden die Kommunen ihre Leistungen einschränken?

Schon im Rahmen der Energiesparmaßnahmen müssen die Kommunen ihre Leistungen zurückfahren. In Schwimmbädern wird die Wassertemperatur gesenkt und die Beleuchtung von historischen Gebäuden wird ausgeschaltet. Hinzu kommt, dass mit Blick auf die unsichere Finanzlage Investitionen zurückgestellt oder aufgeschoben werden müssen.

Am Mittwoch wollen Bund und Länder den Streit um das dritte Entlastungspaket beilegen. Fürchten Sie, dass das ganze Paket noch in Gefahr gerät?

Das dritte Entlastungspaket mit einem Gesamtvolumen von 65 Milliarden Euro ist ein wichtiger Baustein, damit wir durch die Krise kommen. Das Paket darf nicht scheitern. Die Menschen in Deutschland warten auf diese wichtigen Signale. Dazu gehört zum Beispiel die Strompreisbremse für den Basisverbrauch, die 300 Euro für die Rentnerinnen und Rentner, die 200 Euro für die Studierenden und die Erhöhung des Kindergeldes. Natürlich wird es noch Streit geben, da die Länder mit über 19 Milliarden Euro in der Mitfinanzierung stehen. Dennoch bin ich sicher, dass man am Ende eine Einigung erzielt.

Was fehlt in dem Paket aus Sicht der Städte und Gemeinden?

Das Paket enthält gute Ansätze. Was fehlt, ist eine echte Energiepreisbreme für Strom und Gas. Dies würde den Menschen, den Kommunen, aber auch der mittelständischen Wirtschaft wirklich helfen. Die Kommunen können beispielsweise kaum kalkulieren, welche Energiekosten auf Sie zukommen. In guten Jahren lagen die Kosten bei rund 5 Milliarden Euro pro Jahr. Sie dürften sich verdoppeln oder sogar verdreifachen, was die finanziellen Spielräume der Kommunen deutlich einschränkt. Wir sparen, wo wir können, aber es gibt viele Bereiche, wo dies nicht geht, zum Beispiel in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Kindergärten und im sicherheitsrelevanten Bereich. Natürlich würde eine wirksame Energiepreisbremse Milliarden kosten. Wir müssen uns aber klarmachen, dass Russland einen Wirtschaftskrieg gegen uns führt. Wir müssen entsprechend antworten und verhindern, dass Menschen ihre Energierechnungen nicht mehr bezahlen können, Unternehmen in die Insolvenz rutschen und die Kommunen ihre notwendigen Aufgaben in der Daseinsvorsorge nicht mehr finanzieren können.

Bedarf es eines eigenen Treffens von Bund und Ländern mit Vertretern der Kommunen, um deren Nöte zum Tragen zu bringen?

Deutschland erlebt eine Vielzahl von Krisen in einem Ausmaß, wie wir sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht hatten. Krieg, Inflation, Flüchtlinge, Energieversorgung, Personalnot und gestörte Lieferketten. Hier müssen die Ebenen Bund, Länder und Kommunen viel enger zusammenarbeiten.