Wende beim Kiffen

Was für und was gegen die Cannabis-Legalisierung spricht

Joint mit Gütesiegel? Eine Ampel-Koalition könnte die Legalisierung von Cannabis vorantreiben.

14.10.2021 UPDATE: 15.10.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 22 Sekunden
Symbolfoto: picture alliance/dpa/LaPresse via ZUMA Press | Carlo Lannutti

Von Daniel Bräuer

Heidelberg. Sollten SPD, FDP und Grüne am Freitag beschließen, in Koalitionsverhandlungen einzusteigen, dürfte ein Projekt bald Konsens sein: eine Legalisierung von Cannabis. Das zeigt der Blick in die Wahlprogramme der drei mutmaßlichen Regierungspartner: "Das Verbot von Cannabis richtet mehr Schaden an, als dass es nützt", heißt es bei den Grünen. Ihr Ziel: Der "kontrollierte und legale Verkauf von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften".

Ähnlich sieht es die FDP: Nur so "können die Qualität kontrolliert, die Weitergabe von verunreinigten Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet werden". Aus einer Steuer auf Cannabis hofft sie auf eine Milliarde Euro im Jahr, die sie in Suchtprävention und -behandlung stecken will.

Am wenigsten weit gehen will die SPD. Auch sie betont: "Verbote und Kriminalisierung haben den Konsum nicht gesenkt." Im Gegenteil verhinderten sie Jugendschutz und machten der Polizei unnötig Arbeit. Deshalb wollen die Sozialdemokraten regeln, dass "der Besitz kleiner Mengen von Cannabis strafrechtlich nicht mehr verfolgt wird". Für legalen Verkauf will sie indes vorerst nur Modellprojekte ermöglichen.

Die absehbare Wende beim Kiffen ruft Kritiker auf den Plan. Polizeigewerkschaften warnen vor Cannabis als "verharmloste Droge", so GdP-Chef Oliver Malchow. "Es muss endlich Schluss damit sein, den Joint schönzureden." Rainer Wendt (DPolG) sagt: "Wenn demnächst auch noch Bekiffte am Straßenverkehr teilnehmen, bekommen wir ein Problem."

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Der Konsum bei jungen Erwachsenen ist zuletzt gestiegen. Das geht aus dem jüngsten Jahresbericht hervor, den die Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig vergangene Woche vorgelegt hat. Unter den 18- bis 25-Jährigen stieg der Anteil derer, die nach eigenen Angaben in zwölf Monaten mindestens einmal Cannabis konsumiert haben, zwischen 2015 und 2019 von 15,3 Prozent auf 24,1 Prozent.

Mediziner warnen: Regelmäßiger Konsum sei gerade bei Jugendlichen und Heranwachsenden sehr gefährlich, sagt zum Beispiel der Heidelberger Psychiater Prof. Christian Wolf. In einer Phase, in der das Gehirn noch reift, können kognitive Fähigkeiten stark beeinträchtigt werden – mit unabschätzbaren Folgen in Schule oder Studium, im Beruf, im Zusammenleben mit Familie oder Partnern.

Auch die Gefahr psychischer Störungen wie Psychosen oder Schizophrenie steigt – abhängig vom individuellen Risiko, aber auch vom Wirkstoffgehalt der Droge und der Häufigkeit, mit der sie genommen wird, um das Drei- bis Fünffache. Am Uni-Klinikum Ulm haben sich von 2011 bis 2019 die stationären Behandlungen wegen psychotischer Störungen durch Cannabiskonsum verachtfacht. In Hamburg hat kürzlich das Oberlandesgericht einen 29-Jährigen in die Psychiatrie eingewiesen, der im Wahn seine Mutter und seine Freundin getötet hatte. Bereits der dritte ähnliche Fall in diesem Jahr, bei dem ein junger Mann unter Wahnvorstellungen zum Messer griff, wie die Richterin betonte. Ursache der Schizophrenie war zumindest in einem Fall der langjährige Cannabiskonsum. "Leider scheint diese Erkenntnis in der Öffentlichkeit kaum verbreitet zu sein", so die Richterin.

Politisch dreht der Wind dennoch in eine andere Richtung. Als "überfällige Selbstverständlichkeit" bezeichnet die der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen, Jens Teutrine, die Legalisierung. Sogar sein Pendant von der Jungen Union, Tilman Kuban, könnte sich vorstellen, dass der CDU-Nachwuchs demnächst mit Mehrheit dafür stimmt.

Selbst der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, lange Zeit ein Gegner, kommt "als Arzt mittlerweile zu einem anderen Schluss", wie er sagt. "Immer häufiger wird dem illegal verkauften Straßencannabis neuartiges Heroin beigemischt, das sich rauchen lässt. Damit werden Cannabiskonsumenten schnell in eine Heroin-Abhängigkeit getrieben."

Das Argument der Kontrolle und des Jugendschutzes lässt Psychiater Wolf nicht gelten. Beim Blick auf gesundheitliche Folgen insgesamt sei "der Grad der Verunreinigung sicher nicht das entscheidende Merkmal". Dagegen zeigten Daten aus den USA und Kanada nach der Legalisierung: mehr Psychosen, mehr Unfälle im Rausch, mehr Verletzungen – und ein immer höherer, gefährlicherer THC-Gehalt. "Wir haben eine ganze Menge Daten aus diesen Ländern, dass man sich zumindest medizinisch damit keinen Gefallen getan hat." Bei der Legalisierung sei "vieles gut gemeint" gewesen, sagt er. Er rät klar davon ab.

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