Von Klaus Welzel
Heidelberg. Am Sonntag startet die Impfkampagne mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer. Uni-Chefvirologe Hans-Georg Kräusslich sagt in der 33. Folge des RNZ-Corona-Podcasts, wie alles vonstattengehen soll.
Prof. Kräusslich, ab diesem Sonntag soll auch in der Region geimpft werden. Wer kommt zuerst dran?
Die Reihenfolge wird bestimmt durch die Empfehlung der Ständigen Impfkommission und die Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums. Sie besagen, dass Menschen, die über 80 Jahre alt sind, die höchste Priorität haben, außerdem die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen sowie das Personal, das dort arbeitet. Hinzukommen Mitarbeiter von Kliniken, die einem besonderen Risiko ausgesetzt sind oder die in Bereichen arbeiten, wo Patienten mit besonders hohem Risiko liegen – zum Beispiel auf Krebsstationen und in der Notaufnahme.
RNZ-Corona-Podcast - Folge 33: Was wir über das Impfen wissen müssen
Interview: Klaus Welzel / Schnitt und Produktion: Götz Münstermann
Laut dem Gesundheitsamt müssen die Berechtigten von sich aus aktiv werden, um einen Impftermin zu vereinbaren. Doch wie kommt ein über 80-Jähriger dann zum Beispiel auf das abgelegene Gelände von Patrick-Henry-Village außerhalb Heidelbergs?
Diese Frage kann ich nicht wirklich beantworten, das liegt nicht in unserer Zuständigkeit: in der Regel werden die Personen wohl entweder selbst fahren oder Angehörige bringen sie dorthin; vielleicht werden auch Shuttle-Busse eingerichtet.
Wie läuft das im Klinikum für Mitarbeiter ab?
Wir haben Listen erstellt, welche Bereiche in der ersten Priorität an der Reihe sind, welche der dort arbeitenden Personen über die Feiertage da sind und ob diese Personen bereit sind, sich impfen zu lassen. Wir gehen davon aus, dass die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich impfen lassen, aber letztlich muss das jeder selbst entscheiden. So können wir dann dem zentralen Impfzentrum sagen, wie viele und welche Mitarbeiter des Uniklinikums Heidelberg jetzt geimpft werden. Wir wollen ja sicherstellen, dass der knappe Impfstoff unmittelbar genutzt wird, insofern muss man das planen.
Und es gibt keinen sozialen Druck auf Klinikmitarbeiter, sich impfen zu lassen?
Wir empfehlen unseren Mitarbeitern ausdrücklich, sich impfen zu lassen, aber wir drängen niemanden und setzten niemanden unter Druck. Die Impfung bleibt freiwillig, aber wir wünschen uns natürlich, dass sich möglichst viele impfen lassen.
Und wie verhält es sich mit den Impfungen in den Heimen?
Dafür sind die mobilen Impfteams vorgesehen. Diese Teams werden jeweils im Patrick-Henry-Village mit Impfdosen und Material ausgestattet und fahren dann in die Heime, um dort vor Ort Bewohner und Personal zu impfen. Das ist logistisch durchaus eine Herausforderung, da natürlich alle Personen in die Impfung einwilligen müssen, bevor geimpft werden kann. Das gilt auch für Personen, die unter Betreuung stehen, und ist daher gerade in den Heimen besonders aufwendig. Aber die Bewohner von Heimen müssen nicht in die Impfzentren kommen, sondern werden von den Impfteams aufgesucht. Es versteht sich, dass das nicht überall parallel geschehen kann, sondern jeweils mit den einzelnen Heimen vereinbart wird.
Wie halten Sie die Kühlkette ein? Schließlich müssen minus 70 Grad garantiert sein während des Transportes.
Die Anlieferung erfolgt zunächst an die Apotheke des Universitätsklinikums, von dort wird an das Impfzentrum im Patrick-Henry-Village ausgeliefert. Biontech/Pfizer stellt für den Transport spezielle Gefrierboxen zur Verfügung. Der Impfstoff wird dann von den mobilen Impfteams in die Heime gebracht. Das ist wegen der erforderlichen Kühlung sehr aufwendig. Wenn der zweite Impfstoff von der Firma Moderna zugelassen ist, wird es wohl insbesondere dezentral in Arztpraxen einfacher werden, da dieser bei minus 20 Grad gelagert werden kann. Das sollte Anfang/Mitte Januar der Fall sein.
Geimpfte sollen zwei Jahre lang ärztlich begleitet, also von Zeit zu Zeit untersucht werden. Muss ich da als Geimpfter selbst aktiv werden?
Das wird wohl dem Einzelnen überlassen sein, das kann man auch kaum für einen großen Teil der Bevölkerung koordinieren. Aber die meisten Menschen gehen ja regelmäßig zu Vorsorgeuntersuchungen oder aus anderen Gründen zum Arzt. Im Übrigen ist eine Nachbeobachtung aller Geimpften nur dann wirklich relevant, wenn zusätzlich unerwartete Nebenwirkungen auftreten sollten. Bisher sehe ich keinen Grund, warum man speziell wegen dieser Impfung nachuntersucht werden müsste und wüsste auch nicht, wonach man suchen würde.
Für wie gefährlich halten Sie die neue britische Virusmutation?
Wir haben noch nicht genug Informationen, um das abschließend zu beurteilen. Die Variante ist auffällig, weil sie ziemlich viele Mutationen enthält. Aber sie ist bereits im September erstmals aufgetreten und hat sich in den letzten Wochen in Südengland stärker ausgebreitet; insofern ist nicht sicher, ob die vermehrte Ausbreitung daher kommt, dass das Virus besonders ansteckend ist oder ob sie daher kommt, dass in dieser Region gerade vor allem diese Variante vorkam. Es ist durchaus möglich, dass die Variante infektiöser ist, aber ich sehe im Moment keinen Hinweis, dass sich dadurch der Verlauf der Pandemie stark ändern würde. Und es gibt aktuell auch keinen Hinweis, dass die neue Variante einen schwereren Krankheitsverlauf auslöst – leider aber auch keinen schwächeren.
Wie viele verschiedene Mutationen sind bisher aufgetaucht?
Das kann ich gar nicht sagen. Auf jeden Fall sind es sehr viele. Bestimmte Varianten tauchen auf, verschwinden wieder oder entwickeln sich weiter. Seit April hat sich eine Variante weit verbreitet, die im März noch gar nicht beobachtet wurde. Dann gab es die Cluster-5-Mutation in Dänemark, die von Nerzen auf den Menschen überging; sie ist inzwischen schon wieder verschwunden, hatte offensichtlich keinen Vorteil. Wenn eine Variante auch nur einen geringen Vorteil hat, dann setzt sie sich durch; Viren vermehren sich in ihren Wirten ja milliardenfach – das geht sehr schnell. Deshalb spricht man auch von einer Evolution im Zeitraffer. Was bei Menschen und Tieren Jahrtausende dauert, kann hier in Tagen und Wochen geschehen.
Wir haben letzte Woche über die Belegung der Intensivbetten gesprochen. Wie ist der Stand heute?
Bei uns ist die Situation diese Woche etwas besser. Sie hatten ja auch berichtet, dass wir letzten Freitag Patienten in andere Kliniken verlegen mussten, weil die Gefahr bestand, dass wir sonst am Wochenende keine Intensivpatienten mehr aufnehmen können. Das hat im Übrigen sehr gut geklappt und war auch für die Patienten verträglich. Im Augenblick ist die Situation ein klein wenig entspannter, aber die Belegung ist weiterhin auf hohem Niveau.
Apropos Verhalten an Weihnachten: Ich muss Sie wohl erst gar nicht fragen, ob Sie über Weihnachten einen Gottesdienst besuchen?
Ich werde dieses Jahr sicher nicht zum Gottesdienst in eine Kirche gehen. Es gibt auch andere schöne Angebote zum Beispiel im Fernsehen oder Internet, ich würde mich derzeit mit anderen in der Kirche nicht wohlfühlen. Wir müssen alle dazu beitragen, die Pandemie zu überwinden. Das Personal in den Kliniken und Labors, die Forscher und viele andere kämpfen mit aller Macht. Wir haben viele Erfolge, aber es reicht im Moment noch nicht. Deshalb mein Appell: Schützen Sie sich, schützen Sie ihre Mitmenschen, kümmern Sie sich darum, dass wir alle zusammen erreichen, dass es in den nächsten Wochen zu keinem weiteren Anstieg kommt und dass wir auch weiterhin alle Patienten, die dies benötigen, versorgen können. Es liegt an uns, dass dies gelingt. Helfen Sie bitte mit, das ist mein Weihnachtswunsch.