PRO - Anica Edinger
Campingurlaub 2020: Eine junge Frau spült bei Sonnenschein das Geschirr an den Waschbecken mit Blick auf den blau schimmernden Ozean. Ein älterer Herr spült ebenso. "Ist das nicht der Traum einer jeden Frau: Spülen mit Meerblick?", fragt er die junge Frau. Der Traum einer jeden Frau also, denkt sich die Frau. Spülen mit Meerblick. Wovon sollte man als Frau im 21. Jahrhundert sonst auch träumen?
Diese – wahre – Geschichte zeigt doch recht eindrücklich: Rollenbilder und Rollenklischees sind längst nicht überwunden. Im Gegenteil: Sie sind allgegenwärtig. Auch im 21. Jahrhundert. Und die Stereotypenforschung hat längst belegt: Verfestigte Bilder im Kopf haben Folgen. Und so sind weiter Frauen die Hauptverantwortlichen für die Heim- und Erziehungsarbeit. Fürs Spülen eben. Sie haben schlechtere Karrierechance, werden schlechter bezahlt, sind vielfach Opfer von häuslicher Gewalt. Umso wichtiger ist es, dies ständig ins Bewusstsein zu rufen. Dazu brauchen wir den Weltfrauentag. Um auf die Ungerechtigkeit hinzuweisen, sie sichtbar zu machen. So lange die Gleichberechtigung von Mann und Frau nichts ist als Utopie, sollten wir doch anstatt über die Abschaffung dieses Tages, lieber über dessen Aufwertung diskutieren. Denn er dient nicht nur als Symbol für den noch immer andauernden Kampf um gleiche Rechte, sondern auch als Erinnerung: an all diejenigen, die im Kampf um ihre (Frauen)Rechte ihr Leben gelassen haben, misshandelt, belächelt, verunglimpft wurden. Vergessen wir heute auch nicht die Frauen, die in vielen Teilen dieser Welt zu Gefängnisstrafen verurteilt, unschuldig angeklagt, gefoltert, hingerichtet werden – weil sie gleiche Rechte forderten.
So lange das so ist, so lange hat auch der Weltfrauentag seine Berechtigung. Sein Verzicht würde den Wegfall eines Symbols bedeuten. Und wer um die Wirkmächtigkeit von Symbolen und Zeichen in dieser Welt weiß, der weiß auch: Ihre Abschaffung käme einer Resignation gleich.
CONTRA - Ingeborg Salomon
Liebe Mit-Frauen, jetzt müsst Ihr bitte mal ganz tapfer sein, denn ich sage es frei heraus: Den Weltfrauentag finde ich so überflüssig wie Stilettos im Homeoffice, den Welt-Männertag und natürlich den Muttertag. Ich werde heute also kein feministisch aufgeladenes Lila tragen, das sieht ohnehin richtig top nur an US-Vizepräsidentin Kamala Harris aus. Ich werde jede rote Nelke, die mir heute vielleicht gereicht wird, umgehend entsorgen, und ich werde auf keinen Fall völlig sinnfreie theoretische Debatten über Gleichberechtigung führen.
Nicht, dass zwischen Männern und Frauen alles paletti wäre. Da gibt es reichlich Handlungsbedarf, und die Corona-Pandemie zeigt uns gerade überdeutlich, wie bei Haushalt und Homeschooling die Karten in den meisten Familien verteilt sind. Um hier etwas zu ändern, braucht es aber deutlich mehr als den viertelherzigen Versuch von Politik und Verbänden, einmal im Jahr am Welt-Frauentag pflichtschuldigst an diese Schieflage zu erinnern.
Was ich stattdessen will? Partnerschaft auf Augenhöhe, die diesen Namen auch verdient: in der Beziehung, in der Familie, im Job, im Leben. Dazu gehören neben Männern, die sich darauf einlassen, vor allem Frauen, die das auch einfordern. Nicht einmal im Jahr, sondern im täglichen Miteinander, und zwar freundlich, deutlich, konsequent und wenn’s irgendwie möglich ist, mit einer Prise Humor. Etwa so: "Nur Prinzessinnen richten ihr Krönchen. Königinnen ziehen ihr Schwert".
Keine Sorge, ist nur ein Späßchen. Morgen gehen ohnehin alle wieder zum Alltag über, es ist wieder Welt-Männertag wie 364 Tage im Jahr. Liebe Mit-Frauen, ob wir uns das gefallen lassen, liegt an uns. An jeder Einzelnen, jeden Tag. Also zieht Euer Schwert und kämpft mit einem Lächeln für Gleichberechtigung – es lohnt sich, nicht nur heute.