Von Matthias Kehl
Heidelberg. Bei Sebastian Klassen in Ziegelhausen läuft das Geschäft wie am Schnürchen. Die stationäre Poststation im Bio-Laden des 62-Jährigen in der Kleingemünder Straße wird gut angenommen. "An starken Tagen haben wir hier 400 bis 500 Kunden", sagt Klassen. Es wird gescannt, gepackt und verschickt, was das Zeug hält.
"Das funktioniert nur", fügt Klassen an, "wenn wir ein bis zwei Mitarbeitern allein für den Postbetrieb abstellen". Das Arbeitsvolumen nehme immer mehr zu. Nicht nur in der Region, sondern bundesweit lagert sich das Annehmen und Verschicken von Briefen und Paketen verstärkt auf private Partnerfilialen aus.
Die Hintergründe:
Gibt es noch "echte Post-Filialen"? Eigentlich nur noch zwei. Eine am Hauptsitz der Deutschen Post AG in Bonn und eine im Reichstag in Berlin. "Das, was der Kunde als ,echte Filiale’ wahrnimmt, sind Filialen der Postbank", erklärt Sigrun Rauch, die seit 1997 Verdi-Vertreterin der Post ist. Der Hauptteil der Poststellen ist mittlerweile in privater Hand, die Post spricht von "Partnerfilialen". Die Zahl insgesamt geht zurück. Im Jahr 2000 gab es 13.663 Postbank- und Partnerfilialen; im ersten Halbjahr 2019 waren es noch 12.744, wie aus der Antwort der Regierung auf eine Anfrage der Linken hervorgeht.
Vor neun Jahren waren es allerdings schon einmal noch weniger: 12.570. Zugleich spart die Postbank an Mitarbeitern. Von insgesamt 27.000 Verkaufsstellen - Postbankfilialen, Partneragenturen und Paketshops - sind mittlerweile mehr als die Hälfte in den Händen von privaten Partnern. Diese werden in unterschiedlichsten Einrichtungen - in Supermärkten etwa, in Kiosken oder in Nagelstudios - in der Regel "nebenbei"betrieben.
Haben Bürger das Recht auf eine Post-Station vor Ort? Ja. Pro Gemeinde mit mindestens 2000 Einwohnern pro 80 Quadratkilometer ist eine Poststation gesetzlich vorgeschrieben. "Diese Vorschriften werden auch klar eingehalten", sagt Fiete Wulff von der Bundesnetzagentur. Die Beförderung der Deutschen Post unterliegt dem Grundgesetz. Genauer gesagt der Post-Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV). Bundesweit verlangt diese mindestens 12.000 stationäre Einrichtungen für den Postversand. Dabei ist nicht entscheidend, ob diese von der Postbank oder durch private Einrichtungen betrieben werden.
Was müssen private Poststationen leisten? Im Jahr 2000 beförderte die Post in Deutschland noch gut 72 Millionen Briefe pro Werktag. Heute sind es nur noch 57 Millionen. Die Paketmenge ist im selben Zeitraum von rund zwei Millionen pro Werktag auf fünf Millionen gestiegen. Die Annahme und Weitergabe der Postgeschäfte wird immer mehr durch privat betriebene Poststationen geschultert. "Hauptsächlich handelt es sich dabei um Retour-Sendungen", berichtet Sebastian Klassen von seinen Erfahrungen aus Ziegelhausen. Für den Postbetrieb lernt Klassen sein Personal extra an. "Das Prozedere hat sich bei uns mittlerweile gut eingespielt - und läuft reibungslos". In Partnerfilialen, die nicht zusätzlich Personal abstellen, kann es hier auch zu längeren Wartezeiten kommen.
Ist das Geschäft für Partnerfilialen profitabel? Zum Teil. Klassen, der seit elf Jahren die Poststation in Ziegelhausen und seit einem Jahr eine weitere in Handschuhsheim betreibt, meint: "Bei uns rechnet sich das Geschäft vor allen Dingen durch die sehr hohe Anzahl unserer Post-Kunden." Die Deutsche Post AG setzt Verträge mit den Postpartnerfilialbetreibern auf. Diese enthalten eine standortabhängige Grundversorgungspauschale, dazu werden Dienstleistungen wie das Versenden von Briefen und Paketen durch einen festgesetzten Provisionsbetrag vergütet, wie Udo Böer, Vorsitzender des Postagenturverbandes, sagt. "Pro Paket sind das heute 40 Cent, pro 80-Cent-Briefmarke vier Cent", erzählt Böer, der selbst knapp 20 Jahre lang zwei private Poststationen leitete. "Früher waren die Konditionen wesentlich fairer. Seit 2015 hat die Post neue Verträge aufgesetzt und die Provisionen deutlich gekürzt", so Böer.
Welche Probleme für Kunden tauchen auf? Die PUDLV gibt die Mindestversorgung an Poststationen vor. Die Öffnungszeiten sind daran allerdings nicht gekoppelt. "Wenn die Verordnung den Betrieb einer Poststation vorschreibt, kann es vorkommen, dass diese im schlechtesten Fall nur zwei Stunden am Tag geöffnet hat", erklärt Klaus Gettwart, Vorstand des Verbands Deutscher Post, Informationstechnologie und Telekommunikation (DVPT).
Hier sei eine sukzessive Veränderung der Öffnungszeiten zu erkennen. Die Verträge mit der Post schreiben privaten Stationsbetreibern jedoch vor, mindestens sechs Tage die Woche zu öffnen, erklärt Udo Böer. Laut Bundesnetzagentur entfallen aktuell nur 2,5 Prozent der Beschwerden auf die Partnerfilialen. 50 Prozent der Beschwerden betreffen die Brief-, 35 Prozent die Paketzustellung.