Von Maximilian Jungmann, Sebastian Harnisch und Nicole Aeschbach
Wenn Greta Thunberg sagt, man müsse nur auf die Wissenschaft hören, um den Klimawandel wirkungsvoll zu begrenzen, dann ist das ein Missverständnis über die Aufgaben und Kompetenzen von Klimaforschenden.
Zwar sind sich mittlerweile 97 Prozent aller namhaften Klimawissenschaftlerinnen und -wissenschaftler einig, dass es menschgemachten Klimawandel gibt und dieser massive Konsequenzen haben wird. Aber noch 1990 zeichnete der Weltklimarat, der Wissenschaftler aus 195 UN-Mitgliedstaaten repräsentiert, ein aus heutiger Perspektive gemäßigtes Bild von der Klimaveränderung. 30 Jahre später wissen wir sicher, dass extreme Wetterereignisse zugenommen haben und schon jetzt drastische wirtschaftliche, gesundheitliche und soziale Folgen haben. Und doch bleiben Unsicherheiten. In der Klimaforschung rühren diese unter anderem daher, dass unsere Klimamodelle extrem komplex sind und dass es für die zukünftige Entwicklung der Treibhausgasemissionen ganz unterschiedliche Pfade gibt. Die Risiken, die sich aus den Klimafolgen ergeben, können daher auch heute noch überschätzt oder – sehr viel wahrscheinlicher – unterschätzt werden.
Selbst wenn sich Klimawissenschaftler sicher wären, welche Risiken genau wie groß sind, dann müssten immer noch gewählte Vertreter die Abwägung dieser Risiken gegenüber den Bürgern vertreten. Wissenschaftler sind hochqualifizierte Fachleute in ihren Themenfeldern. Sie sind aber nicht notwendigerweise gute Politiker, die Kompromisse zwischen unterschiedlichen Interessen aushandeln können oder wollen. Jüngst haben 11.000 Kolleginnen und Kollegen einen sinnvollen Maßnahmenplan zur Beratung der Öffentlichkeit vorgelegt. Entscheiden sollten darüber aber Parlamente und Regierungen und nicht Experten.
Um beratungsfähig zu sein, müssen Wissenschaftler sehr komplexe naturwissenschaftliche Zusammenhänge begreifen. Sie müssen auch das Wechselspiel zwischen sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Faktoren verständlich erklären können. Der Klimawandel und seine Folgen fordert interdisziplinäre Forschung aber auch deshalb besonders, weil seine Auswirkungen tendenziell über Zeit und Raum ungerecht verteilt werden: Die Staaten, die historisch am meisten CO2-Eintrag in die Atmosphäre zu verantworten haben, werden weniger direkte Effekte spüren und sich besser wappnen können. Die Generationen, deren Lebenschancen voraussichtlich am meisten durch den Klimawandel beeinflusst werden, werden vergleichsweise wenig zu dessen Entwicklungen beigetragen haben. Erschwerend kommt hinzu, dass sich entwickelnde Wirtschaften im globalen Süden durch die Entkoppelung ihres Wachstums vom CO2-Ausstoß den Schlüssel für das Überleben der Menschheit in der Hand halten.
Es ist daher sehr wichtig, solche komplexen Gerechtigkeitsfragen effektiv und friedlich zu lösen. Dafür bedarf es technischer, aber auch wirtschaftlicher und politischer Anreize, um verlässliche Zusagen über die Veränderung von Konsumverhalten und Lebensstilen zu erlangen. Verursacher müssen zu Mitspielern werden. Zukünftige Betroffene sollten ihren antizipierten Zorn bändigen, denn ohne die Kooperation der Beschuldigten gibt es keine Aussicht auf nachhaltigen Erfolg. Beschämung gibt das kurzfristige Gefühl eigener moralischer Stärke und Überlegenheit, langfristig bewirkt sie wenig.
Im Heidelberg Center for the Environment (HCE) diskutieren wir regelmäßig und kontrovers über diese Themen. In Projekten mit Praxispartnern vor Ort, im Bereich Bildung für Nachhaltige Entwicklung und mit unseren Vortragsreihen wirken wir in die Gesellschaft hinein. In der aktuell laufenden Klimastreikwoche werden einige von uns engagiert mitdiskutieren, während andere an Verfahren zur Ermittlung lokaler CO2-Emissionen tüfteln. Dritte werden Städte, Abwasserverbände oder Wirtschaftsunternehmen in Nachhaltigkeitsfragen beraten und damit einen wichtigen Transfer der Wissenschaft in die Gesellschaft leisten. Aber: Aus unserer Sicht ist es ein Trugschluss zu glauben, dass die Entscheidungen über die richtigen Klimaschutzmaßnahmen nur bei jenen am besten aufgehoben sind, die weder wirtschaftlich noch politisch die Konsequenzen der Entscheidungen zu verantworten haben. Vielmehr sollten diese Entscheidungen bei jenen verbleiben, die durch ihr Verhalten heute die Grenzen der Entwicklung von morgen bestimmen.