Juden als Verbrecher? Palästinenser protestieren am Samstag in Frankfurt gegen Jerusalem als Hauptstadt Israels. Foto: dpa
Von Harald Raab
Mannheim. Deutschlands Eliten - von Politik über Kirchen, Sozialverbänden bis hin zur Wirtschaft - zeigen wieder einmal unisono Entsetzen. Sie beschwören nach dem öffentlich gewordenen Judenhass vor dem Brandenburger Tor in Berlin, aber auch in anderen Städten: Antisemitismus jeglicher Form werde man nicht dulden. Was fehlt, ist eine tiefgreifende Debatte mit unverstelltem Blick auf Realität und Ursachen. Und vor allem: Es fehlen Konsequenzen. Bei den jüngsten Entgleisungen, inklusive der Verbrennung selbst gebastelter Israel-Flaggen, sah die Polizei tatenlos zu.
Je nach Zählmethode gibt es in der deutschen Wohnbevölkerung ein festes beziehungsweise latentes antisemitisches Weltbild bei 15 bis 23 Prozent. Nach einer Studie des Doha-Instituts haben 80 Prozent der Menschen in den arabischen Ländern nicht nur eine antiisraelische, sondern eine antisemitische Einstellung. Der syrische Politologe Bassam Tibi, hat es einmal so auf den Punkt gebracht: "Ich bin als Judenhasser nach Deutschland gekommen. So hat man mich in Damaskus erzogen. Für mich war Auschwitz kein Verbrechen."
Es gibt allerdings bisher keine belastbare Erhebung, wie weit Muslime in Deutschland dem Antisemitismus verfallen sind, und erst recht keine, die Aussagen über die Flüchtlinge machen könnten. Doch was man aus dem schulischen Alltag hört, kommt es wohl nicht von ungefähr, dass Jugendliche mit türkischem und arabischem Migrationshintergrund sehr leicht das Wort "Jude" benutzen, um einen Mitschüler herabzuwürdigen. In den türkischen Communities ist Israelfeindlichkeit weitgehend Standard. Dass Menschen aus dem Nahen und Mittleren Osten den anerzogenen Antisemitismus ablegen, wenn sie nach Deutschland kommen, ist eher unwahrscheinlich. Zumindest sind sie anfällig für judenfeindliche Parolen.
Besonders alarmierend: Junge Muslime, die in dritter Generation in Deutschland leben und in der Regel eine deutsche Schullaufbahn haben, differenzieren nicht zwischen Kritik an der Politik der israelischen Regierung und den Juden. Am Elend, an den kriegerischen Auseinandersetzungen der Herkunftsländer ihrer Familien sind pauschal Juden schuld.
Die Lehrerinnen und Lehrer erreichen muslimische Jugendliche immer weniger. Bestimmend für deren Einstellungen ist vor allem das Internet. Antisemitismus gehört dort zur propagierten muslimischen Identität. Dieser Verführung ist nur schwer beizukommen.
Doch es gibt in der analogen Parallelwelt auch andere Faktoren, auf die durchaus Einfluss genommen werden könnte: Das sind diverse Islamverbände. Sie geben sich, wie deren größter, der Moscheen-Verband Ditib, als unabhängig aus. In Wahrheit hängt Ditib am Tropf der türkischen Religionsbehörde. Sie entsendet die Imame nach Deutschland. Diese dürften sich kaum von den aktuellen, islamistischen und schrillen antiisraelischen Trends ihres Landes distanzieren, bei denen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan den Ton angibt. Was nützen an deutschen Universitäten ausgebildete Imame, wenn sie von den Gemeinden nicht eingestellt werden?
Es ist nicht zu übersehen, dass wir die Probleme islamischer Herkunftsländer, inklusive Antisemitismus, nach Deutschland exportiert bekommen. So lang es in Europa keinen mit westlichen Werten kompatiblen Islam gibt, wird immer wieder Judenhass aufflammen. Er wird dazu eingesetzt, um die Muslime von den katastrophalen Lebensumständen in ihren Ländern abzulenken.