Eine Pflegerin in Schutzausrüstung betreut einen Corona-Patienten auf der Intensivstation. Symbolbild: picture alliance/dpa | Fabian Strauch
Von Matthias Kehl
Heidelberg. Während sich zurzeit Millionen Menschen abschotten können, um physische Begegnungen und somit Corona-Infektionen zu vermeiden, stehen andere qua Beruf im Kontakt mit Infizierten: die Pflegenden. Die RNZ hat mit zwei Fachkräften über ihre Erfahrungen im Pandemie-Alltag gesprochen.
Zwischen Mensch und Maschinen
Bis Anna Kal (Name geändert) die gesamte Schutzausrüstung angezogen hat, vergehen mindestens 10 bis 15 Minuten. Mit Schutzkittel, Handschuhen, FFP3-Maske und Schutzhaube betritt sie den abgetrennten Klinik-Bereich für Corona-Intensivpatienten. Kal ist Fachpflegerin für Intensivmedizin und Anästhesie in Hessen, arbeitet dort seit 2013 auf der Intensivstation – momentan neben dem Studium. "Die Situation ist angespannt, ich spüre die Verantwortung noch stärker als sonst", sagt die 27-Jährige im Gespräch mit der RNZ.
Vor jeder Schicht werden die Teams eingeteilt. Die für die Corona-Patienten Zuständigen arbeiten isoliert. "Die Covid-Patienten brauchen eine besonders Pflege", weiß Kal. Pro Patient sei im besten Fall eine Intensivkraft allein verantwortlich. Es gilt, das Beatmungsgerät, den Monitor, der die Vital-Funktionen checkt, und die Medikamenten-Zufuhr zu überwachen.
"Bei all der Technik achte ich auch bewusst darauf, den Menschen dahinter wahrzunehmen", erzählt Kal und fügt an: "Das Leben des Patienten liegt schließlich in meinen Händen". Und trotz aller Fürsorge ist es nicht immer zu retten. Selbst Menschen ohne Vorerkrankungen, Mitte 30, bei denen die Corona-Infektion aufs Herz schlug, hat Kal um ihr Leben kämpfen sehen. Das gehört zu ihrem Beruf, aber prägt über die Arbeit hinaus.
"Das Thema ist omnipräsent, ich nehme einiges gedanklich mit nach Hause." Mit ihren Patienten, die häufig nicht ansprechbar sind, komme sie meist erst verbal nach einer erfolgreichen Behandlung in Kontakt. "Viele zeigen Reue, nicht achtsam genug gewesen zu sein", erzählt Kal. Andere seien vor allem dankbar für die Behandlung. Das ist das, was sie antreibt. "Man sieht unmittelbar, was man durch sein Zutun bei einer Therapie bewirken kann", sagt Kal. Doch das geht nur, solange die Kapazität ausreicht. "Um Intensivfälle zu vermeiden, braucht es die Achtsamkeit der Bevölkerung", mahnt sie. Bis zu einer Impfung, die Kal für sich in Anspruch nehmen würde, kann und will sie sich nicht wegducken. "Ich fühle mich zwar sicher, doch ein Restrisiko bleibt immer", weiß die Intensivschwester.
Quarantäne statt"Corona-Front"
Mit sechs Tagen Verspätung meldet sich bei Edith Nowak (Name geändert) das Gesundheitsamt. Dass sie Corona-positiv ist, weiß die 40-jährige Gesundheitspflegerin aus Mannheim da bereits. Sie ist seither isoliert und krankgemeldet. Trotz Schutzausrüstung, trotz Hygienemaßnahmen hat es sie erwischt. Die Aussage ihres Arbeitgebers, dass bei Einhaltung aller Maßnahmen die Ansteckungsgefahr gleich null gewesen wäre, hat die zweifache Mutter mehr verstimmt als die bisher leichten Symptome, die sich in Form eines Schnupfens bemerkbar machen.
Die Gesundheits- und Krankenpflegerin, erfahren in der Inneren Medizin, arbeitet in der Quadratestadt auf einer klinischen Corona-Station. "Der Personalmangel in der Pflege ist chronisch. Corona hat diese Situation noch mal verschärft", sagt die Gesundheitspflegerin. Momentan müsse das verbliebene Personal täglich neu zusammengestellt werden. Die Belastung schlage den Kollegen aufs Gemüt. "Dass ich das Virus mit nach Hause bringe und meiner Familie weitergebe, war stets die größere Angst". Die nun wahr wurde. Ihr Mann hat sich bei ihr angesteckt.
Weihnachten verbringt Nowak in Quarantäne statt bei der Arbeit. Nachbarn kaufen für sie ein, was der Pflegerin mehr hilft als Balkon-Applaus. Erwartungen habe sie vor allem an die Politik und an ihre Vorgesetzten. "Wir sind täglich an der Corona-Front, brauchen Entlastung." Damit die Liebe zum Beruf wieder intensiver wird als die Belastung.