Rauer Gegenwind

Polens Außenminister kämpft mit Korruptionsskandal

Zbigniew Rau gilt als Hardliner. Nun ist seine Behörde ins Zentrum eines umfassenden Skandals geraten.

23.09.2023 UPDATE: 23.09.2023 06:00 Uhr 1 Minute, 48 Sekunden
Sieht keinen Grund für einen Rücktritt: Polens Außenminister Zbigniew Rau. Foto: dpa

Von Michael Abschlag

Der Minister versucht abzuwiegeln. "Ich fühle mich nicht mitschuldig, ich denke nicht daran, zurückzutreten, und es gibt keine Visa-Affäre", sagt Zbigniew Rau. Unterstützung erhält er von seinem Parteichef, Jaroslaw Kaczynski: "Das ist nicht einmal ein Affärchen", spottet der starke Mann der polnischen Politik.

Doch davon kann keine Rede sein. Tatsächlich ist Polens Außenminister Rau ins Zentrum eines Skandals geraten, der gewaltige politische Sprengkraft besitzt. Immer wieder hat die rechtskonservative Regierungspartei PiS Stimmung gemacht gegen Muslime und Migranten, versucht, die Wahlen Mitte Oktober zu einem Referendum über Zuwanderung umzudeuten. Jetzt steht Raus Ministerium im Verdacht, Migranten vor allem aus Afrika, Syrien und Afghanistan nach Europa geschleust zu haben, gegen Schmiergeld: Bis zu 5000 Euro seien für ein Visum geflossen, heißt es. Die Opposition spricht von Hunderttausenden Fällen. Polens Generalstaatsanwaltschaft ermittelt gegen sieben Personen, ein Ex-Vizeaußenminister liegt nach einem Suizidversuch im Krankenhaus.

Zu allem Überfluss muss sich Polens Regierung auch noch von Deutschland, einem ihrer Lieblingsgegner, Vorhaltungen machen lassen: Seit Längerem beobachtet die Bundespolizei vermehrt illegale Einreisen von Migranten über die polnische Grenze. EU-Innenkommissarin Ylva Johansson schickte einen Katalog mit elf Fragen an Rau, beantworten soll er sie bis spätestens zum 3. Oktober. Zwölf Tage später wird in Polen gewählt.

Für Rau ist all das ein Desaster. Der studierte Jurist gilt als rechtskonservativer Hardliner, deshalb wohl hievt ihn Kaczynski 2020 ins Außenamt. Diplomatische Erfahrung besitzt er da nicht.

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Geboren wird Rau 1955 in Lodz in Zentralpolen. Nach dem Jurastudium tritt er 1980 der gerade gegründeten Solidarnosc bei: Hier, in der oppositionellen Gewerkschaftsbewegung, kämpfen nationalkonservative und liberale Regimegegner noch Seite an Seite gegen die kommunistischen Machthaber; erst später werden sie sich zerstreiten. Rau bekommt davon wenig mit, er geht schon ein Jahr später ins Ausland. Die nächsten Jahre wird er im Westen verbringen, arbeitet in Cambridge, in Austin, Texas, am Max-Planck-Institut in Göttingen. Erst in den 1990er Jahren kehrt er nach Polen zurück.

Rau sitzt im Senat, wird Woiwode (Vertreter der Zentralregierung) in der Region Lodz, zieht 2019 in den Sejm ein, das polnische Parlament. Er bleibt parteilos, schließt sich aber der PiS-Fraktion an, zählt mit seinen Positionen selbst dort bald schon zu den Hardlinern. Im Wahlkampf etwa wettert er gegen Homosexuelle und Transmenschen, schreibt auf Facebook: "Stoppt die LGBT-Ideologie, stoppt die Zivilisation des Todes."

2020 löst er seinen gemäßigteren Vorgänger Jacek Czaputowicz ab. Ein schwieriges Verhältnis hat er nicht nur zu LGBT-Aktivisten und Linken, auch die Beziehung zum westlichen Nachbarn ist alles andere als einfach: Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine wirft er Deutschland auf offener Bühne vor, jahrelang eine Politik des "Russland zuerst" betrieben zu haben.

Nun ist er erneut in die Schlagzeilen geraten – wenn auch anders, als er es sich wohl erhofft hatte. Die PiS hatte die Migration zu ihrem zentralen Wahlkampfthema gemacht. Nun könnte dies sich als Bumerang erweisen – und Außenminister Zbigniew Rau als ersten treffen.

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