Plus Judentum in Deutschland

Chanukka geht alle an

Tikvah-Institut fordert gesetzliche Rahmenbedingungen für jüdische Feiertagspraxis.

08.12.2023 UPDATE: 07.12.2023 06:00 Uhr 1 Minute, 58 Sekunden
Glücklich in Berlin: Yehuda Teichtal, orthodoxer Rabbiner, und Rabbi Shmuel Segal tanzen nach der Einweihung des Chanukka-Leuchters am Brandenburger Tor. Ab dem 7. Dezember beginnt das achttägige jüdische Lichterfest Chanukka. Foto: dpa

Von Susanne Lohse

Pforzheim/Berlin. Gesetzliche Rahmenbedingungen für jüdische Feiertage fordert der Geschäftsführer des Berliner Tikvah-Instituts, Volker Beck. Die Ausübung ihres religiösen Lebens dürfe Juden nicht zu Bittstellern machen. Vertreter aus Kirche, Gesellschaft und Politik nahmen am Montag in Pforzheim Stellung zu dieser Forderung. "Jüdische Studenten und Arbeitnehmer können ihren Glauben nicht leben, weil die Feiertagspraxis in Baden-Württemberg dies nicht vorsieht", kritisierte Beck. Das Tikvah-Institut wurde im Jahr 2020 während der Corona-Pandemie vom ehemaligen grünen Bundestagsabgeordneten Beck und der Journalistin Deidre Berger gegründet. Das hebräische Wort "Tikvah" bedeutet so viel wie "Hoffnung".

Es gehe darum, jüdisches Leben "nicht nur in Sonntagsreden" zu feiern, sondern "im Alltag zu schützen". Die Regelung der Feiertagspraxis ist Ländersache. Die Forderung nach rechtlichen Rahmenbedingungen für jüdische Feiertage war zuletzt auch Thema bei Veranstaltungen des Tikvah-Instituts in Hamburg und Nordrhein-Westfalen. Das Institut verstehe sich als "Scharnier zwischen Wissenschaft und Bildung im Bereich der Antisemitismusbekämpfung", heißt es auf dessen Homepage.

Der "Sabbat" ist im Judentum der siebte Wochentag, ein Ruhetag, an dem keine Arbeit verrichtet werden darf. Er beginnt am Freitagabend und dauert bis Samstagabend. "An diesem Tag dürfen wir nicht arbeiten und nicht schreiben", führte der Landesrabbiner Badens, Moshe Flomenmann, aus. Universitäten setzten Examenstermine oft ohne Ausweichtermin an Samstagen an, berichtete die Vizepräsidentin vom "Bund jüdischer Studierender Baden", Jana Kellermann. Jüdische Studierende verlören dadurch wertvolle Zeit. "Es geht nicht darum, bessere Bedingungen zu schaffen. Es geht nur um einen Ersatztermin", betonte Beck.

Ausgerechnet auf einen Samstag legen auch viele baden-württembergische Grundschulen die Einschulung der Erstklässler. "Ein Kind mit fünf, sechs Jahren fühlt sich dann ausgeschlossen von der Gesellschaft, wenn es eine staatliche Schule besucht", sagte Flomenmann. Dasselbe gelte für das Pessahfest, Chanukka oder Jom Kippur, das jüdische Versöhnungsfest. "Die Feste sind Teil unserer Identität", betonte der Rabbiner. In Baden-Württemberg sichert der Staatsvertrag zwischen dem Land und den jüdischen Gemeinden den Schutz der Glaubensausübung und jüdischen Feiertage. Es liegt im Ermessen jeder einzelnen Schulleitung, ob jüdische Kinder an den Feiertagen freinehmen dürfen. Einen Rechtsanspruch darauf haben sie nicht.

Konkret forderte Beck von den anwesenden Politikern, sich für Änderungen beim Feiertagsgesetz, dem Schul- und dem Hochschulgesetz stark zu machen. Eine Art "Wettbewerbsausgleich" hält er beim Ladenschlussgesetz für angebracht. "Wenn koschere Läden am Sabbat geschlossen sind und aufgrund des Verkaufsverbotes am Sonntag ebenfalls", hätten jüdische Geschäftsinhaber einen geschäftlichen Nachteil, merkte Beck an. Arbeitgeber sollten außerdem Arbeitnehmern für das "Schiwa"-Sitzen nach einem Todesfall im engeren Familienkreis Sonderurlaub gewähren. Die siebentägige Totenwache ist wie der "Sabbat" ein festes jüdisches Ritual. "Die Feiertagsheiligung ist im Judentum eine andere als im Christentum", begründete Beck seine Forderung.

Die Mitglieder des Landtags Baden-Württemberg, Christian Gehring (CDU), Andreas Kenner (SPD) und Timm Kern (FDP) waren sich in der Podiumsdiskussion parteiübergreifend einig, dass jüdische Feiertage mehr gewürdigt werden sollten. Sie seien "eine Bereicherung" und bauten "Vorurteile ab". Einsetzen für jüdische Feiertage sollten sich, so Kern, auch die christlichen Kirchen. Jüdische Feiertagspraxis gehe alle an, so der Katholik.