Berlin (dpa) - Dass die CDU die Oberbürgermeisterposten 2012 in Stuttgart und Frankfurt/Main, 2013 in Wiesbaden und 2014 in Düsseldorf verlor, tat der Partei schon weh. Aber richtig geschmerzt hat Hamburg. Dort büßten die Christdemokraten 2015 im Kampf gegen Regierungschef Olaf Scholz (SPD) noch einmal 6,0 Prozentpunkte ein und rutschten auf 15,9 Prozent ab. Großstadt und CDU - das ging für die konservativ-bürgerliche Partei in den vergangenen Jahren meist gründlich schief. In den zehn größten Städten Deutschlands stellt die CDU nur in Essen seit 2015 mit Thomas Kufen wieder einen Oberbürgermeister.
Der Großstadtbeauftragte der Unions-Bundestagsfraktion, Kai Wegner, wirkte nach Hamburg ein Stück ratlos. "Wir müssen uns fragen, haben wir die richtigen authentischen Köpfe in den großen Städten? Wir müssen uns auch überlegen, ob das Erscheinungsbild der CDU in den großen Städten so modern ist, wie wir gern wahrgenommen werden wollen", sagte er kurz nach dem Hamburger Desaster in einem ARD-Interview.
Nun steht die CDU in der Hauptstadt vor der nächsten Bewährungsprobe. Am 18. September wird ein neues Abgeordnetenhaus in Berlin gewählt - Wegners Heimat. Der 43 Jahre alte Bundestagsabgeordnete ist auch Generalsekretär der Berliner CDU. Er rührt für den CDU-Spitzenkandidaten und Innensenator Frank Henkel kräftig die Werbetrommel. Dieser gilt mit schlechten Beliebtheitswerten, magerer Beurteilung seiner Arbeit und Umfragewerten für die CDU zwischen 17 und 20 Prozent nicht gerade als wahrscheinlicher Wahlsieger.
Wegner steht zu seiner Aussage von 2015, dass die CDU in Städten teils andere Angebote machen müsse als in ländlichen Regionen. Das habe die Berliner CDU beherzigt. Das Wahlprogramm und dessen Präsentation - erstmals auch als Film, abrufbar in den sozialen Netzwerken - sei genau richtig für die Metropole Berlin, sagt der Großstadtbeauftragte. Die CDU besetze das Thema Sicherheit und Sauberkeit sehr gut. Auch die Betreuung der Kinder und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf werde groß geschrieben. Oder Verkehr: "Im Mobilitätskapitel unseres Wahlprogramms haben wir das Fahrrad ganz nach vorne gestellt, das gab es bei der Berliner CDU so noch nie", sagt Wegner.
Auf Spitzenkandidat Henkel lässt Wegner nichts kommen: "Frank Henkel ist mit Spreewasser getauft: Eine gute Voraussetzung, um als Regierender Bürgermeister von Berlin erfolgreich zu sein. Henkel hat eine Ost-West-Biografie, das Herz auf dem richtigen Fleck. Er passt zu Berlin wie die Faust aufs Auge."
Auch aus Sicht des Geschichts- und Kulturwissenschaftlers Paul Nolte hat sich die CDU im Land wie im Bund verändert, ist offener und liberaler geworden. Dafür stehe die CDU-Vorsitzende Angela Merkel. "Unter Merkel ist die CDU auch für jüngere Frauen, die früher nie CDU gewählt haben, eine Option geworden", sagt der Berliner Professor an der Freien Universität.
Die Erklärung, warum die CDU in Städten schlechter als auf dem Land abschneidet, gelte schon seit Jahrzehnten und sei auch keine deutsche Besonderheit, sagt Nolte. "In Großstädten sammelt sich eine jüngere, tendenziell linke, seit 1980 auch grün-linke Bevölkerung mit starkem ökologischem Bewusstsein, die der CDU nicht sehr zugeneigt ist."
Nach Ansicht des Historikers versucht Henkel in Berlin einen schwierigen Spagat, wenn er jetzt mit Forderungen wie nach einem Burka-Verbot und einem starken Staat der AfD Stimmen wegnehmen wolle. "In Berlin wäre es erfolgreicher, eine klare Kante für eine offene und liberale CDU zu zeigen. Sonst verliert Henkel das, was er vielleicht Richtung AfD gewinnt, gleich wieder in der Mitte."