Über 15 Meter hoch ist die Mantelmauer der Burg Dilsberg. Als Vorposten des kurfürstlichen Heidelbergs kontrollierte sie das Neckartal und den Kraichgau. Foto: Frenzel
Von Thomas Frenzel
Neckargemünd-Dilsberg. Dass sie im sogenannt "Königlichen Spiel" als die Bauern bezeichnet und als solche auch gerne für die "wichtigen" Offiziere geopfert werden, kommt nicht von ungefähr. Die Bauern sind im kriegerisch angelegten Schach die Verschiebemasse, wichtig zwar, aber vernachlässigbar in ihrem gesellschaftlichen Rang. Nicht viel anders verhielt es sich im Dreißigjährigen Krieg.
Nur weil das katholische Speyer seine leibeigenen Bauern schickte, gelang es Tilly und seinen bewaffneten Truppen, mit Heidelberg zugleich auch das geistige Zentrum des Protestantismus zu erobern. Ohne die Unterstützung dieser Speyerer Bauern war er zuvor am Dilsberg gescheitert.
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Tilly, Mansfeld, Cordoba, Wallenstein, Gustav Adolf und wie sie geheißen haben mögen - all diese "Feldherren" genannten Schlächter hatten sich vor rund 400 Jahren in der Region bei dem Gemetzel um die Macht in Europa die Klinke in die Hand gegeben. Entsprechend international ging es bei diesem religiös verbrämten Machtkampf zu. Protestantische Kurpfälzer und katholische Bayern massakrierten sich hier gegenseitig, Spanier, Franzosen, Engländer und Schweden mischten mit.
Leidtragend in diesem unübersichtlichen Hauen und Stechen war wie stets die Bevölkerung. Denn Plündern und Morden waren wesentliche Bestandteile der "Kriegskunst": Die Soldaten mussten ihren Sold selbst eintreiben. Menschenleben spielten da keine Rolle.
Das belegt der Fall Neckargemünds. Aus Richtung Mosbach kommend wollte Tilly auf seinem Marsch nach Heidelberg diesen Vorposten unbedingt nehmen. Vier Tage lang dauerte der Kampf, dann - am 14. April 1622 - war das protestantische Städtchen erledigt: Die katholischen Eroberer metzelten alles nieder.
Tilly höchstpersönlich soll darüber gewacht haben, dass niemand am Leben blieb. Als ihm dabei ein Soldat beichtete, dass er zwei kleine Kinder nicht habe umbringen können, weil sie ihn so unschuldig angelacht hätten, ließ er die Kinder auf den Marktplatz bringen und von einem seiner Offiziere erdolchen.
Diese Gräuel dürften den Dilsberger zu Ohren gekommen sein. Der dortige Kommandant Bartholomäus Schmid, der dem Heidelberger Befehlshaber Heinrich van der Merven unterstellt war, gab die Parole aus: Der Dilsberg werde sich "biß auf den letzten Bluts-Tropfen tapfer wehren".
Bemerkenswert: Im Stadtteil Dilsberg erinnert noch heute ein Straßenname an den Schlächter von Neckargemünd. Foto: Frenzel
Als Tilly am 16. April 1622 seine Truppen gegen das "Schloss Dils᠆perg" anrennen ließ, wurden sie zurückgeschlagen. Gemeinsam mit den Einwohnern gelang es der militärischen Garnison, die Angriffe abzuwehren. Selbst Bienenkörbe sollen die Verteidiger den Katholiken entgegengeschleudert haben.
Am 19. April 1622 zog Tilly aus Neckargemünd ab. Der Dilsberg war ihm nicht so wichtig. Tilly wandte sich wieder seinem Hauptziel zu: Heidelberg. Schon im Vorjahr hatte er die nördliche Neckarseite den Protestanten entrissen, jetzt wollte er den Heidelberger Süden erobern und verlagerte sein Hauptquartier nach Wies-loch.
Doch der Kampf um Neckargemünd und Dilsberg hatte Tilly zu viel Zeit gekostet: Eine protestantische Übermacht hatte sich zwischenzeitlich formiert und fügte ihm bei Mingolsheim eine schwere Niederlage zu. 2000 seiner 12.000 Männer wurden getötet. Tilly musste sich zurückziehen - vorübergehend.
Eine Tafel im Innenhof (H) der Feste Dilsberg zeigt den Grundriss der Burg, wie er auch im Dreißigjährigen Krieg noch Gültigkeit hatte. An die Obere Burg mit der erhaltenen Mantelmauer (L), dem Wohngebäude (A) und dem Amtshaus (B) schlossen sich Stallungen (E), Zehntscheuer (F) und Kaserne (G) an. Burggraben (I) und Außenmauer (K) schützten die Obere Burg in Richtung Dorf. Das Kommandantenhaus (D) entstand an Stelle eines Eckturms. Foto: FrenzelIm Juli 1622 kehrte der kaiserliche Heerführer zurück: Von Schriesheim kommend verlegte er sein Hauptquartier nach Leimen. Den Schwerpunkt seiner Infanterie konzentrierte er bei Rohrbach, die Kavallerie verteilte er in der Umgebung - in Wiesloch und Nußloch, in Eppelheim, Wieblingen und Schwetzingen. Von hier unternahm die Reiterei Beutezüge, die bis an den Bodensee führten. Sinn der Sache: Heidelberg wurde von seinem Umland abgetrennt.
Doch diese Belagerung führte für Tilly zunächst nicht zum gewünschten Erfolg. Erst als auf Tillys Ersuchen der Bischof von Speyer seine Bauern schickte und es mit deren Hilfe gelang, Geschütze nicht nur auf der Neuenheimer Neckarseite, sondern auch auf Königstuhl und Gaisberg zu postieren und von hier aus Stadt und Schloss zu beschießen, drehte sich das Blatt: Die Garnison unter dem Befehl des bereits erwähnten Heinrich van der Merven kapitulierte am 19. September 1622. Wenig später ergab sich auch der Dilsberg den Kaiserlichen.
Die wechselvolle Geschichte des Dilsbergs war damit aber keineswegs zu Ende. 1633 eroberten ihn die lutherischen Schweden, die Rückeroberung durch die katholischen Kaiserlichen erfolgte 1635. Und bei Kriegsende 1648 wurde der Dilsberg wieder an die Kurpfalz zurückgegeben.