Von Steffen Rüth
Große Balladen sind ihr Ding, die Britin Jessie J ihr großes Vorbild und persönliche Songtexte ein Muss. Zoe Wees, 18 Jahre jung aus Hamburg, ist auf dem besten Weg, Deutschlands nächster großer Pop-Export zu werden. Mit ihrer Debütsingle "Control" trat Zoe bereits in einer US-Late-Night-Show auf, und auch die neue, emotionale Power- und Bestärkungsballade "Girls Like Us" ist eine Wucht.
Zoe, vor einem Jahr kannte Dich noch kein Mensch. Wie ist das, die Karriere ausgerechnet während einer weltweiten Seuche zu starten?
Zoe Wees: Ich denke, es ist gerade deshalb vielleicht noch aufregender. Corona ist blöd für uns alle, aber für mich war es wie eine zusätzliche Herausforderung. Eine Challenge. Mir war klar: Ich lasse mich von Corona nicht stoppen.
Würdest Du Dich als ehrgeizig beschreiben?
Ja. Ich bin sogar sehr ehrgeizig. Ich gebe immer mein Bestes. Ich setze mir nicht so oft Ziele, aber wenn, dann will ich diese Ziele auch unbedingt erreichen.
Du hast eine tolle Stimme. Wem ist die zuerst aufgefallen?
Bei einem Schulauftritt hat mich einer unserer Lehrer sozusagen entdeckt. Jetzt ist dieser Lehrer mein Manager. Gemeinsam haben wir ein Team um mich herum aufgebaut, meine beiden Produzenten zum Beispiel sind Freunde von ihm. Wir haben vier Jahre lang zusammengearbeitet, bis wir uns sicher fühlten bei dem, was wir tun und "Control" rausbrachten.
Deine erste Single "Control" hält sich seit vielen Monaten in den Charts und wird im Radio rauf und runter gespielt. Was hast Du Dir bei dem Song überlegt?
Ich habe lange darüber nachgedacht, was für ein Lied ich als erstes veröffentlichen will. Irgendwann war mir klar, der beste und authentischste Weg für eine neue Künstlerin ist es, einfach ehrlich zu sein und zu sagen: Hey Leute, das bin ich und so bin ich. Also schrieb ich über meine Krankheit. Auch, um den Menschen da draußen zu sagen, ich kann euch mit meiner Musik stärker machen, weil ich selbst gelernt habe, wie ich stark sein kann.
Du hast als Kind an der Rolando-Epilepsie gelitten. Ist es Dir nicht schwergefallen, so offen mit der Krankheit umzugehen?
Nein, eigentlich nicht. Musik verbindet. Ich finde es nicht schwer, darüber zu reden. Aber noch schöner ist es, darüber zu singen.
Singst Du generell lieber als Du sprichst?
(lacht) Ja. Viel lieber. Ich bin ziemlich ruhig. Ich rede gar nicht so gerne. Am liebsten bin ich im Studio oder in meinem Zimmer und arbeite an meiner Musik.
Lebst Du noch bei Deiner Mutter?
Ja, meine Mutter ist voll happy für mich. Sie ist ein Teil vom Team, unser Kontakt ist sehr eng und sehr gut.
Deine Form der Epilepsie tritt in der Regel bei Kindern auf und verschwindet in der Pubertät. Wusstest Du, das geht eines Tages vorüber?
Ich habe schon gedacht, dass die Krankheit irgendwann vorbei ist, aber ich habe nicht gedacht, dass ich es schaffen werde. Das war wirklich eine schlimme Zeit, und wenn man sich nicht richtig verständlich machen konnte, was in einem vorging, war das schon sehr hart. Glücklicherweise hatte ich ein sehr tolles Verhältnis zu meiner Grundschullehrerin. Sie hat sich sehr viel Zeit für mich genommen, ich konnte sie immer anrufen. Ohne meine Lehrerin hätte ich das alles nicht so gut überstanden.
Du singst "Ich will die Kontrolle nicht verlieren". Geht es da nur um die Krankheit oder generell um Deine Angst vor Kontrollverlust?
Mir ging es speziell um die Anfälle, die ich immer hatte und gegen die ich machtlos war. Aber der Text ist bewusst so geschrieben, dass sich auch andere Leute damit identifizieren können. Die Kontrolle kannst du ja überall verlieren, im Alltag, beim Ausgehen, in der Liebe.
Du hast 2017 an der Castingshow "The Voice Kids" teilgenommen. War Dir mit 15 schon klar, dass Musik Dein Beruf werden soll?
Ja. Meine Mutter hat mir immer gesagt: Zoe, mach nichts, was du nicht machen möchtest! In der Schule habe ich alles gegeben, aber ich war nie besonders gut und habe sie immerhin mit einem Abschluss verlassen. Während ich mit dem Team an meiner Musik arbeitete, habe ich mit 16 noch nebenbei in einer englischsprachigen Kita gearbeitet. Das war richtig cool, aber die Musik war mir doch wichtiger.
Du singst auf Englisch, und man hört praktisch keinen Akzent. Ist Dir wichtig, Deine Karriere international anzulegen?
Ja, absolut. Deutschland ist cool, aber Deutschland ist viel zu klein. Ich fände es schade, wenn du die ganze Welt erreichen kannst und es dann nicht probierst. Mir gefällt es auch, wenn man nicht gleich weiß und hört, dass ich aus Deutschland komme.
Du bist vor kurzem mit "Control" – gefilmt im leeren Deutschen Schauspielhaus in Hamburg – in der "Late Late Show" von James Cordon aufgetreten, hast mit Sam Smith einen Auftritt in den Londoner Abbey Road Studios gehabt, die Kollegen Ed Sheeran und Lewis Capaldi sind erklärte Fans Deiner Musik. Wie ist das so für Dich?
Naja, total crazy halt (lacht). Ich finde es fantastisch, wenn mich solche tollen Künstler, die schon lange dabei sind, viel arbeiten und viel erreicht haben, für meine Songs feiern. Das ist Zuspruch von Menschen, die wirklich was von der Sache verstehen.
Wie schon "Control" ist auch Deine neue Single "Girls Like Us" wieder sehr persönlich, oder?
Auf jeden Fall. Ich werde niemals einen Song schreiben, in dem es um etwas geht, das ich nicht selbst durchgemacht habe. Wenn ich etwas nicht fühlen kann, dann kann ich es auch nicht ehrlich rüberbringen. Ich versuche, mit meinen Geschichten anderen Leuten Hoffnung und Zuversicht zu geben. Ich benutze meine Musik, um den Menschen zu sagen: Ihr seid nicht allein. Auch, wenn es euch gerade mies geht – das Gute kommt noch.
Welche Botschaft steckt in "Girls Like Us"?
Jeder Mensch ist schön. Allerdings ist es oft schwer, seine eigene Schönheit zu erkennen, wenn alle anderen scheinbar viel schöner sind und ein perfektes Leben haben. Die Mädchen, die sich in den sozialen Medien ständig super sexy und super gut aussehend präsentieren, setzen einen ständig unter Druck und verstärken mögliche negative Gefühle, die man gegenüber seinem eigenen Aussehen hat. Aber selbst die coolsten Influencerinnen gehen in einem abgewetzten Schlafanzug ins Bett und wachen mit wirr abstehenden Haaren auf (lacht).