Auf dem Highway donnern die Lastwagen entlang. Doch ein paar Kilometer von der Hauptstraße entfernt ist es so leise, dass man seinen eigenen Atem hört. In Suan Mohk, einem Kloster in der Nähe Thailands lebhafter Stadt Surat Thani, können Meditationsanfänger unter fachkundiger Anleitung ihr Leben ändern. Zehn Tage geht es um Stille, die Erforschung des wahren Ichs und immer wieder um Meditation, eine bewusste Atmung und die Lehren des Buddhismus. Ein Alleinsein mit sich und der Ruhe ist für viele ein Ansatz das Leben neu zu gestalten oder das bisherige bewusster zu leben.
Die Holztür öffnet sich mit einem leisen Quietschen. In der Kammer steht ein Bett aus Beton mit einem Holzkissen am Kopfende. Um das Hinlegen ein wenig zu versüßen, liegt auf dem harten Untergrund eine wenige Millimeter dünne Bambusmatte. Schon beim Anblick schmerzt der Rücken. Einen Ventilator gibt es - trotz der heißen Jahreszeit - nicht. Oberstes Gebot des zehntägigen Aufenthaltes ist Schweigen und ein Leben ohne Luxus. Ohne fließend Wasser, technische Geräte, Bücher oder Schmuck. Außerdem lernen die Besucher - zumindest in der Theorie - wie man Skorpione oder giftige Tausendfüßler fängt. Für etwaigen Schlangenbesuch darf man Hilfe holen. In Aussicht gestellt wird der Hauptgewinn: ein glücklicheres und zufriedeneres Leben.
Schließlich kommt der Moment, auf den die Kurzzeitnonnen und -mönche warten und gleichzeitig ein wenig fürchten. Von einem sehr asketisch lebenden jungen Mann folgt die Aufforderung, nun die ruhige Welt zu betreten: "May the silence now begin", sagt er mit leiser, sanfter Stimme. Möge die Stille beginnen. Wo eben noch aufgeregt Geschichten und bisherige Erfahrungen ausgetauscht wurden, breitet sich Stille aus. Lediglich die leise schmatzenden Geräusche von Flip Flops, deren Besitzer in ihre Zimmer laufen, sind zu hören.
Der erste Tag beginnt um vier Uhr. Zuerst dumpf und schließlich in drängendem Crescendo klingelt der Gong alle von ihren harten Pritschen. Kurz darauf sind sie in der Meditationshalle versammelt und lauschen den Einführungen in Meditation, empfohlenen Sitzhaltungen und Atemtechnik. Durch das sogenannte "anapanasati" (achtsame Atmung) sollen Körper und Geist ruhig werden und der Meditierende sich von Gedanken an Vergangenheit und Zukunft lösen. Ziel ist es, sich nur auf die Atmung zu konzentrieren, und etwaige auftretende Gedanken wieder gehen zu lassen. Eine in Suan Mohk empfohlene Technik ist die sogenannte "Verfolgungstechnik", bei der der Meditierende seinem Atem gedanklich hinterherläuft. Oder wie Mönch Tan Mehdi, ein Ausbund an Witz und Lebensfreude, es in einer weiteren Sitzung beschreibt: "Ihr klettert auf den Baum, um eine Kokosnuss zu pflücken und klettert dann mit ihr wieder hinunter." 100 Leute sitzen auf ihren Kissen und dem Sandboden, lauschen Tan Mehdis Worten und ernten in Gedanken in ihren Luftröhren Kokosnüsse, um ihre Meditation zu perfektionieren.
Nach einigen Tagen, vielen Stunden bewussten Atmens und einer Welt ohne jegliche Ablenkung melden sich erste Zweifel. Die Gesichter der anderen lassen ahnen, dass sie sich ebenfalls fragen, was sie hier eigentlich machen. Ob die Meditation ein probates Mittel ist, ihr Leben zu ändern.
Auch die Dauer der Meditation steigt schrittweise an und verlangt von ungelenkigen Körpern viel Durchhaltevermögen. Bis zum Ende des Kurses werden gut ein Drittel Teilnehmer weniger auf den Kissen sitzen. Aber die Vortragenden ermuntern die Gebliebenen immer wieder, bis zum Ende durchzuhalten.
Doch vor dem stolzen Gang aus dem Kloster müssen noch einige Proben bestanden, Gedanken losgelassen und Muskeln und Knochen an das Meditieren gewöhnt werden. 17-Stunden-Tage mit elf Stunden Meditation und Buddha-Vorträgen sind eine schwere Aufgabe. Vor allem wo nach all der Ruhe am neunten Tag die Gesänge einer etwas entfernten Karaoke-Party vom Wind zum Kloster getragen werden, was die bewusste Atmung nicht eben erleichtert.
Aber nach den zehn Tagen sind sich alle einig: Das Durchhalten hat sich gelohnt. "Ich habe Antworten gesucht und gefunden", berichtet eine Teilnehmerin aus Kanada. "Ich fühle mich viel ruhiger und entspannter als vor meiner Ankunft", setzt eine andere fort. Die meisten Teilnehmer sind wild entschlossen, künftig auch weiter zu meditieren.
Was tatsächlich außerhalb der Mauern von Suan Mohk passiert, wird dann die Zukunft zeigen. Aber die sollte von nun an möglichst Atemzug für Atemzug gelebt werden ...