Kontrollverlust

17.04.2018 UPDATE: 17.04.2018 06:00 Uhr 1 Minute, 1 Sekunde

Kontrollverlust

Ein Kommentar von Matthias Roth

Für Platon war Musik gefährlich. Er wollte sie sogar verbieten, weil er befürchtete, das Volk könne damit zur Rebellion angestachelt werden. Die Rapper Kollegah und Farid Bang wollen keine Revolte. Sie wollen Kohle, Cash, Schotter. Dazu ist ihnen jedes Mittel recht.

Ihre Texte, auch die des jetzt mit dem Echo-Preis ausgezeichneten Albums "Jung Brutal Gutaussehend 3", sind gewaltverherrlichend, sexistisch, frauenverachtend und auch rassistisch gegen jeden, der nicht zu ihrem Fankreis gehört. Das alles ist kein Geheimnis: Auf "Genius.com" kann man sie lesen. Dabei gehen diese "Lyrics" stets am Rand der Legalität spazieren, sie brechen Tabus aus Prinzip, provozieren gezielt und tummeln sich bewusst in trüben Tümpeln. So sprechen sie eine Klientel an, die auf guten Geschmack pfeift und genug Geld hat, um es hier auszugeben.

Davon kann man halten, was man will. Die Frage ist: Kann es sich die Deutsche Musikindustrie leisten, den dunklen Erfolg solcher kommerziell ausgerichteten Provokateure mit einem Ehrenpreis zu vergolden? Igor Levit legte den Finger auf die Wunde: Sollte einer der großen deutschen Musikpreise überhaupt allein nach Kriterien des zahlenmäßigen Erfolgs vergeben werden? Oder sollte nicht - wie im Klassik- oder Jazz-Bereich - eine Jury die Kontrolle darüber behalten, was im Namen der Deutschen Phono-Akademie (!) als bester Beitrag des Musikjahres gekürt wird?

Viele Künstler geben nun ihre Trophäen zurück: Sie setzen ein Zeichen gegen den Kontrollverlust einer Branche, der unter dem Deckmantel künstlerischer Freiheit der kommerzielle Erfolg über jeden moralischen Einwand geht. Sie täte gut daran, ihre Regularien zu ändern, sonst könnte es sein, dass Phono-Akademie dereinst Preise vergibt, die keiner haben will.