Hintergrund - Heidelberg ist nicht allein

Auch in anderen Städten gibt es Probleme mit Erstsemestern

11.10.2018 UPDATE: 11.10.2018 20:55 Uhr 1 Minute, 4 Sekunden

hö. In Göttingen wächst der Frust: Dort nennt man die ersten Tage der "Studienfrischlinge" Orientierungsphase - und die waren für die Göttinger hart. Es kommt zu Massenbesäufnissen, regelmäßig landen Erstsemester mit Alkoholvergiftungen in der Notaufnahme. "Ballermann zum Studienstart" nannte die Hannoversche Allgemeine Zeitung die Zustände. In fast allen Unistädten häufen sich die Klagen über wüste Gelage zu Semesterbeginn. Aus Städten mit Fachhochschulen hört man solches weniger.

Immer wieder kommen diese Meldungen ausgerechnet aus dem eher braven Göttingen. Bereits vor fünf Jahren fürchtete die Unispitze um den Ruf der niedersächsischen Alma Mater und bat die Tutoren, mäßigend auf die Erstsemester einzuwirken. Damals beobachtete man: Die "Erstis" treffen sich zu den Stadtrallyes, auf denen sie sozusagen saufend die Stadt erkunden. Das Phänomen schrie nach einer wissenschaftlichen Aufarbeitung: Vor dreieinhalb Jahren analysierten sechs Kulturanthropologen, Geschlechterforscher und Ethnologen das Verhalten der jungen Leute. Ihre Studie trug als Titel das Zitat eines der befragten Studenten: "Aber scheiß drauf, Orientierungsphase ist nur einmal im Jahr!"

"Ausgeprägtes Macker-Gehabe"

Zwischen den Fakultäten gab es erhebliche Unterschiede, dabei verglichen die Autoren Physiker mit Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlern. Während die Naturwissenschaftler vergleichsweise wenig tranken, ließen es vor allem die VWLer und BWLer krachen - unter Aufsicht ihrer Tutoren, die sogar richtige Initiationsrituale pflegten. Die Studie berichtet von "allgegenwärtiger Sexualisierung und ausgeprägtem Macker-Gehabe". Ein Wettbewerb bestand darin, dass "fünf mutige Mädels" sich auf den Boden legten, während "fünf starke Männer" über ihnen Liegestützen machten: "Inszenierungen einer prolligen Männlichkeit" nennen das die Autoren. Und vor allem: Wer nicht mittrinke, herumgröle und diesem Männerbild nicht entsprechen wolle, habe schlechte Karten - denn er würde ausgegrenzt.