Hintegrund Kommentar Neckarwiese Altstadt

11.07.2021 UPDATE: 11.07.2021 06:00 Uhr 1 Minute, 15 Sekunden

Sebastian Riemer über einen Samstagabend in der Altstadt

Fünf Stunden als Reporter auf der Neckarwiese und in der Altstadt: Das ist nur ein kleiner Einblick in die Problemlage "Krawall und Remmidemmi". Dennoch fällt einiges auf, als Erstes: Noch vor zwei Jahren waren diese Massen an 15- bis 20-Jährigen abends nicht in der Altstadt. Dass diese Altersgruppe nun nachts den Bereich um Untere Straße und Alte Brücke dominiert, ist ein neues Phänomen – und wohl Corona geschuldet.

Am wichtigsten aber ist: Das junge Partyvolk ist keine homogene Masse. Da gibt es die vielen völlig Harmlosen, die nur ein wenig feiern wollen, sich nicht ins Koma saufen – und die gehen, wenn es Stress gibt. Dann gibt es diejenigen, die über die Stränge schlagen (wollen), die viel zu viel trinken – und dann manchmal etwas Dummes tun. Diese Gruppe ist groß, aber sie sind keine Intensivtäter. Mit ihnen kann man sprechen, man kann ihnen Angebote machen. Ihre Vorgängergeneration – vor Corona – ging in Clubs wie die Halle 02. Dort wussten sie: Wenn ich es übertreibe, fliege ich raus. In den Gassen der Altstadt ist das anders.

Schließlich gibt es jene, die Ärger suchen, auch mit der Polizei, die randalieren, sich prügeln wollen. Wie hoch der Anteil dieser Klientel ist, ist schwer zu beurteilen. Sicher ist: Diesen Störern kommt man mit netter Ansprache und Alternativangeboten nicht bei.

Was es braucht, ist eine differenzierte Antwort: Verbote und hohe Polizeipräsenz können helfen, Eskalationen kurzfristig zu verhindern und den Krawalltouristen Grenzen aufzuzeigen – das hat dieses Wochenende funktioniert. Mittelfristig aber ist die Lage nur zu befrieden, indem man das Bedürfnis junger Menschen, ausgelassen zu feiern, anerkennt – und dafür Freiräume anderswo in Heidelberg schafft. Das können Clubs sein, aber auch Open-Air-Partys.

Noch ein Wort zur Polizei: Die Beamten agierten am Samstag geschickt, geduldig und deeskalierend. Viele von ihnen wissen genau, wie sie die jungen Leute ansprechen müssen. Die simplen Feindbilder greifen einfach nicht: Weder sind die Polizisten rücksichtslose Scharfmacher, noch alle jungen Feierwütigen asoziale Schläger.