St. Leon-Rot/Kronau. (seb) Die Mehrzweckhalle Kronau füllte sich mit mehr als 600 Interessierten aus St. Leon-Rot, Kronau, Waghäusel, Bad Schönborn und umliegenden Orten, als Verantwortliche und Fachleute über den geplanten "Windpark Lußhardt" informierten. Die Stimmung war angespannt, eindeutig waren die Windpark-Gegner in der Überzahl und machten ihrem Unmut teils lautstark Luft.
Eingeladen hatten die Bürgermeister Frank Burkard (Kronau), Klaus Detlev Huge (Bad Schönborn) und Dr. Alexander Eger (St. Leon-Rot). Auf dem Podium waren Dr. André Baumann, Staatssekretär im Umweltministerium Baden-Württemberg, Simon Schunter von Wircon, Mutterkonzern der Wirsol Windpark Lußhardt, die die zehn Windräder errichten möchte, Armin Gabler vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und Pia Hilswicht aus St. Leon-Rot, Sprecherin der Bürgerinitiative Gegenwind Lußhardt. Auskunft gaben ferner Joachim Schneider (Landratsamt Karlsruhe), Susanne Alte (von Wircon beauftragte Planungsfirma Altus) und Geologe Egbert Adam. Dr. Christoph Ewen vom Forum Energiedialog des Landes Baden-Württemberg moderierte mit seinem Team, brachte Struktur in den Austausch und Mäßigung, wenn die Emotionen hochschlugen.
Die Befürworter wurden teils sehr hart angegangen, ungläubiges Lachen, Buh-Rufe und Pfiffe quittierten Aussagen von Baumann und Schunter, die Vorwürfe reichten von ausweichenden Antworten bis hin zur Lüge. Auch der BUND wurde kritisiert, da von ihm offenbar härtere Kritik am Windpark erwartet worden war. Jedoch gab es auch Unterstützung für den Windpark und den Windkraft-Ausbau generell, die Anklage der Doppelmoral, zwar die Energiewende zu wollen, aber nicht vor der eigenen Haustür, und Kritik an der Bürgerinitiative.
Bürgermeister Burkard begrüßte die Anwesenden und betonte, die Bevölkerung hätte das Recht gehabt, früher umfassend informiert zu werden: "Alle Fragen müssen öffentlich beantwortet werden." Über fast vier Stunden hinweg wurden tatsächlich zahlreiche Fragen gestellt (siehe Hintergrund). Nicht alle konnten zur Zufriedenheit beantwortet werden, viele Details, so Simon Schunter, müssten durch Fachgutachten geklärt werden, die derzeit finalisiert würden.
"Ich halte es für falsch, mit einem nicht zu Ende gedachten Projekt unsere Heimat zu zerstören": Bürgermeister Eger übte scharfe und drastisch formulierte Kritik am Windpark. Die Region sei bereits ein "hochbelasteter Industrieraum". Als Vorsitzender des Wassergewinnungszweckverbands Hardtwald (WGZ) gab er vor allem der erheblichen Sorge ums Trinkwasser für Malsch, Mühlhausen, Rauenberg und St. Leon-Rot Ausdruck. In direkter Nähe des Windparks werde "Trinkwasser für über 30.000 Einwohner" gewonnen, das durch Bau und Betrieb der Windräder beeinträchtigt werden könnte. Zudem werde "ein Naherholungsgebiet durchlöchert".
"Wir sind am Anfang eines Marathonlaufs", betonte André Baumann, dass man auch auf lokaler Ebene "Verantwortung für den Klimaschutz" übernehmen müsse und "dazu gehört der Ausbau der erneuerbaren Energien". Auch hierzulande sei der Klimawandel angekommen, erinnerte er an Trockenheit und Hitzeextreme der letzten beiden Sommer. Für unseren Energiebedarf brauche es sicher den Ausbau der Fotovoltaik, aber auch den der Windkraft. Der Wald leide, so Baumann: Die Kosten des Klimawandels und seine Folgen für die Natur seien schlimmer als der Ausbau der erneuerbaren Energien.
Joachim Schneider informierte über das Genehmigungsverfahren, das laut Wircon wohl Anfang nächsten Jahres beginnt und mindestens zwölf Monate dauert. Schneider hob Umfang und Gründlichkeit hervor, Einwendungen würden berücksichtigt, Kompromisse gesucht. Sein Tipp: die Internetseite der Gewerbeaufsicht mit einem "Themenportal Windenergie".
Einzelheiten zum geplanten Windpark nannte Simon Schunter: "Wir halten uns streng an die gesetzlichen Vorgaben", der Abstand zu den Ortschaften sei mit über 1000 Metern sogar höher als gefordert. Zudem brauchten die ausgewählten Windräder weniger Raum als vergleichbare. "Unser Ziel ist, die Flächen maximal auszunutzen", das habe natürlich wirtschaftliche Gründe. Er räumte ein, dass es sich um einen "Schwachwindstandort" handle. "Die Wasserschutzzone haben wir von Anfang an berücksichtigt", so Schunter weiter, man halte "ausreichend Abstand" zu den WGZ-Brunnen.
Man setze sich durchaus für erneuerbare Energien ein, erklärte Pia Hilswicht, "aber im Einklang mit Mensch, Natur und Tierwelt". Der Windpark ergebe an diesem Schwachwindstandort keinen Sinn, sagte sie. Zudem müsse die Reinheit des Trinkwassers Vorrang haben, verwies sie auf die Gefahr von Havarien. Und was, wenn der WGZ weitere Brunnen benötige? "Dann stehen da Windräder." Ein Wald sei ein CO2-Speicher und Lebensraum, es dauere Jahrzehnte, bis neu aufgeforstete Wälder die Größe der alten erreichten. Durch die Windräder "werden Mensch und Tier gestört und gefährdet". Ihre Forderung nach "dem sofortigen Stopp des Verfahrens" bekräftigte Hilswicht durch 2900 gesammelte Unterschriften.
Die Bedeutung des Klimaschutzes betonte auch Armin Gabler vom BUND: "Wir müssen handeln." Mit Blick auf die Kritik an den Rodungen mahnte er: "Sonst ist der Wald ganz weg, den wir eigentlich schützen wollen." Er forderte: "Wir brauchen mehr Windanlagen in Baden-Württemberg", der Schutz der Tiere sei damit vereinbar. Zwar sei ein Wald "kein Lieblingsstandort für uns Umweltschützer", aber in einer derart dicht besiedelten Region gebe es "fast keine Alternativen". Auch im Lußhardtwald "können wir uns grundsätzlich Windanlagen vorstellen", so Gabler, das Verfahren wolle man eng begleiten und prüfen.
"Ich sage Ja zu den Windrädern", lautete das Schlusswort von Bürgermeister Huge, der sich über die umfassenden Informationen in der "sehr emotionalen Debatte" an diesem Abend freute.
Fragen zum Windpark Lußhardt
> Maße und Leistung: Die zehn geplanten Windkraftanlagen haben laut Simon Schunter eine Nabenhöhe von 164 Metern und erreichen inklusive Rotor eine Gesamthöhe von fast 240 Metern. Ihre Leistung liegt bei jeweils 4,5 Megawatt, insgesamt könnte der Windpark 74 Millionen Kilowattstunden pro Jahr bringen, das ist rechnerisch genug, um 21.000 Haushalte mit Strom zu versorgen und spart Schunter zufolge 50.000 Tonnen CO2 pro Jahr. Ausgelegt sind die Anlagen auf eine Betriebsdauer von 20 Jahren. Die Fundamente sind 3,5 Meter tief und haben einen Durchmesser von 26 Metern, erklärte Susanne Alte. Nach aktuellem Stand, so Schunter, komme man ohne "Pfahlgründung", also tiefere Eingriffe in den Boden aus. Der Untergrund sei fest genug, sagte auch Egbert Adam. Auf Zweifel an der Standsicherheit erwiderte man, dass ähnliche Windanlagen auch schwachen Erdbeben, die in der Region durchaus vorkommen können, oder Orkanen widerstanden hätten.
> Wieso dieser Standort? "Wir haben nicht mehr Raum für den Windpark", sagte Simon Schunter mit Blick auf die Windenergie-Zonen, die die beteiligten Gemeinden ausgewiesen hatten. Die Abstände zur Bebauung seien vorgeschrieben. André Baumann ergänzte, dass Baden-Württemberg reich an Wald sei, über 30 Prozent betrage der Anteil an der Landesfläche, da sei es unausweichlich, dass solche Projekten auch in Wäldern entstehen.
> Folgen einer Havarie: Gefährdungen von Wald und Grundwasser sind nicht völlig auszuschließen, aber selten, sagte André Baumann. Da werde sehr genau geprüft. 1000 Liter Kühlungs- und Schmierstoffe - "aber nicht alle wassergefährdend" enthalte ein Windrad, erklärte Roland Buschhaus von der Herstellerfirma. Für den Störfall gebe es Auffangvorrichtungen. "Wir spielen alle Notfall-Szenarien durch", erklärte Egbert Adam, für die Genehmigung seien diverse Risikoanalysen notwendig. Es gebe eine Sicherheitszone um jedes Windrad zum Schutz des Waldes. Und da man die Boden- und Grundwassereigenschaften ermittle, könne man rechtzeitig reagieren, wenn Schadstoffe hineingelangten. Durch "Absperrbrunnen" etwa könne das Grundwasser saniert werden, so Adam. Außerdem gebe es ein Brandschutzkonzept, ergänzte Susanne Alte. Ein so hohes Windrad könne keine Feuerwehr löschen, es müsse kontrolliert abbrennen. Die Auswirkungen könne man aber im Griff behalten, geplant seien auch Schulungen für die Feuerwehren, um nur Wasser zu verwenden, keine eventuell schadstoffhaltigen Löschmittel. André Baumann schloss: "Im Vergleich zu Atom- und Kohlekraftwerken wie in Philippsburg und Mannheim sind die Gefahren durch Windräder homöopathisch."
> Wirtschaftlichkeit: "Es weht hier kein Wind" lautete ein Kritikpunkt. Aber: "Wir wollen Geld verdienen", sagte Simon Schunter. Ein Jahr der Messungen habe ergeben, dass der Windpark sich lohne. Am Boden sei der Wind vielleicht nicht spürbar, aber in über 160 Metern Höhe erreiche er im Schnitt 5,6 Meter pro Sekunde. Und für solchen "Schwachwind" seien die ausgesuchten Windräder entwickelt. Windparks entstünden nur, "wo Wind weht", betonte André Baumann. Schunter ergänzte auch, dass man keine staatlichen Subventionen erhalte, nur der tatsächlich ins öffentliche Netz eingespeiste Strom werde vergütet.
> Aufforstung: 6500 Quadratmeter Freifläche muss um jedes Windrad geschaffen werden, erläuterten Susanne Alte und Simon Schunter. Für den Bau selbst werden zunächst sogar 10,5 Hektar Wald gerodet, vier Hektar davon sollen vor Ort wieder renaturiert werden. Die 6,5 Hektar dauerhaft gerodeten Walds müssen "eins zu eins", so das Gesetz, aufgeforstet werden. Aber: Susanne Alte konnte nicht sagen, wo genau die neuen Bäume gepflanzt werden, "wir suchen mit Hochdruck Flächen in der Nähe". Man nehme "viel Geld in die Hand", um über fünf Jahre hinweg sicherzustellen, dass genug Setzlinge überleben: "Den Erfolg müssen wir garantieren." Aus dem Publikum kam der Hinweis, dass der Windpark den Berechnungen nach ein Vielfaches von dem CO2 einsparen könnte, das ein Wald auf der gleichen Fläche speichere.
> Haftung: Bei Insolvenz des Betreibers greift laut Simon Schunter die bei den Genehmigungsbehörden hinterlegte Bürgschaft, damit auch die Entsorgung der Windanlagen finanziert ist. Weitere Fragen betrafen Gefahren durch Infraschall, den Schattenwurf der Windräder und die Beteiligung der Bürger. Neben Argwohn gegenüber der Neutralität der Gutachter gab es auch Kritik an der Bundespolitik und der Energiewende generell.