Der Bahnhof Wiesloch-Walldorf soll künftig von noch mehr Pendlerinnen und Pendlern genutzt werden. Damit diese vom Auto auf die Bahn und andere umweltfreundliche Verkehrsmittel wechseln, plant man ein Reallabor. Foto: Jan A. Pfeifer
Von Hans-Dieter Siegfried und Timo Teufert
Walldorf/Wiesloch. Gemeinsam wollen Wiesloch und Walldorf etwas gegen den Verkehrskollaps tun: Weil drei Viertel der täglich rund 31.000 Einpendler in den Wirtschaftsraum Wiesloch-Walldorf mit dem Auto zum Arbeitsplatz fahren und es mit der Umsetzung des HDM Digital Campus of Things noch mehr werden, will man versuchen, dass mehr Menschen auf den Nahverkehr, das Fahrrad oder Fahrgemeinschaften umsteigen. Helfen soll dabei ein Reallabor für vernetzte nachhaltige Pendlermobilität. Dafür haben am Dienstag und Mittwoch die beiden Gemeinderäte grünes Licht gegeben. Wird das Projekt in den Landeswettbewerb für Regionale Wettbewerbsfähigkeit durch Innovation und Nachhaltigkeit ("Regio Win 2030") aufgenommen, könnten die geplanten Projekte rund um den Bahnhof Wiesloch-Walldorf mit zwölf Millionen Euro gefördert werden.
"Mit dem Reallabor wollen wir versuchen, dass die Aus- und Einpendler auf nachhaltige Verkehrsträger umsteigen", sagte Walldorfs Stadtbaumeister Andreas Tisch. Dazu zählten die Schaffung von Infrastrukturen, die Förderung eines nachhaltigen Mobilitätsbewusstseins und die Entwicklung neuer Mobilitätsangebote und Technologien. "Wiesloch und Walldorf sind der logische Kern eines regionalen Mobilitätsnetzes. Wir sind die Spinne im Netz", sagte Bürgermeisterin Christiane Staab.
"Die Region Wiesloch-Walldorf mit ihrer gigantischen Wirtschaftskraft und gleichzeitig gigantischem Verkehrsaufkommen ist prädestiniert dafür, Mobilität neu zu denken", sagte Gerhard Baldes (CDU). Es gebe kaum eine andere Region in Deutschland, in der man kompakter und unmittelbarer die Auswirkungen neuer Modell untersuchen kann. Hinter den Bausteinen des Reallabors stecke jede Menge Potenzial, so Baldes. Vor dem Hintergrund der Fördermittel erschienen die Chancen größer als mögliche Risiken. Auch die SPD sieht eine große Chance, mit der Vision am Landeswettbewerb teilzunehmen. "Es geht darum, mit einem Rundum-sorglos-Paket klimaschonend zu agieren", erklärte Andrea Schröder-Ritzrau (SPD). Sie machte es am Beispiel von Hans aus Heidelberg deutlich: "Er kommt morgens mit der S-Bahn und sein Smartphone sagt ihm schon in St. Ilgen: Die Bahn hat Verspätung und der Bus in Wiesloch ist schon weg." Aber weil Hans immer das CO2-freundlichste Angebot wähle, habe die App schon ein Leihfahrrad von VRN-Nextbike reserviert. "Abends nach der Arbeit zurück am Bahnhof greift Hans noch ins Depot, in dem ein regionaler Anbieter auf digitale Bestellung einen Kürbis und einen neuen Wein fürs Abendessen deponiert hat", schildert Schröder-Ritzrau die Vision. Echtzeitinformationen seien dabei von zentraler Bedeutung. "Wir brauchen solche Leuchttürme, die Lust auf Zukunft machen", so die Stadträtin. Dass der Antrag zum Erleben erweckt wird, darauf hofft auch die Grünen-Fraktion. Dagmar Criegee (FDP) lobte das durchdachte Konzept, das die verschiedenen Verkehrsmittel berücksichtige.
Während in Walldorf der Beschluss, dem Zweckverband Metropolpark Wiesloch-Walldorf die Projektträgerschaft zu übertragen und mit dem Projekt beim Landeswettbewerb teilzunehmen, einstimmig viel, gab es in Wiesloch mehr Diskussionen: Das Gremium entschied sich mit 16 Ja-, acht Nein-Stimmen und einer Enthaltung aber ebenfalls für die Beteiligung.
Oberbürgermeister Dirk Elkemann kommentierte die Entscheidung als eine Chance, die Attraktivität für Wiesloch zu steigern. "Wir können uns zudem als Kommune überregional mit Innovationen präsentieren und Werbung in eigener Sache betreiben". Zuvor hatte Danyel Atalay, Leiter der Stabsstelle Wirtschaftsförderung beim Rhein-Neckar Kreis, das Projekt nochmals vorgestellt. Zwar liege noch kein ausgereiftes Konzept vor, jedoch sei es wichtig, bei einem solch zukunftsorientierten Projekt dabei zu sein. "Wir sollten Themen der Mobilität nicht Dritten überlassen, sondern selbst aktiv werden. Der Rhein-Neckar Kreis wird dies unterstützen", kündigte er an. Es sei jetzt an der Zeit, Infrastrukturen zu schaffen und einen Grundstein für ein anderes Mobilitätsbewusstsein zu initiieren. Die Kosten, so Atalay, würden sich für die beiden Städte auf jeweils etwa 517.000 Euro, verteilt auf fünf Jahre, belaufen. Diesen Ausgaben stünden jedoch hohe Förderungen bis zu zwölf Millionen Euro entgegen.
Zustimmung gab es seitens der CDU, von den Freien Wählern und der Fraktionsgemeinschaft WGF und AWL. "Trotz Bedenken im Vorfeld haben wir uns nach interner Diskussion dafür ausgesprochen", sagte Markus Grimm (CDU) und auch Fritz Zeier (Freie Wähler) signalisierte Zustimmung, denn die Präsentation "hat begeistert". Ähnlich äußerte sich auch Stefan Seewöster (WGF/AWL).
Dennoch gab es kritische Stimmen zu dem Projekt: "Aus unserer Sicht sind die Kosten in Relation zum angestrebten Ziel zu hoch", so Marion Schmidt (Grüne). Das Konzept wirke aus Sicht der Fraktion nicht überzeugend genug, denn es fehle die Einbeziehung des Umlands, das in die Finanzierung mit aufgenommen werden müsse. Wie Fraktionskollegin Katharine Ebbecke ergänzte, seien bestimmte, kleinere Dörfer überhaupt nicht mit einbezogen worden.
Klaus Rothenhöfer (SPD) bezweifelte, ob es tatsächlich bei den 517.000 Euro als Beteiligung für Wiesloch bleiben werde. In der Vorlage sei zunächst von 408.000 Euro gesprochen worden, jetzt habe sich die Beteiligung erheblich erhöht. "So möchte ich als Mitglied des Gemeinderats nicht behandelt werden", kritisierte er. Seine Fraktionskollegen Richard Ziehensack und Gert Weisskirchen dagegen argumentierten für eine Teilnahme am Wettbewerb. "Es ist unsere Pflicht, jetzt zu handeln. Vor allem im Hinblick auf unser Ziel, Wiesloch bis 2040 klimaneutral zu machen", betonte Ziehensack.