Klimaschutz „kann einem nicht egal sein“: SPD-Landtagskandidatin Andrea Schröder-Ritzrau trat in Dialog mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze, Klimaphysikerin Lisa Stadtherr, die ehemalige Abiturientin Anne Rheinberger und Zweitkandidat Jaric Krumpholz. Foto: Stoye
Von Sophia Stoye
Region Wiesloch/Walldorf. "Wir haben 70 bis 80 Prozent der Menge der Insekten verloren und mehr als die Hälfte der Bienenarten stehen schon auf der roten Liste. Das kann einem nicht egal sein", appellierte Bundesumweltministerin Svenja Schulze. "Denn wenn wir keine Bestäuber mehr haben, dann wird es mit der Lebensmittelproduktion bei uns schwierig." Die Aussage bei der Online-Diskussionsrunde "Wichtig. Jetzt zur Sache" der SPD-Landtagskandidatin Andrea Schröder-Ritzrau war klar: Für den Klimawandel muss mehr gemacht werden – auf Bundes-, Landes- und vor allem auf kommunaler Ebene.
Neben der Bundesumweltministerin Schulze hatte Schröder-Ritzrau auch Klimaphysikerin Lisa Stadtherr, die ehemalige Abiturientin Anne Rheinberger und SPD-Zweitkandidat Jaric Krumpholz zu Gast. Sie alle berichteten, warum ihnen Klima- und Umweltschutz wichtig ist und was ihnen an Engagement von Seiten der Politik fehlt.
"Wir sind die letzte Generation, die noch gegen den Klimawandel steuern kann", hob Svenja Schulze hervor. Zwar habe man bereits ein Klimaschutzgesetz auf den Weg gebracht, auf europäischer Ebene das Ziel für das Pariser Klimaabkommen angepasst und auch genug finanzielle Mittel bereitgestellt.
"Aber das reicht nicht", führte die Bundesumweltministerin aus: Denn darüber hinaus müsse Klimaschutz sozial gerecht gestaltet werden und dürfe nicht Menschen mit einem kleinen Geldbeutel benachteiligen.
"2019 haben wir 54 Milliarden Euro, im letzten Jahr noch einmal 46 Milliarden Euro zur Verfügung bekommen, das ist enorm viel Geld", führte Umweltministerin Schulze aus. Nun müsse das Geld auch genutzt werden – und zwar vor allem am zentralen Umsetzungsort von Klimaschutzmaßnahmen: den Kommunen.
Denn besonders regional zeigen sich die Auswirkungen des Klimawandels, schloss sich Lisa Stadtherr an. Die Klimaphysikerin arbeitet an der Heidelberger Forschungsstätte der evangelischen Studiengemeinschaft im Bereich der nachhaltigen Entwicklung. Im Zuge ihrer Arbeit berät sie Projekte zum Klimaschutz und hilft bei der Erstellung entsprechender Konzepte sowie ihrer Umsetzung.
2020 hat Stadtherr zum Thema Klimaschutz eine Online-Umfrage mit den 290 Kommunen der Metropolregion Rhein-Neckar durchgeführt und zusätzlich mit fünf ausgewählten Gemeinden tiefer gehende Gespräche geführt. "Bereits mehr als die Hälfte der teilnehmenden Kommunen hat Projekte zum Klimaschutz und der Anpassung an den Klimawandel durchgeführt", so Stadtherr. Allerdings gebe es in nur jeder zweiten Gemeinde eine Personalstelle für den Klimaschutz, die Klimafolgenanpassung nehme dabei nur weniger als zehn Prozent ihrer Arbeit ein. "Im Vergleich dazu haben aber 95 Prozent der befragten Kommunen in der Vergangenheit Erfahrungen mit Extremwetterereignissen gemacht", berichtete die Klimaphysikerin.
Außerdem befragte Stadtherr die Kommunen diesbezüglich nach ihrer Motivation und möglichen Hemmnissen und erarbeitete entsprechende Handlungsempfehlungen – wie zum Beispiel die Pflicht zu Maßnahmen der Klimafolgenanpassung oder eine intensivere personelle sowie finanzielle Unterstützung – für die Bundes- und Landesebene.
In Kommunen oder Einrichtungen, in denen eine Personalstelle für den Klimaschutz geschaffen wurde, müsse allerdings auch noch viel passieren, betonte Svenja Schulze. "Man sieht die Denkweise: ,Da kommt eine Person und die macht den Klimaschutz.’ Aber es muss genau andersherum sein", so die Umweltministerin. Nicht nur eine Person alleine solle an Klimaschutzmaßnahmen denken, sondern alle müssten das in ihrem alltäglichen Leben berücksichtigen. Denn man könne heutzutage keine Baugenehmigung mehr erteilen oder Stadtplanung und Dorfentwicklung vorantreiben, ohne dass man den Klimaschutz mitdenke.
So müsse das Thema Nachhaltigkeit auch einen Platz in der Schule finden, meinte Anne Rheinberger, die im letzten Jahr ihr Abitur absolvierte. "Das Thema Klimaschutz kommt in der Schule zu kurz", betonte Rheinberger. Sie habe über Umweltthemen häufig im Chemieunterricht gesprochen, weil sich der Lehrer sehr für das Thema engagierte, "aber es ist ja nicht Sinn der Sache, so etwas im Fach Chemie zu besprechen". Landtagskandidatin Schröder-Ritzrau schloss sich dem an und sagte: "Ich könnte mir auch vorstellen, dass man ein übergreifendes Fach für Nachhaltigkeit einrichtet."
Dass Klimaschutz vor allem für junge Menschen ein wichtiges Thema ist, machte nicht nur die Anwesenheit Rheinbergers deutlich, sondern auch Zweitkandidat Jaric Krumpholz, der sich in der Wieslocher Ortsgruppe von "Fridays for Future" engagiert: "Die haben einfach Angst um ihre Zukunft." Das weiß auch die Umweltministerin, die betonte, dass die Ansprüche und Ansichten der Jugend nicht zu missachten seien, schließlich "machen wir das alles ja für die nächste Generation".
Aber ein Problem gebe es Schulze zufolge bei der Jugendbeteiligung häufig: "Uns fehlt es einfach an Auszubildenden oder Berufsschülern", so Schulze. Diesen Eindruck konnte auch Krumpholz bestätigen: Im Rahmen seines Studiums der Sozialen Arbeit war er an einer Umfrage der Hochschule Mannheim beteiligt. Diese hatte untersucht, welchen Bildungshintergrund die Demonstrantinnen und Demonstranten von Fridays-for-Future aus der Region aufweisen. "Man hat schon gemerkt, dass viele Gymnasiasten und Studenten unterwegs waren", so der Zweitkandidat. Aber erfreulicherweise sei auch noch nie eine Protestbewegung so weiblich gewesen wie Fridays for Future.