Von Timo Teufert
Wiesloch. Im vergangenen Jahr wurde in Wiesloch an vielen Stellen gebaut: Bei einem Spaziergang mit der RNZ zeigt Oberbürgermeister Dirk Elkemann, welche Projekte man abschließen konnte.
Herr Elkemann, das Jahr 2020 ist geprägt von der Corona-Krise. Welche positiven Aspekte nehmen Sie denn aus dem Krisen-Jahr mit?
Das Corona-Jahr hat uns einen wahnsinnigen Digitalisierungsschub gebracht. Was wir in kürzester Zeit möglich gemacht haben – als Verwaltung und als Gesellschaft – in Sachen Homeoffice, elektronischer Abwicklung von Aufgaben und vielem anderen wäre sonst ein Prozess von mehreren Jahren gewesen. Insofern kann man bei allem Unbill auch etwas Positives mitnehmen.
Und was ist nicht so gut gelaufen?
Wirklich traurig finde ich, dass die ganzen Veranstaltungen nicht stattfinden konnten. Das ist der Gesellschaft 2020 echt verloren gegangen und ich hoffe, dass wir in diesem Jahr wieder an alte Zeiten anknüpfen können. Denn die Befürchtung ist da, dass der eine oder andere merkt: Zu Hause ist es auch ganz schön, es geht auch ohne Vereinssport, im Fitnessstudio bin ich viel flexibler. Deshalb müssen wir aufpassen, dass die Menschen sich nicht aus dem gesellschaftlichen Leben zurückziehen. Denn speziell in Wiesloch macht es das doch aus: Wir sind eine Stadt, die stark vom Vereins- und Ehrenamtswesen geprägt ist. Und es wäre sehr schade, wenn das langfristig auf der Strecke bleiben würde. Ich hoffe, dass mit den Impfungen das Leben wieder kehrt – in jeglicher Facette.
In Corona-Zeiten ist die Sorge um die Einzelhändler bei Elkemann groß. Gleichzeitig freut er sich über den neuen Kubus. Foto: PfeiferGleiches gilt ja auch für die Einkaufsstadt Wiesloch. Schon wieder haben die Geschäfte geschlossen. Machen Sie sich Sorgen um Innenstadt und Einzelhändler?
Massiv. Wenn ich daran denke, habe ich Sorgenfalten auf der Stirn. Wir sprechen ja viel mit den Händlern, haben mit dem Stadtmarketing auch ein Sprachrohr und erfahren deshalb recht unmittelbar, wo der Schuh drückt. Und die Bedenken der Einzelhändler, was die Umsätze in der Zukunft anbelangt, sind gravierend. Ich vermag es noch nicht zu sagen, ob es am Ende alle Geschäfte schaffen werden. Ich wünsche es allen, aber ich fürchte, die Realität wird anders aussehen. Das bedauere ich sehr, denn da stecken ja nicht nur Existenzen und Träume dahinter, einen Leerstand in der Stadt kann auch niemand wollen. Aber es sind ja auch ganz generelle Entwicklungen, die beispielsweise der Internethandel mit sich bringt und die nicht nur Wiesloch betreffen. Da ist Corona ein Katalysator – wenn auch kein guter.
Haben Sie denn einen Plan in der Schublade für ein Leerstandsmanagement, wenn es nach der Krise zu massiven Leerständen kommen sollte?
Eine Patentlösung hat da im Moment niemand, die für ein massives Ladensterben greifen würde. Wenn die Konjunktur so einbricht, dass viele aufgeben würden, dann wird es schwierig. Es gibt Ideen, damit die Schaufenster nicht leer bleiben. Wie jetzt vom Marionettentheater in der ehemaligen Buchhandlung Dörner ein Märchen erzählt wurde oder Kunst ausgestellt wird. Das ist zumindest ansprechender als zugeklebte Scheiben und lädt die Leute trotzdem ein, in die Stadt zu kommen, weil sie eine Inspiration finden. Da könnten wir als Stadt auch vermittelnd tätig werden.
Der Kubus am Adenauerplatz ist ja Mitten in der Krise fertig geworden. Sind Sie zufrieden?
Vor dem Lockdown habe ich mir den Kubus einmal von innen angeschaut und festgestellt, dass Kik und Tedi Frequenz in die Stadt bringen. Auch wenn sie vielleicht von einigen nicht die Wunschnutzer sind. Bei meinem Besuch waren zahlreiche Einkäufer in den Läden, von daher ist offenbar auch der Bedarf da. Ich freue mich natürlich, dass wir durch den Kubus einen zusätzlichen Magneten in der Innenstadt haben und dass die Investoren den entsprechenden Durchhaltewillen gezeigt haben. Denn das Projekt war nicht leicht: Im Bestand etwas zu verändern ist oftmals schwieriger, als etwas niederzureißen und neu zu bauen. Aus meiner Sicht ist der Kubus ein architektonisches Highlight geworden.
Ein Hingucker sind ja auch die Bertha-Benz-Realschule und die Esther-Bejarano-Gemeinschaftsschule geworden. Da haben sie kräftig investiert ...
Das sind wahrscheinlich die größten Investitionen, die wir in meiner Amtszeit umsetzen. Wir stecken in den Campus richtig viel Geld: 20 Millionen für den Bau der Gemeinschaftsschule, zehn Millionen für die Sanierung der Realschule und 1,4 Millionen für die erste Sanierung des Ottheinrich-Gymnasiums. Der Neubau war ein Kraftakt sondergleichen, der aber für den Schul- und Bildungsstandort Wiesloch aus meiner Sicht richtig und wichtig war. Darauf können wir sehr stolz sein. Auch in Sachen Klimaschutz bringt uns das nach vorne: Das neue Gebäude ist jetzt ganz anders aufgestellt als der Altbau an der Gerbersruhstraße.
Sie investieren aber auch in die Digitalisierung der Schulen ...
Genau. Mit unserem Konzept, das wir auf den Weg gebracht haben, sind wir relativ weit vorne, was die Ausstattung der Schulen mit Hardware betrifft. Aktuell stehen 1,8 Millionen Euro für die Anschaffung von Hardwarekomponenten bereit, die natürlich von Bund und Land bezuschusst werden. Aber wir lassen uns nicht nur die Hardware etwas kosten: Die Administration der Geräte läuft inzwischen zentral bei uns. Dadurch gibt es eine Vereinheitlichung und eine Betreuung aus einer Hand.
Sie haben es erwähnt: Für die Anschaffung der Hardware gibt es Zuschüsse, die Wartung bleibt aber an der Stadt hängen. Kann das so weiter gehen?
Mir graut es vor der Frage: Was passiert, wenn die Geräte irgendwann einmal abgängig sind? Das ist bei Elektronik ja relativ schnell der Fall. Und wenn dann alles ausgetauscht werden muss, bekommen wir dann noch einmal die entsprechenden Unterstützungsleistungen? Oder hat das Land nur den Anstoß gemacht und den Rest müssen die Träger, also die Stadt, machen? Das können wir aber nicht ohne Weiteres stemmen. Allein für die Kraft, die für den IT-Bereich an den Schulen zuständig ist, mussten wir zusätzliche Stellenanteile bereitstellen. Das kostet Geld, das ist völlig klar. Ich finde es gut, dass der Gemeinderat das Potenzial gesehen und die Chancen erkannt hat, die sich durch eine Vereinheitlichung ergeben.
Das Quartier am Bach: Hier zeigte der OB nicht nur das Neubaugebiet, sondern auch den Spielplatz, der im Zuge des hochwassersicheren Ausbaus des Waldangelbachs entstanden ist. Foto: PfeiferAm Schwimmbad entsteht das Quartier am Bach. Was bedeutet das für Wiesloch?
Wir haben einen immensen Druck von Wohnungssuchenden, vor allem im Stadtgebiet, und es ist schön, dass wir denen jetzt ein echtes Angebot machen können. Für uns ist das Quartier eine riesige Chance, in möglichst kurzer Zeit Wohnraum zur Verfügung zu stellen und so seit langer Zeit endlich wieder ein größeres Wohngebiet zu erschließen. Gerade für Familien bietet sich da die Möglichkeit, an Wohnraum zu kommen, der noch bezahlbar ist. Darauf achten wir ja auch mit unseren Festschreibungen, dass ein bestimmter Anteil geförderter Wohnraum ist und nicht alles zu Marktpreisen weggeht.
Im Quartier entstehen 220 Einheiten. Wie viel bräuchten Sie denn eigentlich in Wiesloch, um die Nachfrage erfüllen zu können?
Das kann man so nicht beantworten. Die Regionalplanung weist bestimmte Flächen für Wohngebiete aus und demnach haben wir noch echten Bedarf. Wir haben jetzt Flächen zurückgegeben – für die größere Erweiterung der Äußeren Helde – und dafür andere Flächen, die perspektivisch mehr und vor allem realistischeres Potenzial bieten, in die Planung aufgenommen. Dazu gehören die PZN-Gärtnerei, das Steinbergquartier, der Nahversorger mit Wohnungen in Altwiesloch und das Areal "Zwischen den Wegen."
Sprengung des Wieslocher Wellpappe-Schornsteins
Kamera: Helmut Pfeifer / Produktion: Manuel Reinhardt/Philipp Neumayr
Für das ehemalige Wellpappe-Gelände gibt es ja einen neuen Anforderungskatalog. Was sieht der vor?
Das Quartier am Bach ist unser Muster, was die Anforderungen an klimafreundliche Wohngebiete angeht. Wir haben aber auch neue Standards wie das Baulandmanagement etabliert: Also etwa, dass dort zehn Prozent geförderter Wohnraum entstehen müssen und die Kosten für die städtische Infrastruktur, wie Kindergärten, Schulen und Sporthallen umgelegt werden. Der Investor preist das dann in seine Kalkulation mit ein. Das macht den Wohnraum nicht unbedingt billiger, aber der Bezug wird klarer zwischen einem Gebiet und der Infrastruktur, die dafür neu geschaffen werden muss.
Gleich nebenan hat der Abwasser- und Hochwasserschutzverband (AHW) den Waldangelbach umgestaltet. Gefällt es Ihnen?
Ja, das ist toll geworden und wird von den Menschen auch schon sehr stark genutzt. Wir investieren ja nicht nur dort in den hochwassersicheren Ausbau, auch an anderen Stellen im Stadtgebiet wird gearbeitet: Etwa in Baiertal, wo der Gauangelbach vertieft wird, und in Schatthausen wurde das Regenrückhaltebecken fertig gestellt. Unsere Devise beim Hochwasserschutz ist, die zu schützen, die es tatsächlich betrifft und die auch schon betroffen waren. Um sie künftig bei zu erwartenden Großwetterlagen noch besser zu schützen. Derzeit wird noch ein Regenrückhaltebecken geplant und dann muss man sagen, sind wir in Wiesloch schon sehr gut aufgestellt. Ich bin sehr dankbar, dass der AHW das so vorantreibt.
Altwiesloch durfte sich 2020 ja auch freuen: Die Umgehung ist wieder in den Generalverkehrsplan des Landes aufgenommen worden. Sind Sie zufrieden?
Ich sehe das wirklich als Perspektive für die Altwieslocher, die von Lärm und Schadstoffen gebeutelt sind. Es ist ein Signal, wenn ein Verkehrsminister, der nicht unbedingt für den Straßenbau bekannt ist, dieses Projekt unter seiner Ägide als eine von sechs Maßnahmen aufgenommen hat. Dass dort wirklich ein Bedarf besteht, ist allseits anerkannt. Nun hoffe ich, dass alle konstruktiv mitarbeiten und wir eine vernünftige Trassenführung hinbekommen. Mein Ziel ist, dass wir uns auf eine Trasse festlegen und dann intensiv daran arbeiten, dass die am Ende auch umgesetzt wird.
Wie geht es denn beim Ausbau der L723 zwischen Rauenberg und Walldorf weiter?
Das ist angestoßen und es gibt Planungen, die finalisiert werden müssen. Dabei spielt zum Beispiel auch der Hochwasserschutz eine Rolle. Das Land macht den Ausbau, wir machen teils die Bebauungspläne dafür und das muss aufeinander abgestimmt werden. Die Aufstellungsbeschlüsse sind schon gefasst und warten nun auf die Feinplanung.
Wer hat Sie am meisten geärgert?
Wer aufmerksam verfolgt hat, wie Anfang 2020 politische Diskussionen geführt worden sind, der weiß, dass von bestimmter Seite Anwürfe gegen meine Person kamen, die sich am Ende als nicht substanziell herausgestellt haben. Ich würde mich freuen, wenn wir da zu einem Miteinander kommen könnten. Das meine ich ganz ernst. Denn ich glaube, dass das, was da passiert ist, weder der Stadt noch der Stadtpolitik gut tut. Mein Bestreben ist, dass ich die Stadt voranbringe. Und solange wir uns um so etwas kümmern müssen, bleibt manches auf der Strecke und das ist schade.
Was war Ihr Highlight 2020?
Man hat sich 2020 ja an den kleinen Dingen gefreut: Das Mini-Winzerfest in der Kernstadt fand ich süß. Das war ganz anders, als wir es sonst gewohnt waren. Aber wir lassen uns nicht unterkriegen und halten zumindest eine kleine Fahne hoch. Das war ein Hoffnungsschimmer in der ganzen Corona-Tristesse. Darüber hinaus war die Einweihungsfeier der Esther-Bejarano-Schule im Beisein der beeindruckenden Namensgeberin sicher der emotionale Höhepunkt meiner bisherigen Amtszeit.
Würden Sie diesen Satz bitte vervollständigen: Wenn ich im Gemeinderat sitze, denke ich ...
... dass wir alle miteinander versuchen müssen, die Stadt voranzubringen. Wenn das künftig noch ein bisschen besser gelingt, wäre der Stadt Wiesloch gut getan.