„Beim Waldbaden geht es darum, mit bewusster und intensiver Achtsamkeit den Wald und sich selbst zu spüren“, so die Waldbad-Trainerin Maria Kalkoffen. Foto: Wieser
Von Lisa Wieser
Wiesloch. Während des Corona-Lockdowns im zurückliegenden Frühjahr war zu beobachten, dass es ungewohnt viele Menschen raus aus ihren eigenen vier Wänden auf die umliegenden Felder und besonders in die nahegelegenen Wälder zog. Gerade letztere boten vielen Menschen einen Ort der Entschleunigung und der Erholung von der anstrengenden Arbeit im Homeoffice und das aus gutem Grund: Der Aufenthalt im Wald kann helfen, Stresshormone abzubauen, vieles ruhiger zu betrachten und so zu einem ausgeglicheneren, gesünderen Leben zu finden.
Da verwundert es nicht, dass das ursprünglich aus Japan stammende Phänomen des "Shinrinyoku" (Waldbaden) nun auch seinen Weg nach Europa und sogar nach Wiesloch findet. Dort nämlich führte die ausgebildete Waldbad-Trainerin Maria Kalkoffen vor Kurzem interessierte Mitbürgerinnen und Mitbürger durch den Stadtwald der Weinstadt. "Beim Waldbaden geht es darum, mit bewusster und intensiver Achtsamkeit den Wald und sich selbst zu spüren", erklärt Kalkoffen.
Auf die Idee, das Thema Waldbaden in Wiesloch erlebbar zu machen, kam Sabine Schreier aus Wiesloch. "Klimawandel, die damit verbundene Veränderung der Natur und Wälder, aber auch Entschleunigung und zur Ruhe kommen, all das sind Themen, die beschäftigen", sagt sie. Das Interesse an dem kostenlosen Erlebnistag, der in Kooperation mit der Volkshochschule Südliche Bergstraße stattfindet, ist groß.
Die Gruppe startet an einem schattigen Platz im Park der Stadtbücherei. Im Gespräch zwischen den Teilnehmenden wird schnell deutlich, dass viele von ihnen zuvor noch keine genaue Vorstellung davon hatten, was Waldbaden ist. Dennoch, ihre Liebe zum Wald, der harzige Duft der Bäume, die Entspannung jenseits der lauten und hektischen Welt sowie der Wunsch, mehr über das Waldbaden zu erfahren und neue Anregungen mitzunehmen, haben sie an diesem Tag zusammengeführt.
"Im Wald kann man durchatmen, weichen Boden unter den Füßen spüren, die Sinne intensivieren, den Atem stabilisieren und den Blick öffnen für das, was um mich herum geschieht", sagt die Trainerin Kalkoffen. Es wird klar, dass es um das Ich und die täglichen Einflüsse der Umwelt geht, die unablässig auf die Menschen einwirken. Es geht aber auch darum, trotzdem bei sich zu bleiben und sich nicht so schnell von äußeren Einflüssen ablenken zu lassen.
Dazu gehört das Beobachten, so die Trainerin: "Wie laufe ich die Straßen und Wege bis zum Wald? Wie gehe ich, langsam oder schnell, welche Gedanken begleiten mich körperlich, emotional und auf der Energieebene? Wie gehe ich mit Autos, Hindernissen und Umweltgeräuschen um? Und gehe ich auch im Alltag so?" Die Gruppe läuft in Richtung des Stadtwalds, immer mit viel Achtsamkeit. Fußgänger und Radfahrer kommen entgegen, Ausweichen statt Aufregung oder gar Ärger, lediglich registrieren, was auf dem Weg passiert.
Im Wald angekommen, tauschen sich die Teilnehmenden auf Kalkoffens Anregung hin über ihre Wahrnehmungen aus. Beim darauffolgenden gemeinsamen Umherschlendern entdecken sie den Wald von einer neuen Seite, mal indem sie einfach nur ihre Blicke umherschweifen lassen über den Waldboden und die majestätischen Baumkronen, mal indem sie die Elemente des Waldes, Äste, Gräser, Moos und Baumrinden bewusst mit ihren Händen berühren. Die Teilnehmenden zeigen ihre Fundstücke, eine Frau erzählt, dass sie aus Blättern und Strukturen von Rinden Kunstdrucke machen wird.
Es geht auch darum, in der Stille die eigene Wahrnehmung zu schärfen; die Wahrnehmung dafür, dass vieles im Wald gleichzeitig nebeneinander ist: Lärm und Stille, Vergängliches und Entstehendes, die Fülle der Natur vor allem im Spätsommer, unterschiedliche Gerüche, gedämpfte wohlige Ruhe neben den fernen Geräuschen des Alltags, und die Menschen mitten darin.
An diesem Tag zeigt die Zeit im Wald einmal mehr, wie positiv sich der Aufenthalt in der Natur und besonders zwischen den Bäumen auf die Menschen und ihr Wohlbefinden auswirken kann. Das Waldbaden kann in dieser Hinsicht sicherlich als willkommene Inspiration gesehen werden, die denjenigen, die sich gerne im Wald aufhalten, neue Impulse verleiht.