Dielheim. (rö) Leicht hat sich diese Entscheidung niemand gemacht: Dielheims Gemeinderat beschloss in seiner jüngsten Sitzung noch vor der Einbringung des Haushaltsplans für 2020 gleich zwei Steuererhöhungen. Wie von der Verwaltung vorgeschlagen, wird der Hebesatz der Gewerbesteuer von 340 auf 380 v.H. erhöht, der Hebesatz der Grundsteuer B von 330 auf 370 v.H. Das wurde bei fünf Gegenstimmen von Klaus Eberle, Jan-Sören Wipfler (beide CDU), Ute Sendner, Maria-Luise Kaul (beide Bürgerinnen) und Michael Schneider (SPD) entschieden.
Wie sich die beiden Erhöhungen finanziell auswirken, lässt sich gerade aufgrund der Schwankungen bei den Gewerbesteuereinnahmen nur schwer prognostizieren: Im laufenden Jahr hätte man laut Kämmerer Tino Becker dadurch bei der Gewerbesteuer rund 200.000, bei der Grundsteuer B rund 120.000 Euro mehr eingenommen. Die Gewerbesteuer wurde letztmals 2006 erhöht, die Grundsteuer B 2019.
Bevor im Gremium eine leidenschaftliche Diskussion über die Steuererhöhungen entbrannte, hatten Bürgermeister Thomas Glasbrenner und der Kämmerer für deren dringende Notwendigkeit argumentiert. Dielheim stehe vor großen Herausforderungen, sprach Glasbrenner das enorme Investitionsvolumen an, "das wir stemmen müssen". Dabei handle es sich teils um selbst auferlegte Aufgaben wie die Einrichtung der Gemeinschaftsschule, teils um Sanierungsstaus, aber auch um Pflichtaufgaben wie die Kinderbetreuung.
Den Investitionen von 28 Millionen Euro, die bis 2023 eingeplant seien, stünden lediglich liquide Mittel von zwölf Millionen gegenüber. "Das werden wir nicht aus eigener Kraft stemmen können", lautete die Schlussfolgerung des Bürgermeisters. Um die vorgeschlagenen Steuererhöhungen "kommen wir nach unserer Ansicht schlichtweg nicht herum", so Glasbrenner, "das müssen wir umgehend tun".
"Wir haben uns wahnsinnig schwer getan", sagte Kämmerer Becker, man sehe aber keinen anderen Ausweg. Aus der laufenden Verwaltung werde man in den kommenden vier Jahren lediglich zwei Millionen Euro erwirtschaften, geplant sei zudem, 10,5 Millionen aus der Rücklage zu entnehmen. "Wir müssen 15,4 Millionen an Darlehen aufnehmen." Die bekomme man zwar zu günstigen Konditionen, müsse sie aber irgendwann auch zurückzahlen, mahnte Becker: "Wenn wir nicht bereit sind, die Einnahmen zu erhöhen, kommen wir in die Schuldenspirale."
Becker wollte nicht einen einzelnen Punkt wie den Schulausbau oder die steigenden Personalkosten für die Misere verantwortlich machen, sondern sah "grundlegend über alle Bereiche eine konstante Kostensteigerung". Nach seinen Worten liegt Dielheim aktuell bei den Pro-Kopf-Einnahmen aus der Gewerbesteuer im Rhein-Neckar-Kreis lediglich auf Platz 45, bei der Grundsteuer B auf Platz 43. Im letzteren Fall habe man an sechs Beispielfällen die Auswirkungen der Erhöhung für Immobilienbesitzer auf zwischen 27 und 64 Euro im Jahr errechnet. Das sei "vertretbar".
Im Gemeinderat gab es ganz unterschiedliche Positionen: Klaus Eberle (CDU) konnte zwar mit Steuererhöhungen "leben", beide fielen ihm aber zu hoch aus. Er hätte sich einen Zwischenschritt gewünscht, außerdem verstärkte Sparbemühungen bei den kommunalen Ausgaben, um dann "in zwei Jahren noch mal drüber zu reden". Ute Sendner (Bürgerinnen) sagte, man müsse aufpassen, nicht zu schwarz zu malen. Auch mit den Erhöhungen werde der Haushalt in zwei Jahren nicht besser aussehen. "Wann erhöhen wir dann das nächste Mal?", fragte sie. Michael Schneider (SPD) wären auf zwei Schritte verteilte Erhöhungen lieber gewesen, er sah sich angesichts der "Aufgaben vor der Brust" aber "im Zwiespalt". Für lediglich moderate Erhöhungen sprach sich Jan-Sören Wipfler (CDU) aus, der auch meinte: Das Konzept für die Gemeinschaftsschule "hätten wir nicht gebraucht".
Nico Wagenblaß (CDU) sah dagegen einen "klareren Zug" darin, die Erhöhung "auf einmal" vorzunehmen, alles andere wäre nach seinen Worten "Augenwischerei". Er bat aber darum, die Notwendigkeit den Bürgern beispielsweise mit einem Schreiben der Gemeinde an alle Haushalte "auch verständlich zu machen". Für Josef Blum (SPD) ist es "nicht so, dass wir hier Geld verbrennen", es werde in die Infrastruktur investiert, das sei "oftmals alternativlos". Man dürfe nicht in die Situation kommen, "dass wir die Zinslast nicht mehr tragen können". Markus Wodopia (SPD) sah die Pflicht, "den Haushalt auf gesunde Füße" zu stellen, sonst lande man "irgendwann unter Zwangsverwaltung".
Nachdem die Steuererhöhungen dann beschlossen waren, standen auch gleich mehrere Neukalkulationen von Gebühren auf der Tagesordnung. Während der Gemeinderat dem Antrag der SPD folgte, die Bestattungsgebühren auf eine spätere Sitzung zu vertagen ("wir haben noch viele Rückfragen", so Josef Blum), fielen in Sachen Abwasser- und Wassergebühren jeweils einstimmige Entscheidungen. Beide Gebühren sollen kostendeckend erhoben werden.
Da man bei den Abwassergebühren zwischen 2015 und 2017 rund 420.000 Euro zu viel eingenommen hat, empfahl Kämmerer Becker nun eine deutliche Senkung: Die Schmutzwassergebühr wird von 2,34 Euro/Kubikmeter auf genau zwei Euro gesenkt, die Niederschlagswassergebühr von 51 auf 50 Cent/Kubikmeter.
Anders sieht es beim Frischwasser aus: Die Investitionen in die Neuordnung der Wasserversorgung und der erhöhte Fremdwasserbezug machen in diesem Bereich höhere Gebühren notwendig, sie werden von 2,10 auf 2,68 Euro/Kubikmeter erhöht. Unterm Strich, so der Kämmerer, steigen Wasser und Abwasser zusammen von 4,44 auf 4,68 Euro/Kubikmeter. "Im Vergleich stehen wir nicht so schlecht da", sagte Becker.