Mundartabend bei den Heimatfreunden Walldorf, von links: Arno König (Geschäftsführer Heimatfreunde), Gustl Riemensperger, Thomas Ostermann (2. Vorsitzender), Hubert Klausmann (Uni Tübingen), Klaus Engwicht (1. Vorsitzender) und Charly Weibel. Foto: Sabine Hebbelmann
Von Sabine Hebbelmann
Walldorf. Der "Sprechende Sprachatlas" ist online. Drei Jahre lang sind Wissenschaftler der Universität Tübingen durch Baden-Württemberg gezogen, um unterschiedliche Dialektvarianten aufzunehmen. Per Mausklick lassen sich nun Tonaufnahmen von 110 Wörtern und Redewendungen aus 57 verschiedenen Orten anhören. Landesweit wurden 550 Menschen befragt - zuletzt der Walldorfer Altbürgermeister Heinz Merklinger.
Einen Tag vor der Veröffentlichung feierte die Vereinigung Walldorfer Heimatfreunde den Kurpfälzer Dialekt mit einer Mundart-Veranstaltung. Unter dem Titel "Kumm, geh fort 2.0" wechselten Mundart-Beiträge mit Ausführungen des Tübinger Dialektforschers Hubert Klausmann, der auf die Historie der Sprachentwicklung einging und den Sprachatlas vorstellte. Die Veranstaltung im katholischen Pfarrsaal, der 250 Zuhörern Platz bietet, war schon seit Ende vergangenen Jahres ausverkauft.
"Einfach granatenmäßig gut." Mit diesen Worten brachte Klaus Engwicht als Vorsitzender der Heimatfreunde die Stimmung auf den Punkt. Dialekt bezeichnete er als ein Stück Identität und ergänzte: "Das ist etwas, das nur wir halten können und was wir uns nicht nehmen lassen."
Den Anfang machte der Reilinger Mundartsänger Charly Weibel, der mit der Klangmacht des Kurpfälzischen spielte und mit seiner bodenständigen Art und dem gradlinigen Humor bestens ankam. Mit "Ich werd niemals Eskimo" machte er auf launige Weise klar, dass es daheim am schönsten und der Dialekt "die echteschte Kultur" ist.
Unvergleichlich trocken und gewitzt brachte Schauspieler Gustl Riemensperger vom Walldorfer Forum ’84 seine Geschichten rüber, die vom Alltäglichen ins Absurde spielten und deren Helden eingebildete Kranke, kultivierte Säufer und immer Dialektsprecher waren. Den krönenden Abschluss bildete eine furiose "Liebeserklärung in Kurpfälzer Mundart".
Zu den Dialekten sagte Professor Klausmann: "Es gibt kein richtig oder falsch, es gibt nur Entwicklungen." Dass in Hannover das reinste Hochdeutsch gesprochen werde, sei ein Irrtum, der sich seit zweihundert Jahren beständig halte. So gebe es nicht das eine Hochdeutsch, sondern verschiedene regionale Varianten. Klausmann nannte außerdem verschiedene Ebenen, die von Ortsmundarten über Regionalsprachen bis hin zur Schriftsprache reichen und je nach Situation verwendet werden. Und noch etwas sagte der Professor: "Der Dialekt bekommt in der Schule nicht die Beachtung, die er verdient."
Anhand von Hörbeispielen zeigte der Dialektforscher, wie Mundarten untersucht werden und wie sich mit der zweiten Lautverschiebung das Hochdeutsche mit seinen Dialekten von den späteren niederdeutschen Dialekten abgesetzt hat. So wurde zum Beispiel in Walldorf aus "Appel" der Apfel. Allerdings nicht in Mannheim, wo der rheinfränkische Dialekt verbreitet ist.
"Lautgesetze charakterisieren Dialektlandschaften", erläuterte Klausmann. Daneben gibt es unterschiedliche Ausdrücke für denselben Gegenstand. Während die Sprachräume beim Huhn (Henne, Häer, Hünkel) relativ groß ausfallen, gleicht die Karte für Löwenzahn mit eine Vielzahl verschiedener Bezeichnungen einem bunten Flickenteppich.
Es war bereits die zweite Veranstaltung zu diesem Thema, weshalb das Veranstaltungsplakat mit den Gesichtern zweier stadtbekannter Walldorfer Originale ("Karl Karl" und "Schafe Philipp" mit Hut) mit dem Titel "Kumm, geh fort 2.0" versehen worden war.
Den Satz "Gebt ma mol die Gawl!" hatte Heinz Merklinger beim Interview der Sprachforscher vor laufenden Fernsehkameras ins Aufnahmegerät gesprochen. Klaus Engwicht kam seiner Aufforderung schließlich nach und reichte dem Altbürgermeister, der in der ersten Reihe saß, das Esswerkzeug.