Von Sebastian Lerche
Walldorf. "Ich mache es gern, die Mitarbeiter tragen es mit, das ist das Wichtige", sagt Jürgen Feil. Acht Menschen mit Behinderung zählt der Geschäftsführer des gleichnamigen Walldorfer Küchenservice-Unternehmens, das seit 1999 für SAP und auch die Villa Bosch der Tschira-Stiftung Kantinen betreibt, unter seinen fast 90 Mitarbeitern. "Es gibt dir viel", so Feils Erfahrung: "Man lernt voneinander."
Unternehmen dieser Größe sind verpflichtet, Menschen mit Behinderung anzustellen, vier aber würden in Feils Fall genügen. Und er könnte stattdessen, wie andere an seiner Stelle, eine Ausgleichsabgabe zahlen - sich "freikaufen" wäre ihm aber zuwider. Überhaupt, das Finanzielle: Natürlich muss das Geschäftliche unterm Strich stimmen, aber Feil weigert sich, hier mit spitzem Bleistift zu rechnen: "Was zählt, ist das Menschliche." Seine Angestellten mit Behinderung, körperlich ebenso wie geistig und in verschiedenen Graden, sind für ihn eine Bereicherung, so Feil: "Du kriegst einfach viel zurück."
"Wir sind alle nicht geschult": Verhehlen will Jürgen Feil nicht, dass er anfangs viel zu lernen hatte und auch "Ängste überwinden" musste. Seine Erfahrungen mit Freunden und Bekannten sowie die Unterstützung seines Teams halfen, aber vor allem waren es das Karlsruher Integrationsamt des Kommunalverbands für Jugend und Soziales sowie der Integrationsfachdienst Heidelberg-Mosbach.
Fragen der Barrierefreiheit wurden zunächst besprochen, der Umbau von Toiletten beispielsweise, aber vor allem ging es um den ganz alltäglichen zwischenmenschlichen Umgang. Vorurteile und Scheu mussten abgebaut werden, aber dann kehrte eigentlich zügig Normalität ein, so Feil. "Besonders, wenn man sieht, was sie trotz ihrer Einschränkungen leisten." Die Kollegen mit Behinderung "können natürlich nicht alles", so Feil, aber: "Sie haben sich unseren Respekt erworben."
Von Integrationsamt und Fachdienst gibt es auch "Hilfe, wenn etwas aus dem Ruder läuft", berichtet Jürgen Feil. Sie standen ihm vor einigen Jahren zur Seite, als es mit einem schwerbehinderten Mitarbeiter "nicht mehr klappte". "Es gibt Jobs, da funktioniert es einfach nicht", bei allem guten Willen: Das musste Feil erst akzeptieren. Glücklicherweise wurde eine andere, besser geeignete Stelle gefunden.
Die motorischen und geistigen Einschränkungen hätten ganz individuelle Ausprägungen, manche benötigten dringend ein stetiges, geordnetes Arbeitsumfeld mit teils ritualhaften Abläufen, andere "wachsen an ihren Aufgaben und übernehmen mehr Verantwortung", so Feil: "Sie sind alle verschieden, da muss man flexibel sein und ständig kommunizieren." Und nicht nur vom Mitarbeiterteam, auch von den Kunden werden ihm zufolge Verständnis und ein gewisses Entgegenkommen gefordert.
Für drei der Mitarbeiter mit Behinderung gibt es eine finanzielle Förderung der öffentlichen Hand, wie Feil erklärt. Das hat sich teilweise reduziert, als einer von ihnen sich nach der Einarbeitungsphase verbesserte. "Und dann gab es auch mehr Lohn. Das ist ja unser Ziel: Sie tragen so viel Verantwortung, wie sie können." Und individuell werde abgewogen, wie so eine höhere Leistung vergütet werde. "Einen Tick weniger als andere, aber so viel, dass ich mich im Spiegel noch ansehen kann."
Manche der Mitarbeiter mit Behinderung kannte Feil bereits, andere kamen über die Tom-Mutters-Schule der Lebenshilfe Wiesloch zu ihm, aber spontane Bewerbungen gibt es auch. Dann wird geprüft, welche Tätigkeit zum Bewerber passt oder "passend gemacht" werden kann. Und anschließend stellt Feil bei allen seinen Mitarbeitern mindestens ein Mal im Jahr über ein persönliches Gespräch sicher, dass sie sich wohlfühlen, und klärt, "wo es hakt".
Wer Jürgen Feil noch unterstützt und mit ihm zusammenarbeitet, sind zwei Vereine, in denen er auch Mitglied ist. Zum einen "FortSchritt": Der Verein mit Sitz in St. Leon-Rot kümmert sich um Kinder und Jugendliche mit zerebralen Entwicklungsstörungen, die zu Bewegungsbehinderungen geführt haben. Sie erhalten die ganzheitliche Förderung des ungarischen Bewegungspädagogen Prof. András Petö. Zum anderen ist da der daraus hervorgegangene Verein "FortSchritt Integrativ Leben", der die erwachsen werdenden "FortSchritt"-Klienten unterstützt und nicht nur weiter nach Petö fördert, sondern auch in allen Bereichen des Lebens, allen voran Wohnen und Beruf. Beide Vereine haben Mitglieder aus der gesamten Metropolregion.
Das erläuterte "FortSchritt"-Sprecher Björn Wojtaszewski, der den jüngsten Erfolg der Anstrengungen in der Jobvermittlung vorstellte: Marco Huber aus Wiesloch, Sohn der "FortSchritt"-Vorsitzenden Susanne Huber. Wegen körperlicher Einschränkungen ist der 26-Jährige auf den Rollstuhl angewiesen, aber laut Jürgen Feil "geistig fit" - und vor allem "hat er den Willen, es durchzuziehen" und "geht mit Begeisterung an die Arbeit". Marco Huber erledigt Botengänge, verteilt die Post, telefoniert oder zählt die Bar-Einnahmen des Küchenservice. Am Computer schreibt er unter anderem Rechnungen oder notiert die Arbeitszeiten für die Mindestlohnaufzeichnungen in Excel-Tabellen. Kollege Achim Kraus arbeitet mit ihm zusammen und "schaut drüber".
Überhaupt habe er ein gutes Verhältnis zu den Kollegen, berichtet Huber, "die sind alle sehr freundlich". Da es nicht genug passende Arbeiten für ihn gibt, um einen Acht-Stunden-Tag zu füllen, hat er eine weitere Tätigkeit. Ehe er um 14 Uhr bei Jürgen Feil beginnt, ist er ab 9 Uhr im Pflegezentrum Astor-Stift Walldorf tätig, an der dortigen Information ist er seit seinem Praktikum vor acht Jahren: "Das mache ich gern".
Seit fünf Jahren hat Marco Huber den Führerschein und vor drei Jahren wurde ihm der Antrag auf ein behindertengerecht umgebautes Auto gewährt. "Dadurch bin ich viel unabhängiger", mobil zu sein, sei für ihn ein wichtiges Ziel gewesen. Darin liege auch die Bedeutung der Berufstätigkeit für Menschen mit Behinderung, betont Jürgen Feil: Eine Aufgabe zu haben, sei eine große Motivation, aktiver zu sein "und über sich hinauszuwachsen".
Ein anderes Erfolgserlebnis für "Fortschritt" war laut Björn Wojtaszewski ein Praktikum für Alisa Falkenstein. Sie sitzt selbst im Rollstuhl und hat im Palatin Wiesloch über drei Monate hinweg die Barrierefreiheit untersucht und Verbesserungsvorschläge erarbeitet. Die richteten sich nicht nur an Menschen mit Behinderung, sondern ganz einfach auch an Gäste mit Gips oder ältere Menschen. "Da ging es nicht um riesige Umbaupläne", so Wojtaszewski, sondern so etwas Simples wie die Höhe der Betten.
"FortSchritt" unternehme vielfältige Bemühungen, sich zu vernetzen, um die jungen Erwachsenen mit Behinderung und die Arbeitswelt zusammenzubringen, etabliere eine Art "Börse" für Praktika, Ausbildungsplätze oder feste Jobs. "Es gibt aber noch viele Vorbehalte, viel Unwissenheit", so Wojtaszewski. Daher baue man Brücken, mache den Unternehmen Mut, über die Anstellung von Menschen mit Behinderung nachzudenken, biete Unterstützung an. Das Ziel: "normal machen, was für uns normal ist".