Ein Bild aus dem Juni 2019, als die Walldorfer Blühwiesen in ihrer Pilotphase erstmals in voller Blüte standen. Nun wird das Projekt mit Unterstützung des Landes und des Kreises fortgesetzt. Archiv-Foto: Pfeifer
Walldorf. (rö) "Walldorf schafft Blühwiesen auf 22 Hektar", titelte die RNZ im April 2019. Das Projekt, initiiert von Landwirt Achim Frey, war damals vom Gemeinderat als einjährige Pilotphase mit Kosten von 45.000 Euro gebilligt worden. "Aufgrund der öffentlichen Berichterstattung", so Klaus Brecht (Leiter des Fachbereichs Ordnung und Umwelt) haben sich inzwischen auch das Landwirtschaftsministerium in Stuttgart und das Amt für Landwirtschaft und Naturschutz des Rhein-Neckar-Kreises für das Projekt interessiert.
In seiner jüngsten Sitzung folgte nun der Walldorfer Gemeinderat einstimmig dem von Ministerium und Amt für Naturschutz unterbreiteten Vorschlag, das Blühwiesenprojekt gemeinsam als sogenannte "Produktionsintegrierte Kompensationsmaßnahme" (PIK) fortzusetzen.
Diese wurde zwar schon in anderen Bundesländern angewendet, aus Baden-Württemberg liegen jedoch noch keine Praxiserfahrungen vor – insofern übernehme Walldorf eine Pilotfunktion. Man gehe "einen Weg, der neu ist", sagte Bürgermeisterin Christiane Staab und sah darin "eine riesige Chance für das ganze Land".
Wie Brecht ausführte, haben neben dem Initiator drei weitere Landwirte ihr Interesse an einem Mitwirken bekundet. Insgesamt stehe damit eine Fläche von 27 Hektar westlich und nun auch östlich der A 5 zur Verfügung. Die Landwirte erhalten eine Vergütung von 1.200 bis 1.500 Euro je Hektar, dazu kommen noch Kosten für das Saatgut, sodass die Stadt von einem Finanzbedarf von rund 63.000 Euro im Jahr ausgeht.
Die Besonderheit des PIK: Es ist geplant, dass die Flächen ein bis fünf Jahre als Blühwiesen dienen, danach aber wieder landwirtschaftlich genutzt werden können. Trotzdem wirken sich alle mit den Fachbehörden abgestimmten Maßnahmen positiv auf das städtische Ökokonto aus. "Das ist eine echte Win-Win-Situation", meinte die Bürgermeisterin.
Das Monitoring für die letztjährige Pilotphase hat laut dem Fachbüro Spang, Fischer, Natzschka gezeigt, dass die Blühwiesen "wichtige Habitate für Vögel, Wildbienen, Falter und Widderchen des Offenlandes darstellen können". Es seien erfreulich viele Wildbienenarten festgestellt worden – zwar sei die Anzahl an Tieren "nicht überragend groß" gewesen, das sei aufgrund der erstmaligen Aussaat der Blühpflanzen aber auch nicht anders zu erwarten gewesen. Eine Fortsetzung werde "sicherlich zu deutlich größeren Populationen führen".
Allerdings stellte das Büro auch fest, dass Wiesen, denen hinsichtlich der untersuchten Insektengruppen die höchste Bedeutung zukam, beispielsweise von der Feldlerche nicht als Bruthabitat genutzt wurden. Umgekehrt stellte man fest, dass die Wiese mit den meisten Nachweisen der Feldlerche hinsichtlich der Wildbienen und anderen Insekten "vergleichsweise arten- und individuenarm" gewesen sei. Schlussfolgerung des Büros: Die einzelnen Blühwiesen "sollten sich deutlich in ihrer Lage und Struktur unterscheiden". Zudem machte das Fachbüro in seinem Maßnahmenkonzept für die Fortsetzung des Projekts Ratschläge für spezielles Saatgut, um insbesondere auch seltene Arten zu fördern.
Für Uwe Lindner (CDU) wirkt man dem "dramatischen Artenschwund" mit den Blühwiesen entgegen, indem man "überlebenswichtige Biotope" schafft. Lorenz Kachler (SPD) meinte, dass die Initiative sogar dem Landwirtschaftsministerium aufgefallen sei, "zeigt die Einzigartigkeit der Maßnahme hier in Walldorf". Das Artensterben sei "eines der größten Probleme unserer Zeit", sagte Maximilian Himberger (Grüne), dem wirke man nun auf kommunaler Ebene entgegen. Er kündigte zudem einen Antrag seiner Fraktion an, "die Blühwiesen auch in die Stadt zu führen".
Dagmar Criegee (FDP) erklärte, man gehe in Walldorf einen "freiwilligen Weg", anders als das beispielsweise das Volksbegehren in Bayern getan habe. Wie ihre Vorredner wies sie aber auch darauf hin, dass jeder Einzelne etwas für die Biodiversität und gegen das Artensterben tun könne: "Wir appellieren an alle, in ihren Gärten die Artenvielfalt zu fördern und das nicht nur den Landwirten zu überlassen."