Trotz Krise wächst die Volksbank Kraichgau weiter
Die Nachfrage nach persönlicher Beratung steigt. Die Filialen werden sehr genau beobachtet. Der Fusionsvertrag soll im März unterschriftsreif sein.

Wiesloch. (tt) Trotz Corona-Krise ist die Volksbank Kraichgau im letzten Jahr in fast allen Geschäftsbereichen gewachsen: Die Bilanzsumme stieg um 1,8 Prozent auf 4,8 Milliarden Euro. Die Bank, deren Geschäftsgebiet sich von Leimen im Norden, Heinsheim am Neckar im Osten, Mühlbach im Süden und St. Leon im Westen erstreckt, gehört damit nach wie vor zu den fünf größten Genossenschaftsbanken in Baden-Württemberg. Durch die geplante Fusion mit der Volksbank Bruhrain-Kraich-Hardt, die dieses Jahr geplant ist, dürfte sie diese Stellung auch noch weiter ausbauen.
"Die Bank hat sich in einem extrem herausfordernden Umfeld am Markt gut behauptet", berichtet Vorstandssprecher Matthias Zander in einer Telefonkonferenz zur Jahresbilanz. Allein im Kreditgeschäft verzeichnet die Bank einen Zuwachs von über elf Prozent, das Gesamtkreditvolumen der Kunden stiegt um vier Prozent auf 3,3 Milliarden Euro. Bei den privaten Kundeneinlagen konnte die Bank ebenfalls einen Anstieg von 6,3 Prozent verbuchen. Das gesamte verwaltete Anlagevermögen stieg damit auf 5,8 Milliarden Euro.

Abflüsse von Kundeneinlagen muss die Bank dagegen bei institutionellen Kunden, dazu gehören Stiftungen, Versicherungen und Kapitalgesellschaften, hinnehmen: "Diese Kunden suchen nach Ventillösungen", weiß Zander. Weil auf größere Einlagen Negativzinsen gezahlt werden müssten, schichteten die Kunden ihr Vermögen um und suchten alternative Anlageformen. Auch immer mehr Privatkunden suchen nach ertragreicheren Anlagen: Neben Wertpapieren waren auch Lebensversicherungen gefragt. "Neben der Absicherung kann eine Lebensversicherung auch rein zur Geldanlage für zehn bis zwölf Jahre genutzt werden. Diese Lösung wurde 2020 verstärkt nachgefragt", berichtet Zander.
Festhalten will die Bank an ihren Reisebüros in Sinsheim, Eppingen und Bad Rappenau, die derzeit geschlossen sind. Die zehn Mitarbeiterinnen befinden sich in Kurzarbeit. "Die Reisebranche liegt darnieder und die Situation ist schwer zu managen", sagt Vorstandsmitglied Thomas Geier. Bis dato habe man nur einen moderaten Verlust in der ausgegliederten Gesellschaft hinnehmen müssen. "In der Vergangenheit konnten wir hier Rücklagen bilden, die nun aufgezehrt werden", so Geier. Bis zum Ende des dritten Quartals wolle man abwarten, wie sich die Reisebranche entwickle.
Hintergrund
> Die Volksbank Kraichgau weist für das Geschäftsjahr 2020 eine Bilanzsumme von 4,8 Milliarden Euro aus – ein Zuwachs um 86 Millionen Euro (plus 1,8 Prozent). In Baden-Württemberg gehört sie damit zu den fünf größten Genossenschaftsbanken, deutschlandweit belegte sie 2019
> Die Volksbank Kraichgau weist für das Geschäftsjahr 2020 eine Bilanzsumme von 4,8 Milliarden Euro aus – ein Zuwachs um 86 Millionen Euro (plus 1,8 Prozent). In Baden-Württemberg gehört sie damit zu den fünf größten Genossenschaftsbanken, deutschlandweit belegte sie 2019 Platz 29. Die Kundenkredite wuchsen 2020 auf 3,3 Milliarden Euro an, ein Plus von 127 Millionen Euro (Plus vier Prozent). Das Neukreditgeschäft mit gewerblichen Kunden betrug 365 Millionen Euro, darin enthalten sind auch 154 Förderkredite mit einem Volumen von 71 Millionen Euro. Auf Rekordhöhe liegt das Neukreditvolumen im privaten Bereich – vor allem durch Immobilienkredite verursacht – mit 506 Millionen Euro. 2019 waren es "nur" 369 Millionen Euro. Die Volksbank Kraichgau verwaltet für ihre Kunden ein Anlagevermögen von insgesamt 5,8 Milliarden Euro, allein der Wertpapierbestand der Kunden beträgt 1,6 Milliarden Euro.
Die Genossenschaftsbank kommt auch ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nach und hat 2020 nach eigenen Angaben rund 300.000 Euro an Einrichtungen aus den Bereichen Sport, Kinder und Jugendliche, Bildung sowie Kultur und Soziales gespendet. Die Volksbank Kraichgau-Stiftung hat zudem 17 Projekte mit einem Gesamtbetrag von 20.000 Euro gefördert. (tt)
Natürlich beschäftigte die Bank auch das Thema Corona: "Wir mussten Regelungen finden, mit denen wir alle schützen konnten: unsere Mitarbeiter und unsere Kunden", berichtet Vorstandsmitglied Klaus Bieler. Man habe Vorsichtsmaßnahmen getroffen und beispielsweise Schalter durch Plexiglasscheiben geschützt. "Wir haben unsere Arbeitsabläufe so verändert, dass sie auch im Falle einer Infektion weiter laufen können", berichtet Bieler. So sei die IT-Abteilung seit März in zwei Gebäuden untergebracht, sodass ein Parallelbetrieb immer stattfinden könne. Beim mobilen Arbeiten war die Volksbank auch vor der Pandemie schon gut aufgestellt: "Wir haben in die digitale Technik investiert. Unsere Vertriebsmannschaft war zum Beispiel schon vor Corona ausgestattet", berichtet Zander. Während des Lockdowns hätten mehr als 200 Mitarbeiter von zu Hause gearbeitet.
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Sowohl die Sparkasse Heidelberg als auch die Kreissparkasse Heilbronn wollen in den nächsten Monaten zahlreiche Filialen in ihren Geschäftsgebieten schließen. Bei der Volksbank Kraichgau war nur eine Kleinstfiliale in Adelshofen betroffen: "Wir beobachten die Entwicklungen in unseren Filialen und am Markt sehr genau. Auch wir sind nicht frei von Kostenzwängen", sagte Geier. Man merke, dass die klassische Frequenz für einfache Bankgeschäfte in den Filialen stark abnimmt, fügte Zander hinzu. "Allerdings hat die Nachfrage nach qualifizierter Beratung stark zugenommen", so der Vorstandssprecher. Zwar nutzten Kunden verstärkt die digitalen Kanäle, legten aber auch Wert auf die persönliche Beratung.

Bei der Fusion mit der Volksbank Bruhrain-Kraich-Hardt biegt man mittlerweile auf die Zielgerade ein: Im März soll der Verschmelzungsvertrag unterschrieben werden. "Das Projekt ist im Zeitplan und wir sehen den Abschluss noch in diesem Jahr", erklärte Zander. Eine Hürde, an der man zu Knabbern habe, sei die Vertreterversammlung, die wegen der Fusion als Präsenzsitzung stattfinden muss. Derzeit erarbeite man dafür Lösungen. Eine normale Vertreterversammlung soll im Mai – wie schon im letzten Jahr – wieder digital stattfinden. Bis dahin hofft man auch, eine eindeutige Aussage von der Bankenaufsicht Bafin und der Bundesbank zur Dividende zu erhalten.
Die Bank plant eine Dividende für die Mitglieder von vier Prozent. Allerdings gab es 2020 "die mehr als deutliche Empfehlung von Bafin und Bundesbank, wegen der Corona-Pandemie keine Ausschüttungen vorzunehmen", so Klaus Bieler. Dies könne auch in diesem Jahr drohen.
Neben der Fusion steht 2021 auch ein personeller Wechsel im Vorstand an: Thomas Geier scheidet nach 20 Jahren aus dem Leitungsgremium aus und geht zum Jahresende in Altersteilzeit. Für ihn rückt am 1. Oktober Holger Neubauer nach, der seit 30 Jahren bei der Bank arbeitet und derzeit das Firmenkundengeschäft verantwortet. "Begonnen habe ich meine klassische Bankenausbildung bei der Volksbank für das Angelbachtal in Rauenberg", berichtet Neubauer. Der 45-Jährige ist verheiratet, lebt in Angelbachtal und hat zwei Kinder.