Hoch her geht es zu Beginn der "Kleinbürgerhochzeit", aber so gut gelaunt bleibt es nicht. Das Dielheimer Theater im Bahnhof feierte jetzt mit dem Bert-Brecht-Einakter Premiere. Weitere Aufführungen folgen. Foto: Pfeifer
Dielheim. (aot) Eine elegant gekleidete Hochzeitsgesellschaft stürmt gut gelaunt und schon etwas angeheitert den Zuschauerraum des Theaters im Bahnhof. Zu den Klängen des Hochzeitsmarsches (Gerald Teufel am Akkordeon) versuchen die Gäste, im äußerst knapp bemessenen Platz zwischen der ersten Stuhlreihe und der Bühne zu tanzen. Damit ist das Publikum schon eingestimmt und freut sich auf die Dinge, die sich auf der Bühne entwickeln werden. Die Rede ist von der Premiere der "Kleinbürgerhochzeit", eines von Bertolt Brecht unter dem Einfluss seines Freundes Karl Valentin geschriebenen Einakters.
Als sich die Festgäste um den geschmückten Hochzeitstisch versammeln, der das Wohnzimmer fast ausfüllt und so schon optisch die Begrenztheit und Enge des Kleinbürgertums aufzeigt, nehmen die Ereignisse Fahrt auf. Der Brautvater (Edgar Greulich) erzählt hartnäckig Anekdoten aus früherer Zeit, ob sie einer hören will oder nicht. Das möchte die Braut (Sara Lee Holzmeier) unbedingt verhindern, indem sie das vom Bräutigam (Nico Wagenblass) selbst gezimmerte Mobiliar über den grünen Klee lobt. Dass er es mit Parfüm "überschüttet" hatte, um den penetranten Geruch des Leims zu überdecken, stellt sich erst im Laufe des Abends heraus.
Die Brautmutter (Petra Köhler) sorgt für das Essen, zum Hauptgang gibt es Kabeljau, danach Gebäck und Kuchen, allerdings alles etwas knapp bemessen. Bis zur Peinlichkeit kümmert sie sich um den Bräutigam. Dieser wiederum versucht, die aufkommende Missstimmung zu zerstreuen, indem er hektisch Ablenkungsvorschläge unterbreitet. So kommen die Zuschauer in den Genuss einer zweiten Tanzeinlage, von Walzer bis zu Twist und Rock’n’Roll. Nun zeigen sich die ersten Risse, Rivalitäten und Eifersüchteleien der anfangs ach so harmonischen Hochzeitsgesellschaft. Parallel dazu erweist sich das selbst gebaute Mobiliar längst nicht als so solide, wie vom Brautpaar propagiert, Stuhlbeine brechen ab, Spreißel bohren sich in Körperteile und die Couch fällt in sich zusammen.
Der Freund (Horst Huth) macht sich frivol und obszön an die Braut heran, was durchaus auf Gegenliebe stößt und dem Bräutigam Grund zur Eifersucht gibt. Dann ist unter den Gästen noch ein Ehepaar: Er (Edgar Sauer) ist dem Alkohol mehr als zugeneigt, seine Frau (Sabine Rachel) setzt sich mit bösartigen und schadenfrohen Kommentaren in Szene. Als Höhepunkt entlarvt sie die Braut als schwanger, in der "guten Gesellschaft" zur Zeit Brechts noch ein echter Skandal.
Nur bei einem Paar verläuft alles in den gewünschten Bahnen. Nach und nach gelingt es der Schwester der Braut (Hristina Wagner) den ihr als Tischnachbar zugeteilten jungen Mann (Tobias Behner) zu umgarnen. Dieser versucht sich in einer poetischen Tischrede. Der Vorwurf, dass sie "geklaut" sei, lässt ihn allerdings weitgehend kalt, schließlich befindet er sich im siebten Himmel und da jubilieren bekanntlich die Engel. Am Ende ist die Hochzeitsgesellschaft heillos zerstritten, die bürgerliche Fassade zerstört, genauso wie das ganze Mobiliar, nicht einmal das Brautbett ist noch zu benutzen.
Im Gegensatz zu späteren Werken von Brecht glänzt dieses nicht durch seine geistreichen Dialoge. Das war auch nicht seine Intention. Hier steht die Mimik und Gestik im Vordergrund, was man heute gerne als Slapstick bezeichnet. Für Brecht selbst ist die Komödie eine "Orgie der Hohlheit, der Langeweile, der Öde und der Vereinzelung" oder wie es im Programm heißt, eine "fröhliche Mischung aus Valentiniade, Menschenbosheit und Menschenliebe." Dass Regisseurin Uschi Barth das Stück weitgehend in die heutige Zeit versetzt hat, macht deutlich, dass kleinbürgerliches und moralisierendes Verhalten auch heute noch weit verbreitet ist und dass das Stück nichts an Aktualität eingebüßt hat.
Info: Weitere Aufführungen sind am Samstag, 18. November, um 20 Uhr und am Sonntag, 19. November, um 18 Uhr, sowie am Samstag, 25. November, um 20 Uhr und am Sonntag, 26. November, um 18 Uhr, jeweils im Theater im Bahnhof. Karten gibt es im Vorverkauf bei Ihre Brille und Haushaltswaren Frei in Dielheim.