Helmut Martin ist verstorben. Foto: Pfeifer
Von Sebastian Lerche
St. Leon-Rot. Familie, Freunde und Weggefährten sind tief betroffen: Helmut Martin, der erste Bürgermeister der fusionierten Gemeinde St. Leon-Rot, ist im Alter von 82 Jahren verstorben. Über 30 Jahre hinweg war er Rathauschef und wurde für seine Verdienste zum Ehrenbürger ernannt.
Am 17. Januar 1939 wurde er in Ketsch geboren und ist dort mit einem älteren Bruder aufgewachsen. Die Mutter musste die beiden allein großziehen, weil der Vater im Krieg gefallen war. Weil die Familie das Schulgeld nicht aufbringen konnte, verließ Helmut Martin das Gymnasium und fing eine Verwaltungslehre im Ketscher Rathaus an. Er stieg zum Ratsschreiber (heute: Hauptamtsleiter) auf. Sich an einem ambitionierten Freund ein Beispiel nehmend, bewarb er sich mit 28 Jahren im nahen Rot, damals – 1967 – noch eine eigenständige Gemeinde, als Bürgermeister.
Der Posten war heiß umkämpft, gegen mehrere Bewerber musste Helmut Martin sich durchsetzen und schaffte es im zweiten Wahlgang – alles andere als selbstverständlich für so einen jungen Mann. 1974 wurde Rot mit St. Leon zu einer Gemeinde und Martin auch ihr Bürgermeister. Zwei weitere Male sprachen die Bürgerinnen und Bürger ihm ihr Vertrauen aus, bis 1998 blieb er im Amt.
Die Anfangsjahre waren eine spannende Zeit voller Herausforderungen, versuchte Helmut Martin doch, das Ortsteildenken zu überwinden und das Verbindende auszubauen. Was ihm viel Anerkennung einbrachte, war der Verzicht auf einen "Kommandoton", seine verbindliche und offene Art, die Leute einzubeziehen, auch wenn Teilhabe und Bürgerbeteiligung im heutigen Stil damals noch nicht üblich waren.
Zur Einweihung des neuen Veranstaltungszentrums „Harres“ konnte Helmut Martin 1986 eine große Gästeschar begrüßen. Foto: Lawinger-ErhardMit Neubauten in der neuen Mitte der Gemeinde wollte Helmut Martin deutliche Signale aussenden: So kam es, dass Rathaus und Harres ihren Platz fanden. Der Harres hat seinen Namen übrigens vom Hanf, der einst auf den Feuchtwiesen sowohl in St. Leon als auch in Rot angebaut wurde, in beiden Ortsteilen finden sich entsprechende Gewannnamen, für den Bürgermeister daher der richtige Name fürs Veranstaltungszentrum. In seiner Größe, Gestaltung und Angebotsvielfalt war und ist der Harres außergewöhnlich, Helmut Martin engagierte sich persönlich stark, holte bei Reisen durch Deutschland und in die Schweiz Inspirationen.
Helmut Martin griff beim Richtfest mit Grundsteinlegung des Harres 1985 zum Hammer. Foto: Lawinger-ErhardUnter seiner Ägide wurde der St. Leoner See, der 1966 seinen kleinen Anfang nahm, stark ausgebaut. Dass Helmut Martin neuen Ideen gegenüber sehr aufgeschlossen war, sieht man auch am Golfplatz, den er 1997 einweihte, für damalige Zeiten ein ungewöhnliches und nicht unumstrittenes Projekt, das durch eine Bürgerbefragung knapp befürwortet wurde. Ein Herzensanliegen war das neue Rathaus, dessen Bau Martin gegen Ende seiner letzten Amtszeit startete: das sichtbare Zeichen der vereinten Gemeinde. Um es möglich zu machen, fand Martin in Kooperation mit einem Investor ein innovatives Leasingmodell, durch das neben dem Rathaus auch zwei Kindergärten und der Bauhof entstehen konnten.
"Ich bin tieftraurig", sagt sein Nachfolger, Bürgermeister Dr. Alexander Eger. "Wir denken in großer Dankbarkeit an ihn zurück." Helmut Martin habe "unglaublich viele Impulse gesetzt", "mutige Entscheidungen" getroffen und die neu geschaffene Gemeinde "mit großer Weitsicht fortentwickelt". Er habe ihn als klug und durchsetzungsstark erlebt, ihm selbst gegenüber sei er "sehr fair" gewesen, so Eger. Er erinnert sich gut an Helmut Martins letzten Arbeitstag, als sie gemeinsam am Spatenstich für die ersten großen Bürogebäude der SAP im Gewerbegebiet Rot teilnahmen – ab da nahmen bekanntlich die Gemeindefinanzen ihren Aufschwung. Die Amtsgeschäfte übergab Martin an Eger mit zwei intensiven, mehrstündigen Gesprächen – und hielt sich ansonsten zurück, damit sein Nachfolger eigene Gedanken entwickeln konnte. "Dafür bin ich sehr dankbar", so Eger.
Mit einem großen Festakt wurde Helmut Martin 1998 als Bürgermeister verabschiedet. Foto: Lawinger-ErhardDer CDU-Landtagsabgeordnete Karl Klein, unter Helmut Martin von 1979 bis 1992 Hauptamtsleiter der Gemeinde, erinnert sich gerne an einen "sehr lehrreichen und vorbildlichen Vorgesetzten" und "wertvollen väterlichen Freund". Helmut Martin sei "ideen- und planvoll, fleißig, verantwortungsbewusst, ruhelos" aber auch "ein sehr fürsorgender und geselliger Mensch" gewesen, eben "ein Menschenfreund".
Ein Jahr nach seinem Ausscheiden aus dem Bürgermeisteramt starb Helmut Martins Frau, ein schwerer Verlust, der ihn stark belastete. In späteren Jahren war er gesundheitlich beeinträchtigt und litt an Demenz, weswegen er vor drei Jahren ins Astorstift nach Walldorf umzog. Doch ausgedehnte Spaziergänge ließ er sich nicht nehmen und vor allem verfolgte er eifrig die Spiele der TSG Hoffenheim, am liebsten vor Ort, und das schon ehe sie in die Bundesliga aufgestiegen war.
Helmut Martin hinterlässt zwei Kinder und sechs Enkelkinder. Ihnen und allen Weggefährten gilt unsere tiefe Anteilnahme.