Von Sebastian Lerche
Rauenberg/Dielheim. Alles hätte optimal laufen müssen, damit die ersten Baumaßnahmen für die Rebflurneuordnung "Mannaberg/Baufel" in Rauenberg und Dielheim jetzt beginnen können. Wie Ingenieur Matthias Wengert vom Amt für Flurneuordnung im Landratsamt Rhein-Neckar im Gespräch mit der RNZ erläuterte, wird es allerdings wohl mindestens noch ein Jahr dauern, bis die Bagger rollen. Sicher könne man das nicht sagen, "das hängt von sehr vielen Faktoren ab".
Ingenieur Matthias Wengert. Foto: LercheDas Verfahren widmet sich einem 44 Hektar großen Gebiet, das zu zwei Dritteln auf Rauenberger Gemarkung liegt und sich vom Stadtrand nahe der Michaelskapelle in östliche Richtung erstreckt. Hier soll moderner Weinbau ermöglicht werden: "Flurneuordnungen dienen immer dem Ziel der Verbesserung der Agrarstrukturen", betont Wengert.
Momentan liegen viele Flächen auf Mannaberg und Baufel brach, teilweise sind sie stark verbuscht. Die Rebflächen können nach aktuellen wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht genutzt werden, der Personaleinsatz von einst ist heute nicht mehr denkbar. Stattdessen müssen Weinberge mit Vollerntern befahrbar sein: Wie wichtig das ist, machten die Winzer der Region gegenüber der RNZ in ihren Berichten zum diesjährigen Herbst deutlich.
Mit dem Klimawandel geht demnach nicht nur ein früherer Lese-Beginn einher, die Temperaturen sind dabei noch so hoch, dass der gewonnene Most zu stürmisch zu gären droht. Daher müssen die Trauben möglichst früh am Morgen und zügig gelesen werden, was ohne Maschineneinsatz problematisch bis unmöglich ist.
Während ein Großteil der Flächen im Flurneuordnungsgebiet andere landwirtschaftliche Flächen, Grünland und Wege ausmachen, nehmen die sogenannten Rebenumstellungsgebiete 17 Hektar ein: Hier liegt der Kern des Verfahrens, die eventuell vorhandenen Reben oder andere Pflanzen werden gerodet, später werden die Flächen neu bestockt. In Zeiten immer längerer, heißerer und trockenerer "Rekordsommer" wird die Installation einer Tröpfchenbewässerung hier als unerlässlich erachtet. Damit die Weinberge nicht mehr so abschüssig sind und um die großen Querneigungen abzuflachen, muss Wengert zufolge viel Erde bewegt werden: in der Baufel rund 70.000 und am Mannaberg 73.000 Kubikmeter.
Die gegenwärtige Verbuschung vieler Flächen birgt die Gefahr, dass sich die Reblaus und andere Schädlinge ansiedeln und auf bereits genutzte Weinberge ausbreiten. Das Grundstück zu pflegen, sodass das nicht geschieht, ist die Pflicht der Eigentümer, die das aber nicht immer voll leisten können: Verkaufen oder verpachten wären für sie eine Option. Nicht zu unterschätzen ist die Bedeutung dieser Kulturlandschaft für die "Weinstadt Rauenberg" und für Dielheim, dessen Bürger man von Alters her "die Howe" nennt, nach dem Allzweck-Werkzeug im Weinberg. "Da bin ich schon der Meinung, dass man die beiden ortsbildprägenden Hänge von Mannaberg und Baufel aufwerten müsste", so Wengert.
Die Gemeinden und die Winzer initiierten die Flurneuordnung, 2008 wurde die Idee konkretisiert. 380 Grundstücke sind insgesamt vom Verfahren betroffen, sie haben über 500 Eigentümer, die im Gespräch mit dem Flurneuordnungsamt ihre Wünsche äußern können. Und das – nicht etwa die Coronakrise – ist ein Faktor der Zeitverzögerung: die Einzelgespräche, in denen viele Details erläutert werden und teilweise auch Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit geleistet werden muss. "Wir sind immer noch dabei, Gespräche mit Eigentümern zu führen, die wir bisher noch nicht angetroffen haben."
Momentan macht der Umstand die Planungen schwierig, dass "nicht so viele Eigentümer in die Rebenumstellungsgebiete wollen wie erhofft". Das könnte natürlich finanzielle Gründe haben: Wegen des großen Aufwands beläuft sich der Teilnehmerbeitrag innerhalb der Rebenumstellungsgebiete auf 2,60 Euro pro Quadratmeter, außerhalb nur auf 30 Cent je Quadratmeter.
Doch man benötige frühzeitig Rückschlüsse, ob die Größe der Rebenumstellungsgebiete im Plan angemessen ist oder reduziert werden muss. Und wenn sie sehr stark verkleinert würden, hinterfrage spätestens der Rechnungshof dieses Verfahren und die hohen Zuschüsse. Schließlich geht es hier um Ausführungskosten von rund 2,5 Millionen Euro bei einer 75-prozentigen Förderung durchs Land.
Hier ist eine Entwicklung zu spüren, die auch den Hintergrund der Rebflurneuordnung bildet, so Wengert: Es gibt in Rauenberg und Dielheim nicht mehr so viele Winzer wie einst, also auch weniger potenzielle Hauptnutzer – aktuell etwa 20 – im Gebiet "Mannaberg/Baufel", die entweder hauptberuflich Winzer sind oder große Flächen bewirtschaften. Die besseren Bedingungen, die die Flurneuordnung schaffen soll, sollen auch helfen, dieser Entwicklung zu begegnen. "Je mehr Flächen wir zukunftsfähig machen, desto mehr werden auch wieder genutzt." Was den Bedarf angeht, "haben immer die Winzer vor Ort Priorität".
Grundstückseigentümer, die selbst keinen Weinbau betreiben möchten, können immer noch verpachten, laut Wengert kann man ein Grundstück im Rebumstellungsgebiet durchaus als Investition verstehen und mit der Pacht Geld verdienen: "Wir vermitteln gerade viel zwischen Eigentümern und möglichen Pächtern", so Wengert.
Ebenfalls zeitaufwendig sind die ökologischen Untersuchungen, die bereits vor Anordnung des Flurneuordnungsverfahrens begonnen haben. "Alle Maßnahmen müssen mit dem Naturschutz abgestimmt werden", so Wengert: Die Behörden werden dabei ebenso einbezogen wie anerkannte private Organisationen, etwa Nabu und BUND. "Es geht nicht nur um das, was ist, sondern auch um das, was es im Gebiet geben müsste": Alle Tier- und Pflanzenarten werden berücksichtigt, nicht nur besonders geschützte, wobei denen noch einmal eine eigene Analyse gewidmet wird: "Derzeit läuft die ,spezielle Artenschutzprüfung’ durch ein unabhängiges Fachbüro", so Wengert.
Seltene Art: die Mauereidechse. Foto: privatZaun- und Mauereidechse gehören beispielsweise zu den geschützten Arten im Gebiet, letztere hatte man nicht erwartet, daher werden verstärkte Untersuchungen notwendig. In der Regel umfasst jede ökologische Untersuchung ein Jahr, eine ganze Vegetationsperiode. "Komplett wird die spezielle Artenschutzprüfung wohl erst im kommenden Frühjahr sein", so Wengert. Sie kann noch Änderungen für die Planungen bringen.
Ein Eingriff in ein kartiertes Biotop ist dem Ingenieur zufolge nicht vermeidbar: Eine wichtige Wegeverbindung soll durch ein Gehölz führen. Dafür müsse ein gleichwertiger Ersatz geschaffen werden. Auch weitere ökologische Aufwertungen sind geplant, überwiegend sollen im Gebiet Blühwiesen, Magerrasen, Hecken, Streuobstwiesen und Trockenmauern angelegt werden.
Diese strukturelle Vielfalt gehöre zur Kulturlandschaft dazu und sei auch der Artenvielfalt förderlich, so Wengert. Die Ausgleichsflächen gehen später in den Besitz von Dielheim und Rauenberg über, die dann für die Pflege verantwortlich sind: "Das bedeutet einen dauerhaften Schutz für die Arten."