Schwerwiegende Folgen hatte eine Gewerbesteuer-Rückzahlung für Rauenberg. Foto: Pfeifer
Rauenberg. (seb) "Der Schock kam aus dem Nichts", erklären Rauenbergs Bürgermeister Peter Seithel und Kämmerer Thomas Dewald zur enormen Gewerbesteuer-Rückzahlung, die die Stadt 2015 traf. "Es war Mittwoch, der 2. Dezember", erinnert Dewald sich genau. Auch für Seithel, gerade mal fünf Wochen im Amt, ist dieser Tag unvergesslich.
5,4 Millionen Euro Steuer plus 1,8 Millionen Zinsen musste Rauenberg zurückzahlen – und das binnen drei Tagen. Enorme Summen für eine typische 8000-Einwohner-Kommune. Die Nachricht kam kurz vor der Beratung des Haushaltsplans, der mit zuvor knapp 14 Millionen Euro Gesamteinnahmen "gut aufgestellt war", so Dewald. Er betont, dass die Stadt damit überhaupt nicht hätte rechnen können.
Mal abgesehen davon, dass Kommunen generell praktisch keine Einblicke in Auseinandersetzungen zwischen Firmen und Finanzamt erhalten, war für Rauenberg alles, was mit dem klagenden Unternehmen zusammenhing, zu dem Zeitpunkt Geschichte: Es hatte seinen Sitz schon drei Jahre zuvor, 2012, wegverlagert und die Rauenberg zugänglichen Bescheide und Unterlagen zur Gewerbesteuer waren rechtskräftig.
2007 schon wurde laut Dewald der "Vorbehalt der Nachprüfung" aufgehoben. Aber ohne dass man davon erfuhr, wurde ausgerechnet dagegen Einspruch erhoben und das Verfahren zog sich acht Jahre hin. Und jedes Jahr, wie in den Fällen in Walldorf und St. Leon-Rot, fielen jedes Jahr sechs Prozent Zinsen an.
Für Bürgermeister und Kämmerer fast zum Verzweifeln ist die Informationspolitik von Finanzamt beziehungsweise Gericht: Man hätte wohl nach der Veröffentlichung der gefällten Entscheidung suchen können, aber nur, wenn man zuvor davon gewusst hätte, dass es diese Entscheidung gibt. Ein erkenntnistheoretisches Dilemma, ein eigentlich unnötiges, über das die beiden sich ärgern.
Ende 2015 hatte Rauenberg drei Millionen Euro liquide Mittel: Man stand also vor der Frage, wo die übrigen 4,2 Millionen herkommen sollten. Kurzfristige Kredite mussten Dewald zufolge aufgenommen werden. Und während das System aus Umlagezahlungen und Zuweisungen in den folgenden Jahren wenigstens einen Teil der verlorenen Gewerbesteuer ausglich, musste Rauenberg den Rest und die gesamte Zinssumme selbst zusammenkratzen, die Einbußen betrugen fast 2,9 Millionen Euro.
Geld, mit dem der frisch gewählte Bürgermeister gemeinsam mit Rat und Verwaltung eigentlich gestalten wollte, reale, der Stadt zustehende Einnahmen. Die sechs Prozent Zinsen hält man auch in Rauenberg für realitätsfremd und unverhältnismäßig.
Zur Haushalts-Stabilisierung fällte man schwere Entscheidungen: Grundsteuern und Gewerbesteuer wurden "nicht unerheblich erhöht", so Dewald, ebenso die Gebühren. "Wir haben jeden Haushaltsposten 100-Euro-weise umgedreht und jede Ausgabe auf den Prüfstand gestellt." Seithel zeigt sich "dem Gemeinderat sehr dankbar": Sachlich, zielorientiert und "ohne Parteiengeplänkel" habe man den Haushalt durchforstet – "eine kolossale Leistung".
An den Pflichtaufgaben war Seithel zufolge natürlich nicht zu rütteln, also ging es an die freiwilligen Leistungen, "gerade die, die eine Kommune ausmachen". Sehr viele Projekte mussten verschoben werden. "Dieser Einschlag hat hohe Wellenberge verursacht", beschreibt Seithel die Folgen der Rückzahlung, "und gerade, als die abgeebbt waren, kam die Coronakrise." Wobei man dank der Soforthilfen von Land und Bund zumindest für 2020 "mit einem blauen Auge davongekommen" sei, ergänzt Dewald. So habe man 388.000 Euro erhalten, 20 Prozent der durchschnittlichen Gewerbesteuer. Dem gegenüber stehen wiederum coronabedingte Mehrkosten und Einnahmeausfälle von rund 800.000 Euro. Aber Seithel will nicht jammern: Zusammen mit Gemeinderat sowie den Bürgerinnen und Bürgern habe man auch "ganz viel hingekriegt".