Der „720er“ fährt von St. Leon-Rot über Walldorf und Sandhausen nach Heidelberg. Seit einiger Zeit häufen sich die Verspätungen auf dieser Strecke, weil die Busse wegen Tempolimits und erhöhtem Verkehrsaufkommen mehr Zeit benötigen. Foto: Hecker
Von Sophia Stoye
St. Leon-Rot/Heidelberg. Verspätungen und längere Fahrzeiten als geplant gehen inzwischen Hand in Hand mit dem "720er", der Buslinie zwischen St. Leon-Rot und Heidelberg, die über Walldorf und Sandhausen führt. Um der Problematik entgegenzuwirken, stimmte nun der St. Leon-Roter Gemeinderat einstimmig den vom Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) vorgeschlagenen Stabilisierungsmaßnahmen zu.
Den Einsatz einer Schnellbuslinie von St. Leon-Rot über die Autobahn direkt nach Heidelberg sah der Gemeinderat zwar kritisch, allerdings holt sich die Gemeinde ein Angebot zur Prüfung des Schnellbusses zu den Hauptverkehrszeiten ein. Als kurzfristige Alternative, um den Verkehr zu entlasten, stimmte der Gemeinderat ebenfalls einstimmig für ein Programm zur finanziellen Förderung von Fahrrädern, Lastenrädern, E-Bikes und E-Rollern.
"Bedingt durch die Einrichtung von Tempo 30 oder wegen erhöhtem Verkehrsaufkommen benötigen die Busse immer mehr Zeit auf dieser Strecke", erklärte der Klimaschutzbeauftragte Sascha Rachow dem Gemeinderat. Deshalb seien drei Maßnahmen zur Stabilisierung des Betriebsablauf geplant: Einerseits sollen die Fahrzeiten ausgeweitet und die Fahrpläne an die tatsächliche Verkehrslage angepasst werden. Dies erfordert der Gemeinde zufolge eine Neugestaltung der Dienstpläne und den Einsatz von zusätzlichen Fahrzeugen.
Weiterhin wird die Haltestelle "Im Bieth" in Heidelberg-Kirchheim wegfallen. Das aber nur bei durchgehenden Fahrten von und nach St. Leon-Rot, bei den in Walldorf einsetzenden beziehungsweise endenden Fahrten wird die Haltestelle weiterhin angefahren. Die dritte und letzte Stabilisierungsmaßnahme ist die Wiedereinrichtung des Bismarckplatzes in Heidelberg als Start- und Endhaltestelle. Derzeit beginnt und endet die Buslinie 720 an den Stadtwerken. Die Mitfinanzierung der Buslinien-Stabilisierung kostet die Gemeinde laut Rachow pro Jahr 58.500 Euro zusätzlich.
Ein weiterer Vorschlag des VRN war die Einrichtung einer zusätzlichen Schnellbuslinie 720 direkt von St. Leon-Rot über die Autobahn A5 ebenfalls zum Bismarckplatz nach Heidelberg. Dieser Bus würde im Stundentakt fahren und die Gemeinde knapp 250.000 Euro zusätzlich im Jahr kosten. "Es besteht ein erheblicher Zweifel an der Fahrzeitenprognose aus den bisherigen Erfahrungen und der Tatsache, dass die Autobahn Richtung Heidelberg in den nächsten Jahren durch Baustellen geprägt sein wird", erklärte Rachow.
"Sobald die Fahrzeit drei bis vier Minuten länger dauert, ist der ganze Fahrplan nicht einzuhalten", ergänzte Bürgermeister Alexander Eger. Für solche Fälle bräuchte man einen weiteren Bus, der die Kosten für die Gemeinde verdoppeln würde. Deshalb riet der Ausschuss für Umwelt und Technik, der das Thema vorberaten hatte, von der Beauftragung dieser Schnellbuslinie ab. Allerdings wird sich die Gemeinde auf Vorschlag von Wolfgang Werner (SPD) und Marina Krenzke (Grüne) ein Angebot einholen, wie viel eine Prüfung der Linie zu den Hauptverkehrszeiten kosten würde.
Achim Schell bat im Namen der CDU "unbedingt" um eine Fahrgastzählung, um zu schauen, wie viele Personen die Linie 720 aus St. Leon-Rot überhaupt nutzen würden. Bürgermeister Eger erklärte außerdem auf Nachfrage Wolfgang Werners, dass es derzeit nicht einmal Aussagen zu Fahrgastprognosen gebe. "Das ist genau das, was wir bemängeln", so der Bürgermeister.
Um aber trotzdem kurzfristig mit weniger Kosten zur Entlastung der Straßen beizutragen, schlug die Verwaltung ein Mobilitätsförderprogramm vor. Damit soll ab dem 1. Januar nächsten Jahres der Kauf von Fahrrädern, Fahrradanhängern, Kindersitzen für Fahrräder, Lastenräder, E-Bikes und E-Rollern gefördert werden. Der finanzielle Zuschuss beträgt maximal 50 Prozent des Kaufpreises oder eine festgelegte Summe, die abhängig vom Ort des Erwerbs ist: Für einen Kauf in einem ortsansässigen Unternehmen gibt es eine höhere Förderung als anderswo.
Somit werden Fahrräder mit bis zu 100/150 Euro, Fahrradanhänger mit 200/250 Euro, Kindersitze mit 40/50 Euro und Lastenräder mit 500/700 Euro bezuschusst. Für E-Bikes kann es einen Zuschuss von 500/700 Euro und für E-Roller von 700/900 Euro geben. Um eine Förderung zu beantragen, werden in der Gemeinde Gutscheine ausgegeben, die innerhalb von sechs Wochen eingelöst werden müssen. Die Ausgabe der Gutscheine erfolgt im Rathaus ab dem 11. Januar 2021, ab dem 2. Januar kann der Antrag aber schon online gestellt werden.
Mit maximal 100 Euro pro Bürger pro Jahr werden außerdem Mobilitätsgutscheine gefördert: Diese Rückerstattung ist für Carsharing (maximal 100 Euro) und Mehrfahrkarten im VRN-Gebiet (maximal 50 Euro) einlösbar. Dafür müssen die Rechnungen, Belege und Fahrkarten gesammelt sowie ein Antrag ausgefüllt werden. Das Mobilitätsförderprogramm ist zunächst auf 2021 und 2022 befristet und kann pro Bürger und Bürgerin nur einmal in Anspruch genommen werden. Je 100.000 Euro werden dafür im Haushalt der nächsten beiden Jahre eingestellt.