Nimmt Schüler, Eltern, Lehrer und Kultusministeriale gleichermaßen auf die Schippe, mit scharfem Blick und doch viel Verständnis: Hans Klaffl. Foto: Pfeifer
Von Rudi Kramer
Mühlhausen. Ganz egal, ob die Schulzeit schon viele Jahre oder erst einige Monate zurückliegt, ob man sich gerne an sie erinnert oder die Zeit am liebsten vergessen möchte: Der Kabarettist und pensionierte Pädagoge Hans Klaffl schafft es bei "Kultur im Bürgerhaus" mit seinem kabarettistischen Soloprogramm "40 Jahre Ferien – Ein Lehrer packt ein" mit seiner humorvollen und selbstironischen Art, jeden Besucher im ausverkauften Haus zum Schmunzeln, manchmal auch zum lauten Lachen zu bringen. Dabei geht der Musiklehrer am "Lukas-Podolski-Gymnasium" den Vorurteilen über Lehrer, Schüler und Eltern nach.
Als "Oberstudienrat K." deckt er schonungslos auf, was hinter Schulmauern so alles geschieht, durchleuchtet mit Kennerblick das komplexe Seelenleben seiner ehemaligen Kollegen und stellt die unglaublichen Strategien der Jugendliche dar, um sich allen pädagogischen Bemühungen zu entziehen – immer mit einem Augenzwinkern.
Ja, Hans Klaffl ist ein Typ, der die "Schulkultur auf den Punkt bringt, der Schüler und Lehrer gleichermaßen versteht", wie Rolf Schwarz, Teamleiter von Kultur im Bürgerhaus, in seiner Begrüßung betonte. Klar, weiß der Kabarettist doch aus eigener Erfahrung zu berichten: "Lehrer sind ganz normale Menschen ohne psychischen Defekt." Warum er als Anhänger der 68er-Bewegung diesen Weg eingeschlagen hat, wo man doch damals "bis an die Grenzen des Erlaubten ging?". Seine Antwort: "Ich war jung und brauchte Geld".
Zu Beginn schlurft Klaffl lustlos und abgeschlafft auf die Bühne. Unter Seufzen, Wehklagen und mit einer Flasche Rotwein macht er sich daran, einen Stapel Musikarbeiten zu korrigieren. Die vielen Fehler bringen ihn fast zur Verzweiflung. "Bei der Blockflöte geht der Schall immer bis zum ersten Loch". Oder: "Der Tenor ist der Sopran der Männer". Den Begriff "Rhythmus" hat ein einziger richtig geschrieben, ausgerechnet der mit der Rechtschreibschwäche.
Ab und an setzt Klaffl sich ans Klavier oder greift in die Saiten seines Kontrabasses. Dann spielt er bekannte Melodien mit neuen Texten. Seinen Frust über die schlechten Noten im Musiktest singt er sich bei Peggy Lees "Fever!" von der Seele und zur Melodie von Lou Reeds "Walk On The Wild Side" beschreibt er eine vom Wochenende gestresste 11. Klasse am Montagmorgen. Die Schüler sind aber nicht sein Hauptthema und schon gar nicht sein Hauptproblem. Dafür spricht er zu verständnisvoll und voller Achtung von ihnen und hat für ihre Sorgen und Nöte viel übrig. Es sind die Kollegen und vor allem die Bürokratie, die ihn auf die Palme bringen.
Äußerst treffend charakterisiert er seine Mitstreiter in der Schule, steckt sie in vier Schubladen: der Abgeklärte, der Bedenkenträger, der Knackige und der Schöngeist. Unterschiedliche Situationen haben dabei auf ihre Charaktere keinen Einfluss. Nicht für alle ist "der Schüler der natürliche Feind des Lehrers".
Dann kommt Klaffl zu seinem nächsten großen Thema: die Vergreisung des Kollegiums. "Früher haben wir einmal im Jahr gesammelt, um eine Strampelhose für das Kind einer Kollegin zu kaufen. Heute sammeln wir einmal im Vierteljahr 150 Euro für einen Kranz." Eindringlicher kann man die "marodierende Geriatrie" mancher Schule nicht zeichnen.
Es ist die Sicht eines echten Insiders, wenn der Kabarettist auf den "Lebens- und Leidensraum Schule" blickt. Manchmal ist es ein sezierend-scharfer Blick, der Schwächen mit Ironie und oft mit Sarkasmus aufgreift. Meist aber lachen der Künstler und sein Publikum mit den Typen, die da auseinandergenommen werden: Fast jeder erkennt da Menschen wieder, mit denen er es zu tun hatte, oder sich selbst.
Die größten Lachsalven gibt es an den Stellen, die sich einem Nichtlehrer gar nicht sofort erschließen: Bei der Beschreibung einer Lehrerkonferenz zum Beispiel. Da scheinen die Tagesordnungspunkte "Notenkonferenz" oder "beweglicher Ferientag" die höchste Priorität zu besitzen. Dort treffen sich alle Pädagogen, "die sich das gleich gedacht haben", und diskutieren mit jenen, "die es schon immer gewusst haben".
Kein Auge bleibt trocken, wenn Klaffl Schüler, Eltern und Kultusministeriale auf die Schippe nimmt und an den Schulalltag erinnert, beispielsweise das verhasste Geräteturnen ("Herunter kommen sie alle"). Nach der Sportstunde werden dann "chemische Kampfstoffe" frei, die übel riechenden Sportschuhe werden für eine Woche in einer Plastiktüte aufbewahrt. Die Mädchen duschen nicht, damit das Nabel-Piercing nicht rostet und tragen so viel Make-up, dass die Kabel des Kopfhörers "unter Putz liegen".
Besonders lustig erzählt Klaffl vom Elternsprechtag, wenn die Eltern von 285 Schülern antanzen, um klarzustellen, dass der Lehrer die "intellektuellen Fähigkeiten" des Sprösslings leider übersehen hat. Die Mutter, deren Sohn daheim "so brav" sei, muss leider erfahren: "Im Unterricht ist er nur hinterfotzig." Andere Eltern kümmert’s nicht: "Was soll der Elternsprechtag, wenn ich schon alles über mein Kind weiß?"
Die im Hinterkopf der Beteiligten ablaufenden Gedanken fasst der Kabarettist in einer wunderbaren Parodie zusammen, bei der er ständig Klavier und Kontrabass wechselt. Bei seinen Liedern legt Klaffl ein erstaunliches Temperament an den Tag.
Zum Schluss wollte er noch über ein Thema reden, das so gar nichts mit Schule zu tun habe: "Pädagogik". Das geistreiche, zum Schreien komische und rundum gelungene Kabarettprogramm belohnten die Kleinkunstfreunde mit einem Riesenbeifall.