Tempo 30 in Rettigheim: Die Geschwindigkeitsreduzierung gilt bereits seit einem Jahr. Rückwirkend wurde die Maßnahme nun geprüft – um Rechtssicherheit zu schaffen. Foto: Pfeifer
Von Tobias Törkott
Mühlhausen. Lärm macht krank: Das ist wissenschaftlich bewiesen. In Mühlhausen wollen Verwaltung und Rat nun dagegen vorgehen. "Wir müssen reagieren", sagte Bürgermeister Jens Spanberger zum Auftakt der Gemeinderatssitzung am Donnerstagabend. Und auch die Mitglieder der vier Fraktionen waren sich einig. Ohne Gegenstimme entschieden sich die Rätinnen und Räte von CDU, Grüne, Freie Wähler und SPD für die Erstellung eines Lärmaktionsplanes.
Darin soll die Situation mittels einer Kartierung bestimmter Straßen analysiert werden. So wird festgestellt, wie laut der Verkehr durch die Straßen Mühlhausens tatsächlich rollt. Machen Autos, Laster und Busse zu viel Krach, werden Maßnahmen getroffen. Dann können Geschwindigkeitsbegrenzungen wie Tempo 30 oder Fahrbahnverengungen folgen.
"70 Dezibel, das ist schon schmerzhaft", erklärte Peter Koehler, Geschäftsführer des Karlsruher Ingenieurbüros Koehler und Leutwein, das mit Messungen herausfinden soll, wie laut der Verkehr durch die Gemeinde fließt. Mit einem Schaubild offenbarte er den Ratsmitgliedern, dass im Bereich von 60 bis 70 Dezibel für Bürger die Gefahr von Herz-und Kreislauferkrankungen ansteige. "Es wird nichts schön gerechnet", so Koehler über die anstehende Kartierung.
Schon 2012 und 2017 wurde in Mühlhausen die Lärmbelastung analysiert. Damals jedoch nur die Bundesstraße 39 und die Landstraße 546. Kreis- und Gemeindestraßen wurden von der Landesanstalt für Umwelt, Messung und Naturschutz (LUBW) nicht geprüft.
Insgesamt werden sieben Straßen kartiert. Darunter zum Beispiel die Ortsdurchfahrt von Tairnbach oder in Mühlhausen der Bereich zwischen der Speyerer Straße und der Hauptstraße. "Dort ist Tempo 50. Da müssen wir die Bewertung des Lärms sehen", sagt Bürgermeister Spanberger. Ist dieser zu hoch könnte das Folgen haben. "Wenn die Vorgaben für Tempo 30 vorhanden sind, werden wir das ins Auge fassen", so Spanberger.
Auch die Rettigheimer Ortsdurchfahrt wird untersucht. Dort hängen seit dem Frühjahr 2020 bereits Tempo 30-Schilder. Installiert wurden diese noch ohne Lärmaktionsplan. Grundlage war damals ein städtebauliches Verkehrskonzept. Einen Lärmaktionsplan hatte das Regierungspräsidium der Gemeinde empfohlen. Am Donnerstag wurde er vorgestellt. "Die Voraussetzung für eine 30er-Zone ist ein Verkehrskonzept oder eben dieser Plan. Um mehr Rechtssicherheit zu erlangen, schieben wir den Lärmaktionsplan nun hinterher", sagte Spanberger. Das Ingenieurbüro analysierte darin, wie hoch die Lärmbelastung der Rettigheimer Ortsdurchfahrt bei Tempo 50 wäre. Dabei beriefen sich die Experten auf eine Verkehrszählung aus dem Jahr 2018 mit etwa 6000 Autos pro Tag. "Da kann man schon in Bereiche kommen, in denen Maßnahmen möglich sind", fasste Koehler den Bericht aus Oktober 2020 zusammen. Besonders im Bereich der Östringer und Rotenberger Straße lägen die Lärmbelastungen des Verkehrs im Durchschnitt bei 65, im Maximalbereich bei 69,1 Dezibel am Tag. Klares Urteil der Rückwärts-Analyse: Die Temporeduzierungen werden empfohlen und waren sinnvoll.
Das Gutachten der Karlsruher Ingenieure zeigt, welchen Effekt Tempo 30 haben kann: "Durch die Verringerung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ist eine Minderung von zwei bis drei Dezibel zu erreichen." Damit würde für die meisten Gebäude die Lautstärke des Verkehrs unter die Gesundheitsgefährdung sinken.
Reimund Metzger von den Freien Wählern erinnerte an die Diskussion um die 30er-Zone in Rettigheim aus dem Vorjahr: "Wir haben damals gesagt, dass das Regierungspräsidium einen Lärmaktionsplan haben wollen wird – wir bewegen uns auf dünnem Eis." CDU-Rat Jochen Knopf wollte wissen, ob in Rettigheim nun verstärkt die Geschwindigkeit überprüft werde. Die Verwaltung verneinte das. Aber bereits im April werde man aktiver beim Thema Blitzen. Knopf: "Wir können das nur befürworten. Das hilft, damit sich die Leute daran halten."