Christoph Nestor, Organisationsleiter beim Mieterverein Heidelberg. Foto: Dorn
Wiesloch/Walldorf/Heidelberg. (oé) Wohnungsnot und steigende Mieten sind schon lange kein Phänomen der großen Städte mehr, auch deren Umland ist "längst in den Sog dieser Entwicklung geraten", weiß Christoph Nestor, Organisationsleiter beim Mieterverein Heidelberg, der auch die Region rund um Heidelberg mitbetreut und Beratungsstellen unter anderem in Wiesloch und Walldorf unterhält.
Als Nestor 1990 anfing, lag der Schwerpunkt noch in Heidelberg. 4000 der damals gut 6000 Mitglieder des Mietervereins kamen seinen Worten zufolge aus der Universitätsstadt. Aus dem Heidelberger Umland waren es dagegen nur etwas mehr als 2000 Mitglieder. Inzwischen hat sich das Bild komplett gedreht. Heute zählt der Mieterverein Heidelberg rund 13.500 Mitglieder, von denen über 8000 aus dem Umland kommen und nur noch gut 5000 aus Heidelberg selber. "Das spiegelt die Situation wider", sagt Nestor. "Richtig angezogen" habe diese Entwicklung bereits Ende der 2000er Jahre. Die Zeiten, da die Wohnungen im Umland Heidelbergs noch deutlich billiger waren, sind seinen Worten zufolge vorbei.
Und noch mit einem anderen Vorurteil räumt Christoph Nestor auf: dass nur "Arme" von Wohnungsnot und steigenden Mieten betroffen sind. Den Erfahrungen des Mietervereins zufolge ist das Problem längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen und trifft auch Menschen "mit mittleren Einkommen", also "den Polizeibeamten oder die Krankenschwester", so Nestor.
Das Durchschnittseinkommen einer vierköpfigen Familie liege in Baden-Württemberg derzeit bei 65.000 Euro brutto. Das sei auch die Einkommensgrenze, bis zu der man einen Wohnberechtigungsschein bekommen könne. Sprich: Etwa die halbe Bevölkerung Baden-Württembergs hätte Anspruch auf eine geförderte Wohnung, wenn sie sich einen Wohnungsschein holen würde, so Nestor. Für solche, oft junge Familien spiele es eine "entscheidende Rolle", ob die Miete 800 oder 1400 Euro im Monat betrage. Allerdings nehme der Bestand an und Sozial- und Normalmietwohnungen in Deutschland ab. "Es werden wesentlich weniger gebaut als geförderte Wohnungen wegfallen."
Video der Veranstaltung des Mieterverein Heidelberg am vergangenen Dienstag
Der Mieterverein will deshalb eine Bürgeraktion "WohnWende" starten und plädiert für einen "Systemwechsel" auf dem Wohnungsmarkt, weg von der Rendite- hin zur Gemeinwohlorientierung. Weil der Markt versagt habe, müsse durch "verbindliche Förderquoten ein bedarfsgerechtes und bezahlbares Wohnungsangebot geschaffen werden". Notwendig sei eine Quote von mindestens 40 Prozent für geförderte Sozial- und Normalmietwohnungen für untere und mittlere Einkommensbezieher und 30 Prozent für Eigentum in den Einkommensgrenzen der Landeswohnbauförderung (Wohnberechtigungsschein).
Dringend ist aus Nestors Sicht auch eine engere Zusammenarbeit der Kommunen über die Gemarkungsgrenzen hinweg. Was bei Wasser und Abwasser funktioniere, das müsse es auch bei der Wohnbaupolitik geben. Stichworte sind die Einrichtung eines "Wohnbauforums" zur Entwicklung kommunaler Wohnbauversorgungskonzepte und den Aufbau eines regionalen Wohnbaufonds zu deren Umsetzung. Wohnen sei "die soziale Frage unserer Zeit". Nestor: "Es geht ums Gemeinwohl, das ist der Punkt."