Große Bäume vor Fällungen zu schützen, ist das Ziel einer Baumschutzsatzung: Meist werden die Bäume als schützenswert eingestuft, wenn ihr Stamm 60 bis 100 Zentimeter über dem Wurzelansatz einen Umfang von 40 bis 80 Zentimetern hat. Foto: Jan A. Pfeifer
Von Timo Teufert
Walldorf. Bislang kann die Stadt Walldorf an Privatleute, die Bäume auf ihren Grundstücken fällen wollen, nur appellieren, große, stadtbildprägende Bäume zu erhalten. Eine rechtliche Grundlage für den Erhalt gibt es nicht. Um dies zu ändern, haben die Grünen im Gemeinderat die Erarbeitung einer Baumschutzsatzung beantragt. In dieser wird festgelegt, welche Bäume als schützenswert eingestuft werden. Zahlreiche Kommunen haben bereits solche Satzungen. Doch bei den Beratungen in der jüngsten Gemeinderatssitzung wurde deutlich: Die Hälfte der Stadträte hält eine Satzung in Walldorf für nicht erforderlich.
"Ende der 1980er-Jahre hat es von uns schon einmal einen Antrag für die Erstellung einer Baumschutzsatzung gegeben", erklärte Grünen-Fraktionschef Wilfried Weisbrod. Inzwischen gebe es aber viele relevante Gründe, auch und gerade wegen Fragen des Klimaschutzes, sich diesem Thema erneut zu stellen. "Der Zweck einer Baumschutzsatzung ist die Bestandserhaltung der Bäume zur Sicherung eines ausgewogenen Naturhaushalts unter besonderer Berücksichtigung von stadtökologischen Belangen, von Lebensstätten der Tier- und Pflanzenwelt und der Naherholung", so Weisbrod. Es sei wichtig, dass man gewisse Bäume schütze. "Um ein rechtzeitiges städtisches Mitspracherecht zu erlangen, fordern wir die Einführung einer Baumschutzsatzung", unterstrich er. So würden in der Regel Bäume, die in einer Höhe von 60 bis 100 Zentimetern oberhalb des Wurzelansatzes einen Stammumfang von 40 bis 80 Zentimetern haben, als schützenswert eingestuft.
Neben den Schutzkriterien forderten die Grünen auch Regelungen für die Festsetzung von Ersatzpflanzungen, die eine gutachterlich festgestellte und notwendige Fällung kompensieren würden. Weisbrod könnte sich vorstellen, dass die Stadt dafür ein Gelände zur Verfügung stelle, auf dem – gegen Gebühr – Platz für die Ersatzpflanzungen wäre. Die Stadtverwaltung zeigte sich offen für den Grünen-Vorschlag: "Eine moderne Baumschutzsatzung kann zur nachhaltigen Sicherung des Baumbestandes innerhalb einer Stadt beitragen und damit die wichtigen ökologischen Funktionen großer Bäume im Stadtgebiet sicherstellen", heißt es in der Vorlage.
"Es ist wichtig, sich intensiv um Stadtbegrünung und den Rückbau von Schottergärten zu kümmern", sagte CDU-Fraktionsvorsitzender Mathias Pütz. Im Vorfeld der Sitzung habe man sich mit einer Baumschutzsatzung befasst und sei zu dem Ergebnis gekommen, diese im Grundsatz nicht zu unterstützen. Man betrachte die bestehenden Vorschriften als ausreichend. "Der Eingriff in die Eigentumsrechte der Grundstücksbesitzer geht uns zu weit", so Pütz. Auch die Verhältnismäßigkeit einer Baumschutzsatzung stellte er in Frage: "Etliche Bäume in Privatbesitz werden ohnehin nur angetastet, wenn triftige Gründe vorliegen." Da Bauarbeiten im privaten Bereich schon einer ganzen Reihe gesetzlicher Regelungen unterliegen, wolle man diese nicht noch um eine zusätzliche kommunale Satzungsregelung erweitern. Zumal er hinterfragte, ob man die Einhaltung der Satzung überhaupt kontrollieren könne. "Vielmehr ist uns daran gelegen, die Entscheidung für eine Baumpflanzung zu fördern und zu unterstützen", so Pütz.
"Niemand wird hier ernsthaft bezweifeln, dass gerade große Bäume nicht schützens- und erhaltenswert sind", sagte Christian Schick (SPD). Man wolle sich einer Satzung nicht verschließen, denn bislang gebe es außer jahreszeitlicher Vorgaben keine Handhabe, das Fällen von Bäumen gleich welcher Größe zu verhindern. "Eine Baumschutzsatzung müsste aber eindeutig und auf ein absolut notwendiges Maß beschränkt sein", so Schick. Statt eines Papiertigers, den niemand verstehe, müsse diese kurz und verständlich sein. Aber auch notwendige Ausnahmen müssten nachvollziehbar zugelassen werden. "Und gerade hier sehen wir derzeit die Schwierigkeiten", sagte Schick. Er störte sich in der beispielhaft von den Grünen genannten Satzung aus Mannheim an diesen Ausnahmen, etwa bei verschatteten Gartenflächen, die eine Rasenpflanzung unmöglich machen. "Wer entscheidet diese unbestimmten Rechtsbegriffe", fragte Schick. Daher sehe die SPD aktuell in einer solchen Satzung mehr Probleme als Lösungen. Wenn die Verwaltung aber einen Entwurf zur Beratung vorlege, werde man sich damit befassen.
Auch die FDP will laut Paula Glogowski die Bäume in Walldorf bestmöglich schützen. "Allerdings können wir der Herangehensweise nicht zustimmen", so die Stadträtin. Anders als die Grünen sei man der Meinung, dass man an Stelle von Verboten größere Erfolge im Naturschutz durch Anreize erzielen könne. Eine Satzung könnte ihrer Meinung sogar kontraproduktiv sein: Bürger könnten sich grundsätzlich gegen das Anpflanzen von Bäumen entscheiden. Aus Sorge, sie nicht mehr entfernen oder beschneiden zu dürfen. "Anstatt die Bürger zu bevormunden und mit einem weit ins Private eingreifenden Verbot zu konfrontieren, vertrauen wir als FDP-Fraktion auf das verantwortungsbewusste Verhalten der Walldorferinnen und Walldorfer", so Glogowski. Sie gehe nicht davon aus, dass diese leichtfertig Bäume auf ihren Grundstücken fällten.
Doch gerade wenn sich Lebenssituationen ändern, sollte es nach Meinung der FDP möglich sein, dass eigene Grundstück an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Für sie gleicht die Mannheimer Baumschutzsatzung einem Bürokratie-Monster, da selbst Veränderungen beantragt werden müssten. "Mit weiteren Verboten kommen wir dem Schutz der Bäume nicht näher", ist Glogowski überzeugt. Stattdessen schlug sie vor, dass die Stadt Baumschnittkurse und Kurse zur Pflege von Gärten organisiere.
"Es lohnt sich, einen Entwurf zu sehen, wie sich die Verwaltung eine Baumschutzsatzung vorstellt", appellierte Manfred Zuber (SPD) an die Gemeinderäte von CDU und FDP. Denn in der Vorlage stehe, dass die Verwaltung einer solchen Satzung nahetreten könne. "Wie können wir Ihnen die Angst nehmen, und trotzdem eine ,Baumschutzsatzung light’ für das Stadtgebiet erarbeiten?", fragte Zuber. Er sei der Meinung, dass man eine Satzung brauche, allerdings nicht in der Ausgestaltung wie in Mannheim.
Das Mannheimer Beispiel habe man lediglich als Muster dem Antrag beigelegt. "Damit man sieht, wie so etwas aussieht und damit nicht jedes Rad neu erfunden werden muss", erklärte Weisbrod. Er habe von seinen Kollegen viel zum Thema Ökologie gehört, Schutzmaßnahme lehnten sie aber ab. "Wir haben eine Vorlage, in der die Verwaltung sagt, sie möchte dieser Sache näher treten. Und dann kommen Vorbehalte, dass es ein Bürokratie-Monster wäre", ärgerte er sich. Er habe das Gefühl, die Verwaltung sei lange nicht so Bürokratie getrieben, wie die Fraktionen glaubten. "Warum soll man diesen Weg nicht gehen?", fragte er. Schließlich gehe es erst einmal um die Diskussion. "Wir möchten diese Satzung nicht, mit allem, was sie mit sich bringt", erwiderte Pütz. Auch keine abgeschwächte Variante, die auf Walldorfer Verhältnisse zugeschnitten sei. "In der Satzung sind grundlegende Probleme", ist der CDU-Mann überzeugt. Man bügle den Antrag nicht einfach ab, sondern habe inhaltlich argumentiert. Vor allem der Ermessensspielraum bereitet der CDU Sorge.
Für den Vorschlag, eine Walldorfer Baumschutzsatzung zu erstellen, stimmten schließlich die elf Räte von SPD und Grünen, dagegen die elf Räte von CDU und FDP. Durch die Stimmgleichheit – Bürgermeisterin Christiane Staab fehlte in der Sitzung – wurde der Antrag somit abgelehnt.