Die Theatergruppe "Includo" des Vereins "SMILE" war bei der Inszenierung von Shakespeares "Sommernachtstraum" in St. Leon-Rot mit Herzblut dabei und gestaltete einen "ganz tollen Abend". Foto: Theo Vetter
Von Tobias Rehorst
St. Leon-Rot. "Ihr seid echt eine Chaotentruppe, wisst ihr das?" Irgendwann platzt der Regisseurin der Handwerker-Schauspielgruppe dann doch der Kragen und sie lässt ihrem Ärger lautstark und leidenschaftlich freien Lauf, wollen sie doch gemeinsam ein Stück zur Hochzeit des Herzogs von Athen einstudieren.
Reichlich Verwirrung gibt es in Shakespeares Komödie "Ein Sommernachtstraum", mehrere Handlungsstränge verweben sich zu einem ziemlich konfusen Geflecht rund um die Hochzeit des Herzogs von Athen. Da wäre eben die Gruppe von Handwerkern, die im Wald für ein Theaterstück probt, das dann auf der Hochzeit aufgeführt werden soll, sowie eine größere Beziehungskiste: Helena ist ganz verschossen in Demetrius, der jedoch nach dem Wunsch ihres Vaters Hermia heiraten soll, die wiederum lieber Lysander heiraten will.
Die Härte des athenischen Gesetzes beim Bruch des Verlobungsversprechens - Tod oder Kloster - führt zur Flucht Hermias und Lysanders. Zu ihrem Unglück geraten sie im Wald in einen Streit zwischen dem Elfenkönigspaar Titania und Oberon. Von Oberon dazu beauftragt, setzt sein Hofnarr Puck seinen Liebestrank leider recht unvorsichtig ein - zum Glück geht am Ende das "Ver- und Entlieben" doch noch gut aus. Schon im Text der Komödie selbst sind einige Lacher angelegt, der Includo-Inszenierung gelingt es aber, das ganze Humorpotenzial der bizarren Geschichte auszuschöpfen, etwa wenn zwei männliche Schauspieler die Kussszene von Pyramus und Thisbe "durch die Wand" vollführen.
15 junge Menschen im Alter von 15 bis 30 Jahren bringen sich mit ihren jeweils ganz eigenen Begabungen in das Schauspiel ein, manche agieren eher ruhig und bedacht, andere sprühen nur so vor Energie und leben ihre Lust, auf der Bühne zu stehen, voll aus - richtige Schauspieler eben.
Während bereits in Shakespeares "Vorlage" gewissermaßen eine weitere Metaebene eingeflochten ist, nämlich das "Stück im Stück", wenn die Handwerker ihr Theaterstück einstudieren und aufführen, gibt es in dem Includo-Sommernachtstraum noch eine Ebene, wenn der Entstehungsprozess des gesamten Stückes ebenfalls auf der Bühne aufschimmert, also das "Stück vor dem Stück", die Rollenverteilung und der Gang zur Probe.
Vor zwei Jahren gab es die "Premiere" der Includos, wie sich die Schauspieler selbst nennen mit "Amor und Psyche". Includo ist dabei eine Gruppe des inklusiv arbeitenden Vereins "Smile - Spaß Mit Integration Live Erleben", der daneben noch viele andere Freizeitangebote macht. Das aktuelle Stück begeistert mit vielen Dialogen. "Uns war es wichtig, dass sich jeder mit seinen Fähigkeiten einbringen kann, und das haben wir auch bei der Verteilung der Sprechrollen berücksichtigt", so Theaterpädagogin Claudia Gottuk-Brede.
Zusammen mit ihrer Theaterkollegin Saskia Mosler hat sie das Stück mit der Gruppe in über einem Jahr Probearbeit gemeinsam entwickelt. "Wir hatten anfangs keinen fertigen Text, nur verschiedene Textvorlagen für Shakespeares ’Sommernachtstraum’. Für ’unseren’ Sommernachtstraum haben wir das Stück dann stellenweise stark eingedampft und die Dialoge je nach Schauspieler vereinfacht." Stellenweise gab es auch Raum für Improvisationen: "Ein paar Szenen sind daher auch immer eine Überraschung für uns", so das Regie-Duo mit einem Augenzwinkern. "Wir haben viel mit Sprache und Improvisation gearbeitet, aber auch mit Bewegung und unsere Textfassung hat sich bis zum Schluss noch geändert."
Das Stück hat sich insofern gut geeignet, da Emotionen wie Eifersucht und Verliebtsein thematisiert und auch von den Akteuren gemeinsam besprochen werden können - auch diese "Verarbeitung" findet ihren Platz im Stück, wenn zwischen den Handlungsblöcken Tonsequenzen eingespielt werden, in denen sich die einzelnen Schauspieler ganz frei mit den Fragen "Was ist Liebe für mich?" oder "Wem oder was kann ich nicht widerstehen?" auseinandersetzen. Viel Probenarbeit fand bewusst auch im St. Leoner Wald statt, um die besondere Stimmung dort für das Stück einzufangen.
"Uns ist ganz wichtig, dass auch Menschen mit Behinderung Zugang zu Kunst und Kultur bekommen, davon profitieren nicht nur sie, sondern das ganze Publikum", so die Theaterpädagoginnen Gottuk-Brede und Mosler. So werde auch das Selbstbewusstsein gesteigert: "Die Schauspieler sind die Gebenden und gerade nicht die Nehmenden, das ist für einige eine ganz neue Erfahrung." Interessant sei es vor allem, mit Jugendlichen zu arbeiten, die sich gerade wieder mehr Freiheit von den Eltern erarbeiten - ein ganz normaler Prozess, den auch Menschen mit geistiger Behinderung durchleben. "Das Theater bietet die Möglichkeit, seine eigenen Ideen einzubringen, aber natürlich ist diese Freiheit trotzdem durch einen äußeren Rahmen und einige Vorgaben reglementiert. Das macht die Arbeit sehr spannend." Beide wurden tatkräftig von einem Team, bestehend aus Vera Grothe, Julia Koppenhöfer und Matthias Morgen, unterstützt.
Hatte man bei der ersten Produktion noch Musik "aus der Dose", sorgten nun Siri Schroer an der Querflöte und Robert Brede am Marimba- und Vibrafon dafür, dass die Zuschauer schon akustisch durch die Hintergrundmusik in die mystische Atmosphäre des Elfenwaldes versetzt wurden. Das Bühnenbild von Julia Koppenhöfer und Matthias Morgen verzauberte auch noch die Augen. Eingeworfene Schattenspielszenen - wie etwa der Kampf der Athener gegen die Amazonen - garantierten Abwechslung und Spannung.
"Ihr wart bravourös, ihr habt das super gemacht!", ruft Regisseurin Gottuk-Brede ihrer Truppe nach dem großen Finale zu. Die Vorsitzenden von Smile, Ulrike Freiseis und Kirsten Schmitz, hatten am Ende noch die Gelegenheit, sich mit Blumengrüßen bei der Theatergruppe für einen "wirklich ganz tollen Abend" und bei den Verantwortlichen für "das Riesenengagement, die Riesenenergie und das Herzblut, das in dieser Theaterarbeit steckt", zu bedanken.