Ein bisschen mehr gesunde Paranoia bitte: Im Rahmen der Initiative "Datenschutz geht zur Schule" wurden Schüler des Walldorfer Gymnasiums für den möglichen Missbrauch ihrer ganz persönlichen Informationen sensibilisiert. Foto: Pfeifer
Walldorf. (seb) Jugendlichen heutzutage etwas zu Computer und Internet zu erklären, ist so eine Sache: Sie wissen bereits eine ganze Menge darüber, wie alles funktioniert, teils mehr als die Erwachsenen. Die dann mit ihrem eigentlichen Anliegen, nämlich dem Sensibilisieren für Datenschutz, nicht gleich durchdringen.
Das musste David Schweizer, Mitarbeiter der Datenschutz-Aufsichtsbehörden Baden-Württemberg, bei seinem Vortrag vor Siebtklässlern des Walldorfer Gymnasiums feststellen. Er referierte im Rahmen der von vier Bundesländern in Kooperation mit dem Berufsverband der Datenschutzbeauftragten Deutschlands gestarteten Initiative "Datenschutz geht zur Schule", Anlass war der "Safer Internet Day" der EU-Initiative "Klicksafe" für mehr Sicherheit im Netz.
Als etwa das Video stockte oder die Bildschirmpräsentation nicht erschien, wussten die Zwölf- und Dreizehnjährigen Rat. Aber wieso der Missbrauch privater Daten zu "Horrorszenarien" führen kann, musste Schweizer eingehender erklären. Und es wurde offensichtlich, dass junge Leute ihre Daten weit bereitwilliger als Erwachsene als eine Art Währung ansehen, mit denen sie Vorteile für sich heraushandeln können. Eine angeregte Diskussion entwickelte sich.
Natürlich war den Schülern bewusst, dass sie ihre intimsten Geheimnisse besser nicht in Sozialen Medien posten, selbst wenn sie die "Haken richtig gesetzt" und ihre Beiträge nur engsten Freunden zugänglich gemacht haben. Im Dialog mahnte David Schweizer auch, sich immer zu fragen: "Muss der das wissen?" und "Geht das dieses Unternehmen oder diesen Internet-Kontakt etwas an?"
Die Jugendlichen kennen Fernseh-Reportagen über Hacker, Phisher, Scammer oder sonstige Betrüger im Netz, die Passwörter oder PIN-Nummern stehlen. Sie haben von Einbrechern gehört, die nach Urlaubs-Botschaften suchen, damit sie wissen, welches Haus gerade leer steht. Gezielte Werbung, die sie "verfolgt", weil sie auf bisherigen Einkäufen und Suchanfragen basiert, begegnet ihnen öfter.
Und fast die Hälfte der 22-köpfigen Klasse hat zu Hause Alexa, Siri, Google Assistant oder einen anderen digitalen Helfer. Dass die aber permanent lauschen, damit sie auch auf jede Anfrage reagieren können, und ständig mit dem Internet verbunden sind, musste Schweizer noch mal verdeutlichen. Einigen der Schüler war sogar klar, dass hinter der Angebotsfülle im Netz nur erstaunlich wenige "Datenkraken" sitzen, Instagram - das weit "cooler" ist - beispielsweise ebenfalls zu Facebook gehört, das Jugendliche zunehmend meiden, weil sie da auf Eltern und Lehrer treffen.
Aber wie ihre "Datenspuren", wenn sie erst einmal "da draußen" sind, aus den verschiedensten Quellen zusammengeführt und missbraucht werden können, war den Schülern nicht unmittelbar bewusst. Und noch weniger, wie viel sie absolut unabsichtlich über andere Menschen mitteilen können - ohne deren Wissen. In einem - völlig überspitzten - Video wusste der Pizzabäcker plötzlich über Kreditwürdigkeit und körperliche Fitness des Kunden Bescheid und warnte, dass von seiner Bestellung nicht nur der Pizzapreis, sondern auch seine Krankenkassenbeiträge abhängen.
Was für ein Unsinn, war die erste Reaktion, aber wer weiß schon, wem Handy-App oder smartes Armband die Daten etwa über die eigene körperliche Aktivität zur Verfügung stellen? Und wo landen die Urlaubsfotos mit der ganzen Familie am Strand, die man ohne nachzudenken dem Reise-Ratgeberportal zur Verfügung gestellt hat? Was sagen Smart-TV oder Spielekonsole über uns - und wem? Wie gut kann man die Tagebuch-App "verschließen"?
Aufs Pilotprojekt in China verweisend, fragte Schweizer: Was ist, wenn der Staat im Detail das Verhalten jedes Bürgers in allen Lebensbereichen überprüft? Und davon Bildungs- und berufliche Chancen, Kreditwürdigkeit oder Reisefreiheit abhängig macht? "Ich fänd’s gruselig, wenn die alles von mir wüssten", sagte ein Schüler über den Staat ebenso wie Unternehmen. Aber ob er für einen Rabatt ein bisschen was von sich verraten würde? Da musste er nachdenken.
Die Schüler waren sich später einig, dass sie im Vortrag nichts umwälzend Neues erfahren haben und sich gut über Freunde oder Internet-Suchmaschinen informieren können. David Schweizer stellte fest, dass die Schüler klug und nicht unbedingt leichtsinnig sind. Nur nehmen sie es ihm zufolge als selbstverständlich hin, dass es im Internet eben so läuft: Für guten Service und Komfort muss man etwas "gläserner" werden. Schweizer zeigte sich daher auch zufrieden, in ihnen wenigstens ein bisschen gesunde Paranoia und Misstrauen zu schüren gegenüber all den beflissenen dienstbaren Geistern im Netz - damit sie "keine Opfer werden". Er betonte: "Es geht darum, dass ihr sicher seid."